17. August 2016

Änderung von Betriebsrenten – eine unendliche Geschichte

(BAG-Urteile vom 23.06.2016 – 3 AZR 960/13 und 3 AZR 44/14) Die Änderung von kollektiven Versorgungszusagen beschäftigt schon seit langem die arbeitsrechtliche Rechtsprechung.

Über lange Zeit schien insbesondere die verschlechternde Änderung von sogenannten Gesamtzusagen nur schwer möglich, wenn diese keine sogenannte Öffnungsklausel enthielten. Hier hatte das BAG am 10.03.2015 entschieden, dass eine derartige Öffnungsklausel nicht erforderlich sei. Denn einer Gesamtzusage läge der wesentliche Gedanke zugrunde, dass die Versorgung der Arbeitnehmer nach einem einheitlichen System erbracht werden solle. Wegen der Langfristigkeit der bAV dürfe aber eine solche Regelung nicht erstarren. Für die Versorgungsberechtigten sei es von vornherein klar, dass diese Änderungen auch geändert werden könnten, solange die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind.

Am 23.02.2016 hat das BAG zwei weitere richtungsweisende Urteile zur Änderung von kollektiven Versorgungszusagen gefällt.

Die Umdeutung macht es möglich – aus Betriebsvereinbarung wird Gesamtzusage   
Mit Urteil vom 23.02.2016 (3 AZR 960/13) hat das BAG entschieden, dass die sogenannte „Umdeutung“ einer unwirksamen Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage möglich ist, wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen entsprechenden hypothetischen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers bestehen. Das BAG führt ferner aus, dass sich Betriebsvereinbarungen und Gesamtzusagen über eine bAV im Hinblick auf die Änderbarkeit entsprechen und Gesamtzusagen nicht schwerer änderbar seien.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Fraglich war, ob eine Versorgungsregelung wirksam abgelöst wurde. Die ursprüngliche Regelung wurde mittels einer „Gemeinsamen Erklärung zur Änderung der betrieblichen Versorgung“ umgestaltet. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass das daran beteiligte Betriebsratsgremium nicht zur Vertretung befugt war und die „Gemeinsame Erklärung“ darum nicht den Charakter einer Betriebsvereinbarung hatte. Der Kläger hat deshalb vorgebracht, eine erneute Änderung der Versorgungsordnung durch Betriebsvereinbarung sei unzulässig gewesen.

Das BAG deutete die unwirksame Betriebsvereinbarung in eine Gesamtzusage um. Diese wiederum kann durch eine Betriebsvereinbarung – wie im Urteil des BAG vom 10.03.2015 dargelegt – geändert werden. Nach der Auffassung des BAG rechtfertigen die besonderen Umstände die Annahme, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die in dieser vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Allerdings hat das BAG erneut bekräftigt, dass die Ablösung einer Gesamtzusage durch Betriebsvereinbarung den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes genügen müsse.

Was dem einen recht, ist dem anderen billig… 
Ebenfalls mit Urteil vom 23.02.2016 (3 AZR 44/14) hat das BAG sich mit der Änderung von bAV, die auf sogenannter betrieblicher Übung entstanden ist, beschäftigt.
In den Fällen der betrieblichen Übung sei dem Arbeitnehmer im Regelfall nur eine Versorgung nach den jeweils beim Arbeitgeber geltenden Versorgungsregeln zugesagt. Der Arbeitgeber, der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf Grundlage einer betrieblichen Übung verspricht, will diese – wie bei der Gesamtzusage – nach einem einheitlichen System erbringen. Auch hier gilt: Die Versorgungsregelungen sind von vornherein auf einen längeren und unbestimmten Zeitraum angelegt. Daher ist für die Begünstigten von Beginn an erkennbar, dass zukünftig Änderungsbedarf bestehen kann. Soll sich die Versorgung dagegen ausschließlich nach den, bei erstmaliger Begründung der betrieblichen Übung geltenden Versorgungsbedingungen richten, müssen hierfür deutliche Anhaltspunkte gegeben sein. Die oben bereits darstellten Grundsätze der Ablösung einer Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung lassen sich nach Auffassung des Gerichts auch auf eine betriebliche Übung übertragen.

Fazit:

Die vorgenannten Entscheidungen vom 23.02.2016 reihen sich in die jüngste Rechtsprechung des BAG ein. Sowohl für eine unwirksame Betriebsvereinbarung als auch für die betriebliche Übung besteht die Möglichkeit der Abänderung durch eine Betriebsvereinbarung.

Diese BAG-Rechtsprechung ist erfreulich und führt zu einer Erleichterung. Denn nunmehr steht fest, dass grundsätzlich alle Zusagen, die nicht individualrechtlicher Natur sind, durch eine Betriebsvereinbarung unter Beachtung der zu wahrenden Besitzstände abgelöst werden können.
 
Bernd Wilhelm, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Recht | Steuern, Longial