24. Mai 2018

Achtung bei einer Überversorgung nach Gehaltsreduzierung! (BFH-Urteil vom 23.8.2017 – VI R 4/16)

Steht die Höhe der Leistungen einer Versorgungszusage nach Herabsetzung des laufenden Gehalts nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Aktivbezüge, besteht Handlungsbedarf. Die Pensionszusage ist zu reduzieren. Doch dabei ist Vorsicht geboten – so ein aktuelles BFH-Urteil.


Wer in einem zu hohen Umfang senkt, riskiert, dass es zu einer verdeckten Einlage kommt und damit Einkünfte zu versteuern sind, die gar nicht geflossen sind.

Eine Zusage auf mehr als 75 Prozent der Bezüge stellt eine Überversorgung dar
Wie im Rahmen des Weitblicks berichtet, hat der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung seine Auffassung bestätigt, wonach die Pensionsrückstellung für eine unmittelbare Festbetragszusage nur dann steuerlich anzuerkennen ist, soweit keine sogenannte Überversorgung vorliegt. Von einer Überversorgung wird ausgegangen, wenn die in Aussicht gestellten Leistungen zuzüglich etwaiger Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung 75 Prozent der Aktivbezüge am jeweiligen Bilanzstichtag übertreffen (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3.11.2004, IV B 2 - S 2176 - 13/04). Im Falle einer Überversorgung droht im Hinblick auf denjenigen Teil der Versorgung, welcher den angemessenen Rahmen übertrifft, eine verdeckte Gewinnausschüttung. Und zwar in dem Umfang der Pensionsrückstellungen, die für diesen Teil in der Steuerbilanz gebildet wurden.

Will man eine Überversorgung nach Gehaltsreduktion vermeiden ...
Erneut hat der BFH nunmehr über einen Fall zu entscheiden, bei dem eine Überversorgung erst nachträglich durch die Minderung von aktiven Bezügen eingetreten war (Urteil vom 23.8.2017 – VI R 4/16). Der betreffende Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) hatte seine monatlichen Bezüge von 17.384 Euro auf 5.800 Euro herabgesetzt. Die GmbH war der Meinung, dass dafür – zur Wahrung der eingangs genannten Überversorgungsgrundsätze – die dem GGF erteilte unmittelbare Festrentenzusage auf monatliche Altersleistungen von zuvor 10.226 Euro auf 4.350 Euro (= 75 Prozent von 5.800 Euro) reduziert werden müsse. Die Pensionszusage wurde demzufolge angepasst. Infolge der Minderung der in Aussicht gestellten Leistungen nahm die GmbH eine entsprechende Auflösung der zuvor in der Steuerbilanz gebildeten Pensionsrückstellungen vor.

... darf jedoch nicht in bereits erdiente Anwartschaften eingegriffen werden ...
Die Finanzverwaltung beurteilte diesen Vorgang – anteilig – als verdeckte Einlage. Es begründete dies damit, dass die Reduktion der Zusage teils in eine werthaltige Anwartschaft auf solche Pensionsleistungen eingegriffen habe, welche der GGF bereits erdient hatte. Als erdient gilt diesbezüglich derjenige Anteil der Anwartschaft, welcher bei einem Dienstaustritt im Zeitpunkt der Zusageänderung aufrechtzuerhalten wäre. Im Streitfall war dies die im Verhältnis von tatsächlicher zu bis zum Endalter mögliche Dienstzeit gekürzte Leistung. Der in diesem Sinne erdiente Teil der Pensionszusage übertraf im Streitfall offenbar den Betrag von 4.350 Euro erheblich, da der GGF bereits seit 1989 für die GmbH tätig war. Eine derartige Kürzung hätte ein Fremdgeschäftsführer nach Auffassung der Finanzverwaltung regelmäßig nicht gegen sich gelten lassen. Der BFH schloss sich mit seinem Urteil der Auffassung der Finanzverwaltung an. Er bestätigte insoweit sein Urteil vom 20.12.2016 (I R 4/15), bei dem er bereits allgemeine Grundsätze für eine Überversorgungsprüfung aufgestellt hatte. Schon damals hatte der BFH unter anderem ausgeführt, dass bei Eintritt einer Überversorgung infolge einer Gehaltsminderung im Allgemeinen gewährleistet werden muss, dass die für die steuerliche Rückstellungsbildung maßgebliche Bewertungsbegrenzung nicht in einen Anwartschaftsteil hineinwirkt, der in der Vergangenheit nicht „überversorgend“ (also bereits erdient) war.

... es sei denn, es liegt ein besonderer Ausnahmetatbestand vor
Von dieser Grundregel kann nach Einschätzung des BFH nur in besonderen Ausnahmen abgewichen werden. Eine solche Ausnahme läge nach Auffassung des Gerichts vor, wenn die Versorgungszusage für Fälle der Gehaltsreduktion ausdrücklich eine Widerrufsmöglichkeit vorsieht oder die GmbH "aus anderen Gründen einen Anspruch auf Anpassung der Versorgungszusage auch für die Vergangenheit hat". Diese Einschränkungen des BFH dürften allerdings letztlich für die Praxis keine relevante Bedeutung haben.

 Fazit:

Wer nach einer Gehaltsreduktion bei einem GGF dessen Versorgungszusage vor dem Hintergrund der Überversorgungs-Grundsätze reduziert, sollte zur Vermeidung einer verdeckten Einlage darauf achten, nicht in solche Anwartschaften einzugreifen, welche bereits in der Vergangenheit erdient wurden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die betreffende Versorgungszusage solche Eingriffe nicht ausdrücklich zulässt. Kommt es zu einer verdeckten Einlage, führt dies zu einer Erhöhung des zu versteuernden Einkommens des GGF, ohne dass dem GGF tatsächlich Einkünfte zugeflossen sind.

Hinweis: 
Am Rande befasst sich der BFH (VI. Senat) in seinem aktuellen Urteil auch mit der Frage, inwieweit im Bereich einer unmittelbaren Versorgungszusage Einmalzahlungen dem Regelungsbereich des § 34 EStG (sogenannte „Fünftelungsregelung“) unterliegen. Hier hatte zuvor das Urteil des BFH (X. Senat) vom 20.9.2016 (X R 23/15) für Verwirrung gesorgt(. Mit seinem aktuellen Urteil gibt der BFH in seiner Urteilsbegründung zu erkennen, dass die Anwendbarkeit des § 34 EStG bei einer Direktzusage (doch) weiterhin zulässig sein dürfte. Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidungen der verschiedenen Senate des BFH künftig in diesem Punkt konsistent(er) werden.

Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Recht | Steuern, Longial