Das Bundesarbeitsgericht hatte in einem Urteil vom 15.06.2010 (3 AZR 334/06) die Frage zu prüfen, ob der Rückkaufswert aus einer Direktversicherung mit eingeschränkt widerruflichem Bezugsrecht zur Insolvenzmasse gehört oder dem Arbeitnehmer zusteht.
Im zugrunde liegenden Fall schloss ein Arbeitgeber eine Direktversicherung für einen Arbeitnehmer im Juni 1999 mit eingeschränkt unwiderruflichem Bezugsrecht ab. Demnach sollte das Bezugsrecht durch den Arbeitgeber nur für den Fall widerruflich sein, falls der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne dass die Voraussetzungen einer gesetzlichen Unverfallbarkeit der Versorgungszusage vorliegen. Diese Gestaltung entspricht der üblichen Formulierung eines sogenannten eingeschränkt unwiderruflichen Bezugsrechts.
Der Arbeitgeber wurde im April 2004 insolvent. Die Insolvenzverwalterin veräußerte den Betrieb im Mai 2004 an einen Erwerber. Die Insolvenzverwalterin war der Auffassung, der Rückkaufswert der Direktversicherung falle in die Insolvenzmasse, weil sie anstelle des Arbeitgebers das Bezugsrecht widerrufen könne. Der Versicherer hatte den entsprechenden Betrag bis zur Klärung der Sache hinterlegt. Der Arbeitnehmer verweigerte eine Freigabe. Die Insolvenzverwaltung versuchte daher die Freigabe über eine Klage durchzusetzen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu überprüfen, ob die Ansprüche aus der Direktversicherung zur Insolvenzmasse gehören oder dem Arbeitnehmer zustehen. Entscheidend ist nach Ansicht des Gerichts zunächst zwar die versicherungsrechtliche Lage. Wenn der Versicherungsvertrag aber dem Zweck der Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung dient, seien auch die Interessen der Beschäftigten zu berücksichtigen. Entscheidend seien daher die betriebsrentenrechtlichen Wertungen.
In diesem Zusammenhang war fraglich, ob die Veräußerung des Betriebes i.S.d. § 613a BGB als Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu werten war. Zu diesem Zeitpunkt waren die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen noch nicht erfüllt, so dass das Bezugsrecht hätte widerrufen werden können. Das Bundesarbeitsgericht hat hier entschieden, dass die Betriebsveräußerung nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Betriebsrentenrechtlich bestehe ein Arbeitsverhältnis auch nach dem Betriebsübergang fort, da der Erwerber nach § 613 a BGB in die Verpflichtungen der Versorgungszusage eintrete.
Der Grundsatz, dass durch einen Betriebsübergang ein Arbeitsverhältnis nicht endet, gelte auch in der Insolvenz. Zudem unterbreche die Insolvenzeröffnung selbst nicht den Lauf der gesetzlichen Fristen zur Erreichung der Unverfallbarkeit.
Die Insolvenzverwalterin hat daher kein Recht, den Rückkaufswert der Direktversicherung einzufordern. Vielmehr stehen die Rechte aus der Direktversicherung dem Arbeitnehmer zu.
Fazit:
Um im Insolvenzfall sicherzustellen, dass die für einen Arbeitnehmer abgeschlossene Direktversicherung nicht in die Insolvenzmasse fällt, muss der Arbeitgeber entweder ein von Beginn an unwiderrufliches oder – das zeigt diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts – ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht für den Arbeitnehmer einräumen. Ein von Beginn an unwiderrufliches Bezugsrecht wird dabei gewählt, wenn entweder eine Entgeltumwandlung vorliegt oder der Arbeitgeber arbeitsrechtlich eine sofortige Unverfallbarkeit zugesagt hat; in den übrigen Fällen ist das sogenannte eingeschränkt unwiderrufliche Bezugsrecht zu empfehlen.
Susanne Kayser-Dobiey, Rechtsanwältin bei Longial Mit Beschluss vom 28.09.2010 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Urteil des Bundessozialgerichts aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das Bundessozialgericht hatte entschieden, dass die gesamte Kapitalleistung aus einer Direktversicherung der vollen Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Pflegeversicherung (GPflV) unterliegt, auch wenn die Direktversicherung nach Ausscheiden vom Arbeitnehmer privat als Versicherungsnehmer fortgeführt wird.
Diese Rechtsauffassung ist nach Ansicht des BVerfG in der konkreten Fallkonstellation nicht haltbar. Hier wird gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen, wenn auch diejenigen Kapitalleistungen der Beitragspflicht unterworfen werden, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Tätigkeit als Versicherungsnehmer eingezahlt hat. Denn mit der Übernahme des Vertrages durch den Arbeitnehmer wird der Versicherungsvertrag vollständig aus dem betrieblichen Bezug gelöst und unterscheidet sich hinsichtlich der weiteren Einzahlungen nicht mehr von anderen privaten Lebensversicherungen. Daher darf nach Ansicht des BVerfG der privat finanzierte Teil der Kapitalleistung nicht als kranken- und pflegeversicherungspflichtiger Versorgungsbezug behandelt werden.
Das BVerfG hat ausdrücklich klargestellt, das diese Grundsätze nur bei Übertragung der Versicherungsnehmereigenschaft auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer gelten. Das Bundessozialgericht wird also hier seine Rechtsprechung ändern müssen. Bleibt hingegen der Arbeitgeber Versicherungsnehmer des Direktversicherungsvertrages verbleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung.
In der Zwischenzeit hat auch der GKV-Spitzenverband der Krankenkassen zu dem Beschluss des BVerfG Stellung genommen. So empfiehlt der Verband den Krankenkassen, dass bei zukünftigen Auszahlungen von Versorgungsleistungen aus Direktversicherungen, die nach dem Ausscheiden privat fortgeführt wurden, nur der Teil der Versorgungsleistung beitragspflichtig ist, der auf Beiträgen während der Betriebszugehörigkeit beruht. Eine entsprechende Anwendung auf andere Durchführungswege wie die Pensionskasse wurde hingegen abgelehnt. Hier soll erst die zukünftige Rechtsprechung abgewartet werden.
Weiterhin wird den Krankenkassen empfohlen, die in der Vergangenheit zu viel einbehaltenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung dem Versicherten zu erstatten, soweit die Ansprüche nicht verjährt sind. Nach den gesetzlichen Vorschriften verjähren Erstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Für Beitragserstattungen aus dem Jahre 2006 mussten daher bis Ende 2010 Ansprüche bei der Krankenkasse geltend gemacht werden. Für Erstattungen aus dem Jahr 2007 bleibt noch bis Ende des Jahres Zeit.
Fazit:
Um eine Beitragspflicht für den „privat finanzierten Anteil einer Leistung“ zu verhindern, sollte bei Ausscheiden eines Arbeitnehmers und Fortführung des Direktversicherungsvertrages die Versicherungsnehmereigenschaft auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer übertragen werden.
Die von einer Beitragspflicht auf den privat finanzierten Teil betroffenen Rentner sollten bald möglichst ihre Erstattungsansprüche bei der zuständigen Krankenkasse geltend machen.
Anja Sprick, Rechtsanwältin bei Longial |