24. Februar 2021

Absenkung des Höchstrechnungszinses für Neuverträge auf 0,25 Prozent

Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) empfiehlt, den Höchstrechnungszins für Lebensversicherungen zum 1.1.2022 von aktuell 0,90 Prozent auf dann 0,25 Prozent zu senken. Daraus ergibt sich die Frage, ob und wenn ja welche Auswirkungen das auf die bAV hat.


Verordnung ist Voraussetzung
Zunächst ist zu sagen, dass die Empfehlung der DAV alleine keine Auswirkungen hat. Formal setzt das Bundesfinanzministerium (BMF) eine Änderung des Höchstrechnungszinses für Lebensversicherungen durch eine Verordnung um. Erst mit dieser Verordnung sind die Versicherer gezwungen, Änderungen in den jeweiligen Tarifen vorzunehmen. Noch steht das Jahr am Anfang, das BMF hat demnach noch Zeit, die Verordnung zu beschließen. Und auch die Versicherer haben noch Zeit, sich auf die Änderung einzustellen beziehungsweise diese umzusetzen. Dennoch war es bei den letzten Änderungen des Rechnungszinses (zuletzt zum 1.1.2017 – Reduzierung von zuvor 1,25 Prozent auf aktuell 0,90 Prozent) so, dass die Verordnung im ersten Quartal veröffentlicht wurde, um den Versicherern ausreichend Zeit für die Tarifumstellung zu gewähren.

Auswirkung auf bAV
Auf die bAV wirkt sich eine Änderung des Höchstrechnungszinses nur zeitversetzt aus. Denn für alle Verträge, die bis zum 31.12.2021 bereits bestehen beziehungsweise eingerichtet sind, hat eine Rechnungszinsänderung keinerlei Auswirkungen. Diese gilt nur für neue Verträge, die nach dem 31.12.2021 abgeschlossen werden. Für Neuverträge reduzieren sich die garantierten Leistungen des Versicherungsvertrages. Die Gesamtleistung des Vertrages ist davon nicht betroffen, denn diese ergibt sich aus Garantiezins und individueller Überschussbeteiligung des Versicherers. Hält der Versicherer also seine Gesamtverzinsung des Deckungskapitals konstant, bleibt auch die Gesamtleistung des Vertrages trotz Senkung des Rechnungszinses unverändert. Unter Umständen erhöht sich diese sogar noch, denn Garantien kosten Geld und geringere Garantien reduzieren diese Kosten.

Folgen für Pensionskassen
Für die bAV werden häufig Lebens- und Rentenversicherungsverträge genutzt – direkt und unmittelbar zum Beispiel bei Direktversicherungen. Aber auch Rückdeckungsversicherungen, die beispielsweise bei einer rückgedeckten Unterstützungskasse oder zur Finanzierung einer Direktzusage (Pensionszusage) genutzt werden, sind betroffen. Bei Pensionskassen kommt es darauf an, ob es sich um sogenannte regulierte oder deregulierte Pensionskassen handelt. Deregulierte Pensionskassen werden unter anderem in Bezug auf den Höchstrechnungszins den Lebensversicherern gleichgestellt. Demnach müssen auch sie den Rechnungszins zum 1.1.2022 senken – wenn die Verordnung des BMF kommt. Regulierte Pensionskassen, häufig unternehmenseigene oder Branchenpensionskassen, sind daran nicht gebunden. Die Kalkulationsgrundlagen regulierter Pensionskassen ergeben sich aus dem individuellen Bestand der Versorgungsberechtigten und den Kapitalanlagen beziehungsweise -erträgen.

Folgen für die Zusagearten der bAV
Neben der Frage, wie hoch die Leistungen des Versicherungsvertrages am Ende ausfallen, wirft die Senkung des Rechnungszinses aber weitere Fragen der bAV auf: Die bAV unterscheidet bekanntlich zwischen verschiedenen Zusagearten, von der Leistungszusage über die beitragsorientierte Leistungszusage (boLZ) und der Beitragszusage mit Mindestleistung (BzML) hin zur reinen Beitragszusage. Leistungszusage und Beitragszusage können hier außen vor gelassen werden, bei der Leistungszusage sagt der Arbeitgeber zum Beispiel eine Rente von 100 Euro monatlich ab dem 67 Lebensjahr zu – dabei spielt es keine Rolle, ob und wenn ja in welcher Höhe er einen Betrag aufwendet, um diese Leistung zu finanzieren. Bei der Beitragszusage auf der anderen Seite sagt der Arbeitgeber einen festen Beitrag zu, zum Beispiel 100 Euro monatlich.

