17. Februar 2016

Aktuelle Entwicklungen im Versorgungsausgleich

Im Versorgungsausgleich werden grundsätzlich Renten geteilt. Unabhängig davon, ob eine Rente oder ein Kapital zugesagt ist, werden Anrechte geteilt, die unter das Betriebsrentengesetz fallen.


BGH, Beschluss vom 01.04.2015 – XII ZB 701/13: Gesellschafter - Geschäftsführer – Unbilligkeit bei Ausübung des Kapitalwahlrechts
Im Versorgungsausgleich werden grundsätzlich Renten geteilt. Unabhängig davon, ob eine Rente oder ein Kapital zugesagt ist, werden Anrechte geteilt, die unter das Betriebsrentengesetz fallen. Im vorliegenden Fall wurde einem Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) einer GmbH eine Rentenzusage mit einem Kapitalwahlrecht erteilt. Dieser GGF übte zusammen mit einem anderen GGF die Beteiligungsmehrheit aus und galt somit als beherrschend. Für seine bAV bedeutet dies, dass seine Anrechte nicht unter das Betriebsrentengesetz fallen. Daneben hatten der GGF und seine Ehefrau auch noch Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung (gRV) erworben. Der Ausgleichswert des Anrechts der Ehefrau in der gRV lag hierbei über dem Ausgleichswert des GGF in der gRV

Rechtzeitig vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung übte der GGF sein Kapitalwahlrecht aus und erhält zukünftig statt einer Rente einen Kapitalbetrag ausgezahlt. Der Ausgleich dieses Anrechts im Versorgungsausgleichsverfahren ist daher ausgeschlossen, weil sein Anrecht nicht dem Geltungsbereich des Betriebsrentengesetzes unterliegt und auf ein Kapital gerichtet ist
Das verbliebene Kapitalrecht kann grundsätzlich zwar noch im Zugewinnausgleich berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall war der Zugewinnausgleich jedoch vertraglich ausgeschlossen worden. Im Ergebnis hat der GGF – rechtlich zulässig –  sein Anrecht komplett dem Ausgleich entzogen.
Unter diesen Umständen wäre es grob unbillig, wenn der GGF umgekehrt ungeschmälert am Anrecht der Ehefrau aus der gesetzlichen Rentenversicherung teilhaben dürfte. Der BGH sieht hier eine Beschränkung der schematischen Durchführung des Versorgungsausgleichs geboten (§ 27 VersAusglG). Dies führt dazu, dass das Anrecht der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung aus Billigkeitsgründen nur in geringerem Umfang als nach dem Halbteilungsgrundsatz gekürzt wurde.

BAG, Urteil vom 10.11.2015 – 3 AZR 813/14: Betriebsrentenberechnung des Familiengerichts ist für das Arbeitsgericht bindend
Streiten ein Betriebsrentner und dessen Versorgungsträger vor dem Arbeitsgericht über die Höhe seiner Betriebsrente, dann hat eine eventuell vorangegangene Entscheidung des Familiengerichts, welche im Zuge des Versorgungsausgleichs die Höhe des verbleibenden Anrechts festlegte, Bindungswirkung für das Arbeitsgericht. Denn allein das Familiengericht darf im Versorgungsausgleich die rechtlichen Vorgaben klären. Das Arbeitsgericht ist diesbezüglich gebunden. Einwände gegen die Kapitalwertberechnung wie zum Beispiel geschlechtsbezogene Diskriminierung im familiengerichtlichen Teilungsvorschlag oder falsche Verwendung von Bewertungsfaktoren zur Berechnung des Kapitalwerts müssen vor dem Familiengericht beziehungsweise in dessen Rechtsmittelverfahren vorgebracht werden.

Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages: Nachträglicher Ausgleich von übersehenen, vergessenen oder verschwiegenen Anrechten soll ermöglicht werden (Eingabe vom 25.11.2015)
Nach Ansicht des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages lädt die aktuelle Rechtslage zum Rechtsmissbrauch ein deswegen bestehe Änderungsbedarf bei den Regelungen zum Versorgungsausgleich. Der Ausschussunterstützt daher die Eingabe der Abgeordneten, nach der es im Versorgungsausgleich ermöglicht werden soll, übersehene, vergessene oder verschwiegene Anrechte auch nach Eintritt der Rechtskraft ausgleichen zu können. Entsprechendes Material wurde dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) überwiesen und den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis gegeben.

Fazit:

Wenn eine entsprechende gesetzliche Umsetzung erfolgt, dann wären Versorgungsträger angehalten, anhängige Versorgungsausgleichsprozesse noch genauer zu verfolgen und gegebenenfalls Rechtsmittel einzulegen, um eine nachträgliche Wiederaufnahme des Vorgangs zu vermeiden.

Vanessa Angel, Referentin Recht | Steuern, Longial