Die anhaltende Niedrigzinsphase an den europäischen Finanzmärkten macht auch vor der betrieblichen Altersversorgung nicht Halt. Unternehmen, die ihren Jahresabschluss nach internationalen Bilanzierungsstandards (IFRS, US-GAAP) erstellen, müssen sich zum Jahresabschluss 2014 auf hohe versicherungsmathematische Verluste einstellen.
Es ist jedes Jahr das gleiche Spiel: Gebannt verfolgen Geschäftsleitung und Finanzabteilung die Entwicklung an den Finanzmärkten, um die Auswirkungen auf die Höhe der Rückstellungen für Personalverpflichtungen in der IFRS-Bilanz abschätzen zu können. Solche Verpflichtungen sind nämlich – so schreibt es der Bilanzierungsstandard IAS 19 vor – mit einem Abzinsungssatz zu bewerten. Dieser entspricht der am Markt zum Abschlussstichtag erzielten Rendite für erstrangige, festverzinsliche Unternehmensanleihen mit gleicher Laufzeit und Währung wie die bewerteten Verpflichtungen.
Dabei ist der Rechnungszins zwar nur einer von mehreren Bewertungsparametern, er hat aber mit Abstand die größte Hebelwirkung. Dabei gilt: Je niedriger der Rechnungszins, desto höher die Verpflichtung. Und spätestens seit den im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Änderungen am Standard IAS 19 müssen die Unternehmen diese auch in vollem Umfang in der Bilanz zeigen.
Vielfach wurde von Unternehmen und Experten kritisiert, dass die Kopplung langfristiger Verpflichtungen (beispielsweise aus betrieblicher Altersversorgung) an hochvolatile Bewertungsparameter wie einen Marktzins zum Abschlussstichtag nicht sachgerecht sei. Allein es fehlt bisher an ernsthaften Alternativen, die sich in die Systematik der internationalen Bilanzierungsstandards einfügen.
Und so werden sich die Unternehmen auch in diesem Jahresabschluss wieder auf hohe Schwankungen in den Personalverpflichtungen einstellen müssen. Denn in den letzten 12 Monaten sind die Renditen der maßgeblichen Unternehmensanleihen um mehr als 1 Prozentpunkt zurückgegangen. Angemessene Abzinsungssätze für Bestände von Rentenverpflichtungen liegen derzeit bei gerade noch 2,5 Prozent.
Die Auswirkungen dieser Zinssenkung lassen sich mit Hilfe der Sensitivitätsanalyse abschätzen, die seit dem letzten Jahresabschluss ein Pflichtbestandteil des Bilanzanhangs geworden ist. Die konkreten Folgen hängen dabei stark von der jeweiligen Zusage und Bestandsstruktur ab. Erhöhungen der Rückstellungen um 20 Prozent und mehr im kommenden Jahresabschluss – allein durch die Zinsänderung – werden aber keine Seltenheit sein. Für Pensionsverpflichtungen („Post-Employment Benefits“) wird dieser Zinsänderungseffekt erfolgsneutral im Eigenkapital erfasst. Bei anderen Verpflichtungsarten („Other Long-Term Employee Benefits“, beispielsweise Jubiläums- und Altersteilzeitverpflichtungen) erfolgt die Erfassung hingegen durch den Aufwand.
Um unseren Kunden auch unterjährig eine Orientierung über die aktuelle Zinsentwicklung zu geben, veröffentlicht Longial auf ihrer Website in regelmäßigen Abständen Zinsempfehlungen für typische Musterbestände unter folgendem Link:
http://www.longial.de/aktuelles/rechnungszins/zinsempfehlung/
Hier finden Sie neben der aktuellen Empfehlung und den Vergleichswerten für die letzten 12 Monate auch eine Beschreibung der von uns verwendeten Methodik bei der Zinsfestlegung, die Sie in deutscher und englischer Sprache für sich und Ihren Wirtschaftsprüfer herunterladen können. In jedem Fall empfehlen wir Ihnen aber weiterhin die persönliche Abstimmung mit einem Berater oder Aktuar der Longial, der die Besonderheiten Ihres Verpflichtungsbestandes am besten einschätzen kann.
Fazit:
Die Rechnungszinssätze nach IAS 19 sind in 2014 erneut gefallen und erreichen historische Tiefststände. Unternehmen müssen sich auf hohe versicherungsmathematische Verluste im IFRS-Jahresabschluss einstellen. Über die Veröffentlichungen auf der Website der Longial sind Sie bei der Zinsentwicklung immer auf dem aktuellen Stand.
Dr. Marcus Reich, Aktuar DAV | Sachverständiger IVS im Bereich Aktuariat der Longial Mit dem AIFM-Steueranpassungsgesetz (AIFM-StAnpG) hat der Gesetzgeber neue Spielregeln für die Übertragung von Verpflichtungen geschaffen, die steuerlichen Ansatzbeschränkungen unterliegen. Kompliziert, praxisfern und handwerklich mangelhaft können die neuen Regeln zu deutlichen Belastungen für die Unternehmen führen.
Am 23.12.2013 hat der Gesetzgeber mit Veröffentlichung des AIFM-Steueranpassungsgesetzes neue Regeln für die ertragssteuerliche Bilanzierung von übertragenen Verpflichtungen erlassen, die beim ursprünglich Verpflichteten steuerlichen Ansatzverboten, Ansatzbeschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlagen. Hierzu zählen unter anderem auch Pensions- und Jubiläumsverpflichtungen (§ 6a bzw. § 5 Abs. 4 EStG).