Bei boLZ und BzML sieht das aber anders aus. Bei der boLZ wird ein festgelegter Beitrag nach versicherungsmathematischen Grundsätzen in eine Leistung umgewandelt, bei der BzML ist garantiert, dass die Summe der eingezahlten Beiträge zum Vertragsablauf zur Verfügung steht, aus der sich dann die Versicherungsleistung ableitet. Lediglich Beiträge, die für biometrische Risiken, also zum Beispiel Berufsunfähigkeit, verwendet werden, sind von der Garantie ausgenommen.

Beitragszusage mit Mindestleitung – BzML
Vor allem für die BzML ist also eine Mindestleistung zu beachten. Und die DAV hat bereits 2020 darauf hingewiesen, dass bei dem seinerzeit noch diskutierten Rechnungszins von 0,5 Prozent nicht mehr gewährleistet ist, dass bei Vertragsablauf die Summe der eingezahlten Beiträge garantiert werden kann. Insbesondere Abschlusskosten, die in den ersten Jahren das Deckungskapital eines Vertrages belasten, werden durch den Garantezins dann nicht mehr bis Vertragsende kompensiert. Selbst Laufzeiten von 25 Jahren und mehr reichen auf diesem Zinsniveau nicht aus – und bei 0,25 Prozent Höchstrechnungszins natürlich noch viel weniger.

Beitragsorientierte Leistungszusage – BoLZ
Bei der BoLZ gehen die Meinungen der Fachwelt auseinander – die einen sagen, dass es hier keine Mindestleistung gibt. Aus der versicherungsmathematischen Umrechnung des Beitrages gibt es eine Leistung, die in Summe auch geringer sein kann als die eingezahlten Beiträge. Die andere Seite argumentiert mit der Wertgleichheit, die insbesondere bei der Entgeltumwandlung zu beachten ist: Die Versorgungsleistung muss wertgleich zu den eingezahlten Beiträgen sein. Ob das einer Bruttobeitragsgarantie (Summe der eingezahlten Beiträge) entspricht oder einer Nettobeitragsgarantie (Summe der eingezahlten Beiträge abzüglich Abschluss- und Verwaltungskosten) oder ob gar nur 80 Prozent der eingezahlten Beiträge ausreichen – das ist unklar und höchstrichterlich bislang nicht entschieden.

Änderung des Betriebsrentengesetzes wünschenswert
Hilfreich wäre, wenn der Gesetzgeber diese Entscheidung nicht den Gerichten überlässt, sondern mit der Verordnung für die Absenkung des Höchstrechnungszinses auch das Betriebsrentengesetz (BetrAVG ) ändert und dort definiert, in welchem Umfang die Summe der eingezahlten Beiträge garantiert werden müssen. Nach unserer Einschätzung wäre eine Festlegung auf 80 Prozent gerechtfertigt. Dies wäre von den Versicherern auch tatsächlich umsetzbar.

Folgen für Arbeitgeber
Reagiert der Gesetzgeber nicht, trägt das Risiko weder der Versicherer noch der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber. Er erteilt die Versorgungszusage, aus der sich die Versorgungsleistung ergibt. Und falls beispielsweise das Bundesarbeitsgericht einmal zu der Einschätzung kommt, dass zum Beispiel der abgeschlossene Direktversicherungsvertrag nicht die Anforderungen des BetrAVG erfüllt, dann steht der Arbeitgeber in der sogenannten Subsidiärhaftung und muss die Leistung der Direktversicherung aufstocken.

i Was ist zu tun?

Auf keinen Fall ist Panik angebracht:

  • Zunächst ist die Verordnung des BMF zur Änderung des Höchstrechnungszinses abzuwarten.
  • Und wir warten auf die Änderung des BetrAVG, die in diesem Zusammenhang angebracht ist.
  • Ohne Änderungen des BetrAVG raten wir Arbeitgebern, künftige Versorgungszusagen abdem 1.1.2022, insbesondere im Bereich der Entgeltumwandlung, als BoLZ auszugestalten.
  • Denn dafür liegen sehr gute Argumente vor, dass es keine garantierte Mindestleistung gibt.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Wir beobachten die Lage und halten Sie im Weitblick auf dem Laufenden.

Michael Hoppstädter, Geschäftsführer Longial GmbH
(Seit 1993 ist er im Bereich der betrieblichen Altersversorgung aktiv. Als Dozent | Referent ist er u.a. für die Campus Institut AG im Studium Betriebswirt bAV (FH), die Deutsche Makler Akademie und weitere mehr tätig)