ausgabe 04/2015







11.11.2015

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recht      

Vorgezogene Altersrente – Bezug zur gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich?

BAG, Urteil vom 13.01.2015 – 3 AZR 894/12

Gesetzlicher Anspruch
Auf gesetzlicher Ebene regelt das Betriebsrentengesetz (§ 6 BetrAVG), unter welchen Voraussetzungen dem Arbeitnehmer dem Grunde nach ein Anspruch auf eine vorzeitige betriebliche Altersleistung zusteht.

Danach hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf eine vorzeitige betriebliche Altersleistung, wenn er die Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist und der Arbeitnehmer auch mögliche sonstige Leistungsvoraussetzungen, die die Versorgungsordnung vorgibt, erfüllt, kann ihm ein Anspruch auf eine vorzeitige Leistung nicht verwehrt werden.

Arbeitgeber oder Betriebspartner können eigene Voraussetzungen festlegen
Der Arbeitgeber oder die Betriebspartner müssen aber nicht zwingend den Bezug einer vorzeitigen Altersleistung an den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung knüpfen. Sie können jedoch im Rahmen der bestehenden Vertragsfreiheit sonstige Leistungsvoraussetzungen unter Zugrundelegung des geltenden Rechts festlegen.

In den meisten Versorgungsordnungen existieren auch Regelungen dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine vorzeitige Altersleistung in Anspruch genommen werden kann. So ist oftmals der vorzeitige Bezug einer Altersrente an das Ausscheiden aus dem Unternehmen gekoppelt. Wenn daneben noch der Bezug einer gesetzlichen Rente erforderlich sein soll, ist grundsätzlich eine möglichst genaue Formulierung notwendig, damit es später nicht zu Missverständnissen kommt.

Was gilt bei sogenannten Gesamtversorgungssystemen?
BAG, Urteil vom 13.01.2015 – 3 AZR 894/12
Arbeitgeber, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Wege einer Gesamtzusage versprechen, wollen diese Leistungen nach einheitlichen Regeln, das heißt als System erbringen.

Definition
Von einer Gesamtversorgungszusage ist nicht nur dann auszugehen, wenn dort geregelt ist, dass ein bestimmtes Versorgungsniveau nicht überschritten werden soll. Auch dann, wenn nach der Versorgungszusage andere Versorgungsleistungen anzurechnen oder die betrieblichen Versorgungsleistungen um bestimmte andere Versorgungsleistungen zu kürzen sind, kann es sich um ein Gesamtversorgungsversprechen handeln. Die Versorgungszusage muss nur hinreichend deutlich erkennen lassen, dass den Berechtigten eine Versorgung zugesagt ist, die zusammen mit anderen Versorgungsleistungen ein bestimmtes Versorgungsniveau garantiert.

Neben dem Wortlaut ist auch der konkrete Vertragszweck relevant
In dem zugrunde liegenden Fall war die Formulierung zum Bezug einer vorzeitigen Altersrente in dem entsprechenden Abschnitt zur Altersrente nur an die Vollendung zunächst des 60. Lebensjahres bei weiblichen Angestellten, an die Erfüllung einer Wartezeit und das Ausscheiden aus den Diensten des Arbeitgebers geknüpft. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befand den Vertragswortlaut jedoch für nicht eindeutig und hat hier lediglich das Vorliegen notwendiger Bedingungen, aber nicht hinreichender Bedingungen gesehen.
Das Gericht hat daher auf den Vertragszweck abgestellt, in dem es geprüft hat, wie der Zweck in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele zu verstehen sein könnte.

Es hat unter anderem dem Regelungszusammenhang der Versorgungsrichtlinien entnommen, dass ein Anspruch auf Zahlung einer vorzeitigen Altersrente erst besteht, wenn die Angestellte die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen kann. So entsprachen beispielsweise zum Zeitpunkt der letzten Änderung der Richtlinien die Altersgrenzen dem für die gesetzliche Altersrente maßgeblichen frühesten Rentenbezugsalter und knüpften damit ersichtlich an dieses an.
Ferner sahen die Versorgungsrichtlinien eine Anrechnung der gesetzlichen Rente und anderer Versorgungsleistungen vor. Es sollte demnach ein bestimmter Versorgungsgrad nicht überschritten werden.

