ausgabe 02/2011







13. April 2011

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Unisex und Senkung des Garantiezinses: Was bedeutet das für die bAV?

In den letzten Wochen trafen die Lebensversicherer zwei Veränderungen, die deutlichen Einfluss auf das Leistungsniveau ihrer Versicherungsprodukte haben werden. Zum einen senkte das Bundesministerium für Finanzen (BMF) den Garantiezins für Lebensversicherungen für Neuverträge ab dem 1. Januar 2012 deutlich von 2,25 auf 1,75 Prozent. Zum anderen hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Rechtssache C-236/09), dass Lebensversicherer ab dem 21. Dezember 2012 ihre Versicherungen unabhängig vom Geschlecht kalkulieren und anbieten müssen, soweit individuelle Ansprüche von versicherten Personen betroffen sind.

Absenkung des Rechnungszinses

Die Absenkung des Rechnungszinses war schon seit längerem von der Fachwelt aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes erwartet worden. Die Umsetzung gilt für Neuverträge ab dem 01.01.2012 und betrifft nicht laufende Verträge, die bis zum 31.12.2011 abgeschlossen werden. Für Unternehmen, die ihre betriebliche Altersversorgung über die mittelbaren Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse (dereguliert), Pensionsfonds (versicherungsförmig) oder Unterstützungskasse (kongruent rückgedeckt) mit einem festen Dotierungsrahmen betreiben, sinkt wegen des kleineren Garantiezinses von 1,75 Prozent die garantierte Leistung. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass die Gesamtleistung eines vor dem 01.01.2012 abgeschlossenen Vertrages inklusive Überschussbeteiligung, gegebenenfalls Schlussüberschussanteilen sowie Beteiligung an den Bewertungsreserven im Leistungsfall größer ist als bei einem Vertrag, der ab dem 01.01.2012 abgeschlossen wird. Denn mit der Senkung des Garantiezinses ist nicht zwingend verbunden, dass die Gesamtverzinsung von Verträgen niedriger wird.

Ähnlich stellt sich die Lage für Direktzusagen mit unterlegten Rückdeckungsversicherungen dar.

Direktzusagen, bei denen sich die arbeitsrechtliche Leistungshöhe an der garantierten Leistung einer Versicherung ausrichtet, sind allerdings stark betroffen.

Neue Unisex-Tarife

Die Einführung von sogenannten Unisex-Tarifen, die der Versicherer unabhängig vom Geschlecht kalkulieren und anbieten muss, wird eine Veränderung der für Männer und Frauen zu zahlenden Beiträge zur Folge haben. Bei der Riester-Rente wurde dies schon im Jahre 2006 umgesetzt, so dass die Umstellung für die Lebensversicherer kein völliges Neuland darstellt. Es wird erwartet, dass die bisher getrennten biometrischen Grundlagen für Männer und Frauen zusammengeführt werden und sich diese Grundlagen zwischen den derzeit bestehenden Tarifen treffen. Dies würde zum Beispiel bei Rentenversicherungen zu einem höheren Beitrag für Männer führen, da sie in den neuen Tarifen rechnungsmäßig mit einer längeren Lebensdauer kalkuliert werden. Für Frauen muss umgekehrt weniger Beitrag gezahlt werden. Bei Kapitallebensversicherungen tritt genau der umgekehrte Effekt ein, da gemäß den neuen Tarifen Männer nun rechnungsmäßig etwas länger leben und das Risiko zu sterben sinkt. Auswirkungen der Kalkulation, die unabhängig vom Geschlecht vorgenommen wird, treffen jedoch nicht nur den Versicherer und die Versorgungszusagen, die an Versicherungen geknüpft sind. Derzeit wird in der Fachwelt kontrovers diskutiert, inwiefern das Urteil auch Auswirkungen auf die bAV hat. Es zeichnet sich allerdings zur Zeit noch kein einheitliches Meinungsbild hierzu ab. Es kann also durchaus sein, dass auch Versorgungssysteme, die im Rahmen der Direktzusage von Unternehmen angeboten werden, betroffen sein werden. Daher müssen z. B. Leistungsbestandteile einer unmittelbaren Zusage, die abhängig vom Geschlecht kalkuliert sind (zum Beispiel Transformationstabellen mit altersabhängigen Faktoren für die Leistungsermittlung) auf eine Anpassung hin überprüft werden. Sogar der neue Versorgungsausgleich kann betroffen sein, soweit die Ermittlung des Ausgleichswertes und die Teilung der Leistungsansprüche auf individuellen biometrischen Grundlagen erfolgt. Analog müssten auch Rechenvorschriften für die Abfindung von Rentenansprüchen auf Kapitalbasis angepasst werden.

Fazit und Empfehlung:

Aufgrund des gesunkenen Garantiezinses besteht in der Regel kein Grund, geplante zukünftige Abschlüsse in das Jahr 2011 vorzuziehen. Eine Überprüfung von Versorgungssystemen mit Leistungsbestandteilen, die ausschließlich von der garantierten Versicherungsleistung abhängen, muss im Zusammenhang mit dem vom Unternehmen festgelegten Dotierungsrahmen erfolgen.

Die Anpassung von Versorgungssystemen an geschlechtunabhängige Kalkulationen sollte in 2011 nicht überstürzt erfolgen, sondern es sollten die weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgt werden. Die Versorgungsträger und Unternehmen haben aber in jedem Fall bis spätestens zum 21.12.2012 Zeit, ihre Kalkulationen und Leistungsbestandteile ggf. an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.

Dr. Andreas Jurk, Geschäftsführer der Longial


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