Zum Hintergrund: In jüngster Vergangenheit waren einige Unternehmen dazu übergegangen, erworbene Pensionsverpflichtungen steuerlich nicht mehr als Teilwert nach den Regelungen des § 6a EStG, sondern als ungewisse Verbindlichkeiten mit den (in der Regel wesentlich höheren) Anschaffungskosten auszuweisen. In dieser Auffassung wurden sie zuletzt durch mehrere Urteile des BFH bestätigt, der dem Realisationsprinzip und damit der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen einen höheren Stellenwert als den steuerlichen Spezialvorschriften (beispielsweise des § 6a EStG) eingeräumt hat.
Regierung und Finanzverwaltung sahen bereits Steuerausfälle in Milliardenhöhe auf sich zukommen. Vor diesem Hintergrund blieb den Verantwortlichen kaum eine andere Wahl, als die Notbremse zu ziehen und die Unternehmen per Gesetz zu verpflichten, die steuerlichen Ansatzbeschränkungen auch im Falle von Übertragungen weiterhin zu beachten. Mit relativ kurzem zeitlichem Vorlauf wurden daher mit dem AIFM-StAnpG unmittelbar nach Konstitution des neuen Bundestages im Eilverfahren neue gesetzliche Regeln verabschiedet.
Der neu eingeführte § 4f EStG regelt für den Veräußerer von Verpflichtungen, dass dieser die Aufdeckung stiller Lasten aus steuerlichen Ansatzbeschränkungen im Rahmen der Veräußerung nicht mehr unmittelbar geltend machen kann. Er muss sie über 15 Jahre verteilt im Rahmen einer außerbilanziellen Korrektur des steuerlichen Ergebnisses abbilden (Verteilungspflicht). Zahlreiche Ausnahmen, beispielsweise für Gesamtbetriebsveräußerungen, kleine und mittlere Unternehmen und einzelvertraglich übertragene Pensionsverpflichtungen sollen die Unternehmen nicht über Gebühr belasten, machen die Anwendung in der Praxis aber teilweise sehr komplex.
§ 5 Abs. 7 EStG trifft entsprechende Regeln für den Erwerber von Verpflichtungen. Hier findet sich zunächst die Grundsatzregel, dass der Erwerber die steuerlichen Ansatzverbote, Ansatzbeschränkungen und Bewertungsvorbehalte zu beachten hat, die beim „ursprünglich Verpflichteten“ gegolten haben. Des Weiteren wird dem Erwerber das Recht eingeräumt, den steuerlichen Erwerbsgewinn aus der Anwendung dieser Regel mit einer Gewinnrücklage über bis zu 15 Jahre zu strecken (Verteilungswahlrecht). Sobald die übernommene Verpflichtung zu einem späteren Zeitpunkt entfällt, sind diese Rücklagen jedoch sofort aufzulösen.
Die Eile im Gesetzgebungsverfahren ist den neuen Regelungen deutlich anzumerken. Bei genauerer Betrachtung offenbaren sich zahlreiche Fallstricke, Ungenauigkeiten und Definitionslücken im Gesetz. Sie machen es den Unternehmen künftig deutlich schwerer, Erwerbsvorgänge steuerlich korrekt abzubilden. So kann beispielsweise bei mehrfachen Weiterveräußerungen bereits der Rückgriff auf den Begriff des „ursprünglich Verpflichteten“ dazu führen, dass der Erwerber in der Praxis nicht in der Lage ist, die neuen Regeln korrekt anzuwenden, da er diese gar nicht kennt. Bei Anwendung des Verteilungswahlrechts ist der Erwerber gezwungen, die Gewinnrücklagen auf Ebene der einzelnen erworbenen Verpflichtungen nachzuhalten, um diese bei einem späteren Wegfall auflösen zu können – eine ganz neue administrative Herausforderung für die Unternehmen. Gänzlich undurchsichtig wird die Situation bei Schuldbeitrittsverträgen, insbesondere mit laufender Vergütung, auf die die neuen Regeln ebenfalls anzuwenden sind.
Letztlich mindern die Neuregelungen erneut die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung für Unternehmen. In Zeiten sinkender gesetzlicher Renten und unattraktiver Renditen bei der privaten Vorsorge eine besorgniserregende Entwicklung. Eine ganze Reihe von inzwischen erschienenen Veröffentlichungen offenbart einen großen Bedarf an Klarstellung über die Anwendung des Gesetzes in der Praxis. Ob ein bereits angekündigtes BMF-Schreiben diese Klarheit bringen wird, bleibt abzuwarten. In der Zwischenzeit bleiben betroffenen Unternehmen wenig Alternativen: In Abstimmung mit Beratern wie der Longial, ihrem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer müssen sie verschiedene Interpretationen des Gesetzestextes gegeneinander abwägen und sich gegebenenfalls auf Änderungsvermerke in kommenden Betriebsprüfungen gefasst machen.
Fazit:
Mit den §§ 4f und 5 Abs. 7 EStG hat der Gesetzgeber zwei äußerst komplexe Regelungen für die Veräußerung von Verpflichtungen mit Ansatzverboten, Ansatzbeschränkungen und Bewertungsvorbehalten in das deutsche Steuerrecht eingeführt. Betroffen sind davon unter anderem Pensions- und Jubiläumsverpflichtungen. Die Neuregelungen sind teilweise praxisfern, handwerklich schwach und führen zu Rechtsunsicherheit. In vielen Fällen werden Unternehmen kaum in der Lage sein, die Übertragung solcher Verpflichtungen ohne die Hilfe externer Berater korrekt umzusetzen.
Dr. Marcus Reich, Aktuar DAV | Sachverständiger IVS im Bereich Aktuariat der Longial |