Im Ergebnis ist damit bei Gesamtversorgungssystemen der Bezug einer Altersrente immer an den Bezug einer solchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gekoppelt.

Sonderfall: Was gilt bei Pensionskassen?
Speziell für Pensionskassen ist im Versicherungsaufsichtsgesetz geregelt, dass Leistungen grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt des Wegfalls des Erwerbseinkommens gewährt werden dürfen.

Nach dem Gesetzeswortlaut wird hier für den Bezug einer vorzeitigen Altersleistung nicht zwingend an die gesetzliche Rentenversicherung angeknüpft.

Fazit: 

Es gibt also jede Menge Fallgestaltungen, wie der Bezug einer vorzeitigen betrieblichen Altersrente formuliert werden kann. Bei Gesamtversorgungssystemen ist im Regelfall davon auszugehen, dass ein Bezug zur gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Ansonsten ist das nicht zwingend erforderlich und bietet den Vertragsparteien entsprechenden Spielraum zur Gestaltung, je nach Zweck, der möglicherweise mit der Inanspruchnahme vorzeitiger Zahlungen erreicht werden soll.

Anja Sprick, Rechtsanwältin im Bereich Recht | Steuern, Longial

Kündigung der Unterstützungskasse durch Arbeitgeber: Schadenersatzanspruch für Arbeitnehmer?

Das Landgericht Düsseldorf hat einen Fall entschieden (Urteil vom 17.12.2014, Az. 12 Sa 580/14), in dem ein Arbeitgeber eine Mitgliedschaft in der Unterstützungskasse anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekündigt und den Rückkaufswert der Rückdeckungsversicherung hatte auszahlen lassen. Der Arbeitnehmer hatte hier Entgeltumwandlung betrieben. Die Ansprüche des Arbeitnehmers waren daher von Beginn an unverfallbar. Über die Kündigung der Mitgliedschaft und Auszahlung des Rückkaufswerts hatte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht informiert. Der Arbeitnehmer verlangte nun Auszahlung des Rückkaufswerts der Rückdeckungsversicherung oder Schadenersatz.

Das LAG Düsseldorf hat festgestellt, dass ein vertraglicher Anspruch auf Rückzahlung des Rückkaufswerts ausscheidet, weil Versicherungsnehmer der Rückdeckungsversicherung die Unterstützungskasse war. Zudem diente die Rückdeckungsversicherung nur der Absicherung der Unterstützungskassenversorgung, die der Arbeitgeber aufgrund des Versorgungsverhältnisses schuldete.

Urteilsbegründung
Ein Schadensersatz-Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) stehe dem Arbeitnehmer wegen der Kündigung der Mitgliedschaft in der Unterstützungskasse nicht zu. Zwar war der Arbeitgeber wegen der Entgeltumwandlung und der daraus folgenden sofortigen Unverfallbarkeit nicht berechtigt, die Mitgliedschaft in der Kasse zu kündigen. Dies ändere aber nichts an der unverändert bestehenden Leistungspflicht des Arbeitgebers. Könnten auf dem Weg der Unterstützungskasse die versprochenen Rentenleistungen nicht geleistet werden, seien die Versorgungspflichten aus dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Grundverhältnis nicht erfüllt. Wenn der Arbeitgeber aus dem Kreis der Trägerunternehmen ausscheide, müsse er deshalb selbst die laufenden Rentenleistungen übernehmen.
Da der Arbeitgeber nicht von der Leistungspflicht freigestellt worden sei, habe der Arbeitnehmer trotz pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitgebers keinen Schaden. Ein Schaden könne auch grundsätzlich nicht im Rückkaufswert, sondern in dem im Versorgungsfall eintretenden Versorgungsschaden liegen.

Der Arbeitgeber wäre aus der vertraglichen Nebenpflicht zu § 241 Abs. 2 BGB und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet gewesen, den Arbeitnehmer über die Kündigung der Mitgliedschaft und den Erhalt des Rückkaufswerts zu unterrichten. Allerdings scheitere auch hier der Schadenersatzanspruch an dem nicht entstandenen Schaden.

Fazit:

Zwar kann ein Arbeitgeber pflichtwidrig eine Unterstützungskassenversorgung im Falle der Entgeltumwandlung kündigen und auszahlen lassen, allerdings wird er dadurch von der Leistungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer nicht frei. Es ist also davon abzuraten, in diesem Fall die Unterstützungskassenversorgung zu kündigen, da eine Verpflichtung besteht. Die Möglichkeit, hierfür steuerlich anerkannte Pensionsrückstellungen zu bilden, dürfte allerdings schwierig sein.

Susanne Kayser-Dobiey, Rechtsanwältin im Bereich Recht | Steuern, Longial

Direktversicherung für den GGF – ist die bAV im Insolvenzfall noch sicher?

Der BGH kam in seinem Urteil vom 24.06.2015 (IV ZR 411/13) zu dem Ergebnis, dass der Insolvenzverwalter eine für einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) abgeschlossene Direktversicherung kündigen und die Mittel zur Insolvenzmasse ziehen kann, obwohl der Versicherungsvertrag ein sogenanntes „eingeschränktes unwiderrufliches“ Bezugsrecht vorsah. Dem Urteil lag hierbei folgender Sachverhalt zugrunde:

„Eingeschränkt unwiderruflich“ – was heißt das und wem hilft es?
Die GmbH hatte für ihre Mitarbeiter und für die beiden Geschäftsführer Direktversicherungen im Rahmen eines Gruppenvertrags abgeschlossen. Der Gruppenvertrag geht dabei einheitlich von einem sogenannten „eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrecht“ aus.

Das bedeutet, den Versorgungsberechtigten steht zwar von Beginn an jeweils unwiderruflich das Bezugsrecht aus der für sie abgeschlossenen Direktversicherung zu. Dieses allerdings unter der Bedingung, dass entweder die Voraussetzungen einer gesetzlichen oder einer vertraglichen Unverfallbarkeit gegeben sind. Ferner war hier geregelt, dass beim Ausscheiden eines Versorgungsberechtigten mit verfallbaren Anwartschaften entweder die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers übertragen oder ihm der Zeitwert der Versicherung überlassen werden kann. Wird keine der vorgenannten Optionen gezogen, gilt die Versicherung als gekündigt und steht dem Arbeitgeber zu beziehungsweise wird zur Beitragsverrechnung verwendet. Die beiden GGF schieden im November 2006 beziehungsweise Februar 2008 aus. Im Februar  2008 wurde der Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt. Der Insolvenzverwalter fordert vom Lebensversicherungsunternehmen unter anderem die Rückkaufswerte der für die beiden GGF bestehenden Direktversicherungen.

Gute Nachricht für die Mitarbeiter
Der BGH gelangt hier hinsichtlich der Arbeitnehmer zu dem Schluss, dass die bAV nicht von den negativen künftigen Entwicklungen des Arbeitgebers abhängen und nicht dazu führen dürfe, dass auch bei insolvenzbedingtem Ausscheiden ohne vorliegende Unverfallbarkeitsvoraussetzungen die Versorgungsberechtigten ihr Bezugsrecht verlieren. Das BAG hat dies bislang anders gesehen und geht davon aus, dass bei noch verfallbaren Anwartschaften dem Insolvenzverwalter das Recht zusteht, die Anrechte der Versorgungsberechtigten für sich in Anspruch zu nehmen.

GGF und Mitarbeiter: Wie gleich oder vergleichbar sind sie wirklich?
Anders liegt der Fall aber für die beiden GGF: Diese fielen im vorliegenden Fall nicht unter den Schutz des BetrAVG, so dass eine gesetzliche Unverfallbarkeit nicht eintreten konnte (Anmerkung: Nach dem Sachverhalt scheint eine vertragliche Unverfallbarkeitsregelung nicht vorzuliegen).

Weil sie als GGF auch Einflussmöglichkeiten auf den Vermögensverfall des Unternehmens gehabt haben, sah der BGH, anders als bei Mitarbeitern mit noch verfallbaren Anwartschaften, hier keine entsprechende Privilegierungsmöglichkeit bei noch verfallbaren Anwartschaften.

Fazit:

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung scheint Folgendes beim Abschluss einer Direktversicherung für einen (nicht in den Schutzbereich des BetrAVG fallenden) GGF empfehlenswert:

  • Es sollte von Beginn an ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt werden und/oder
  • eine Direktversicherungszusage mit klaren und eindeutigen Regelungen zu einer vertraglichen Unverfallbarkeit erteilt werden.

Zu bedenken gilt es im Übrigen auch, dass auch ein unter das BetrAVG fallender GGF zum Teil im Laufe der Jahre durch Anteilserwerb zum beherrschenden GGF werden kann, so dass auch diese möglichen Veränderungen frühzeitig in die Gestaltungsberatung einzubeziehen sind. Neben der Neueinrichtung von Direktversicherungsverträgen sollten auch bestehende Verträge überprüft werden.

Im Übrigen bleibt die Entwicklung der Rechtsprechung zu diesem Themenkreis weiter abzuwarten.

Bernd Wilhelm, LL.M., Rechtsanwalt, Leiter Recht | Steuern, Longial

Spätehenklausel – Diskriminierung wegen des Alters

BAG, Urteil vom 04.08.2015 – 3 AZR 137/13

In dem zugrunde liegenden Fall hat das BAG entschieden, dass eine Hinterbliebenenversorgung zu gewähren ist, weil die eigentlich zur Anwendung kommende Spätehenklausel wegen Altersdiskriminierung unwirksam war (§ 7 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)).

In der maßgeblichen Versorgungsordnung war für den Erhalt einer Hinterbliebenenversorgung zusätzlich Voraussetzung, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen war. Weil diese Voraussetzung nicht erfüllt war, hat der Arbeitgeber die Zahlung einer Hinterbliebenenrente abgelehnt.

Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
Das BAG war dagegen der Auffassung, dass die Spätehenklausel unwirksam ist, weil sie den Hinterbliebenen unmittelbar wegen des Alters benachteiligt und keine Rechtfertigung dafür vorgelegen hat.
Das AGG lässt zwar grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zu; soweit es aber um Altersgrenzen als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung geht, gilt das nur für die Alters- und Invaliditätsversorgung und eben nicht für die Hinterbliebenenversorgung. Die Vorinstanz hatte das noch anders gesehen und argumentiert, dass die Hinterbliebenenrente sich zwingend von der Alters- und Invalidenrente ableite. Zudem sei die Ungleichbehandlung gerechtfertigt, da der Arbeitgeber bei einer von ihm finanzierten Altersversorgung frei über deren Einführung und somit auch berechtigt sei, die Hinterbliebenenversorgung von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen.

Momentan liegt nur eine Presserklärung des BAG vor. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht im Einzelnen die Diskriminierung begründen wird.

Fazit: 

Mit der Entscheidung ist aber klargestellt, dass Spätehenklauseln, die an ein bestimmtes Alter anknüpfen, unwirksam sind. Hierauf sollten Arbeitgeber ihre Versorgungsordnungen untersuchen und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen. Wir unterstützen Sie gern. 

Denn das BAG hat noch in den letzten Jahren entschieden, dass Klauseln, die keinen unmittelbaren Bezug zum Alter haben, aber zum Beispiel an das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder an den Altersrentenbeginn anknüpfen, wirksam sind. Insoweit kommt es auf die genaue Formulierung an, ob solche Klauseln wirksam sind. 

Vor diesem Hintergrund der Entscheidung stehen wohl auch die sogenannten Altersabstandsklauseln auf dem Prüfstand.

Anja Sprick, Rechtsanwältin im Bereich Recht | Steuern, Longial


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