08. August 2018

Aktuelles vom politischen und rechtlichen Parkett

Die Diskussion um bAV-Themen geht auch nach dem Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) weiter. Dies betrifft insbesondere die sogenannte Doppelverbeitragung der bAV, die finanzielle Lage einiger Pensionskassen, die Höhe des steuerlichen Rechnungszinses nach § 6a Einkommensteuergesetz (EStG) und die Ergebnisse der Rentenkommission.


Doppelverbeitragung der bAV
Hierzu hat die Fraktion DIE LINKE am 12.12.2017 einen entsprechenden Antrag zur Abschaffung der Doppelverbeitragung gestellt. Am 25.4.2018 beschäftigte sich der Gesundheitsausschuss des Bundestages mit der Frage der Doppelverbeitragung in der bAV. Auch die Bundestagsfraktion der SPD hat das Thema für sich erkannt und Anfang Juli 2018 einen Vorschlag veröffentlicht, der nun mit dem Bundesgesundheitsminister diskutiert werden soll.

Der Begriff „Doppelverbeitragung“ betrifft zwei unterschiedliche Sachverhalte: Zum einen wird er im Zusammenhang mit dem zum 1.1.2004 in Kraft getretenen GKV-Modernisierungsgesetz verwendet. Dieses regelt, dass jeder gesetzlich Krankenversicherte, der nach dem 1.1.2004 eine Betriebsrente oberhalb der Versicherungsfreigrenze von 152,50 Euro erhält, monatlich auf seine Betriebsrente den vollen und nicht mehr wie bis dahin den halben Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlen muss. Zudem sind seit diesem Zeitpunkt Kapitalleistungen nicht mehr beitragsfrei. 1/120 der Kapitalleistung wird für 10 Jahre zusätzliches beitragspflichtiges Einkommen. Letzteres betrifft vor allem die Bezieher von Kapitalleistungen aus einer nach § 40b EStG geförderten Direktversicherung.

Daneben gibt es auch die Fälle einer „echten“ Doppelverbeitragung:

  • bei pauschalversteuerter Entgeltumwandlung nach § 40b EStG aus laufendem Einkommen,
  • bei der privaten Fortführung einer Pensionskassenzusage nach dem Ausscheiden mit eigenen Beiträgen,
  • bei echten Eigenbeiträgen zu Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Betriebsrentengesetz (BetrAVG),
  • bei Beiträgen zu einer Pensionskasse, einem Pensionsfonds oder einer Direktversicherung von mehr als 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (West).

In der Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss plädierten die meisten Experten für eine Abschaffung der echten Doppelverbeitragung, weil diese den Anreiz für eine bAV schwäche. Des Weiteren plädierten mehrere Sachverständige dafür, wieder für eine nur hälftige Verbeitragung wie vor 2004 zu sorgen.

Der Gesundheitsminister hat eine Prüfung der Vorschläge zugesagt. Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form es zu einer Umsetzung kommen wird.

Finanzielle Lage der Pensionskassen
Auch die finanzielle Lage der Pensionskassen befeuert immer wieder die aktuelle Diskussion um die bAV. Kurz vor Weihnachten 2017 hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag das parlamentarische Instrument der kleinen Anfrage genutzt, um die Bundesregierung umfassend zur Finanzaufsicht zu befragen. Ein Ergebnis war, dass seit 2007 Pensionskassen in 27 Fällen die Verrentungsfaktoren für künftige Beiträge angepasst hatten.

Im Mai 2018 gab die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Pressekonferenz, auf der der Exekutivdirektor für Versicherungs- und Pensionsaufsicht bekannt gab, dass 9 Pensionskassen den Stresstest nicht bestanden hätten. Dabei warnte er vor einer noch größeren Schieflage bei den Pensionskassen. Daraufhin starteten die Grünen am 18.5.2018 erneut eine kleine Anfrage. In dieser fragten sie nach zahlreichen Details: Mit welchen Pensionskassen die BaFin „intensivere Gespräche“ führen wolle, bei welchen Kassen die „Lage sehr ernst“ sei und bei welchen Kassen die Anstalt auf eine „höhere Kapitalausstattung“ gedrängt habe – alles samt detaillierter Größenordnungen.

Die Antworten auf diese kleine Anfrage liegen mittlerweile vor. Namentliche Angaben zu den einzelnen betroffenen Pensionskassen werden nicht gemacht, da es sich hier um vertrauliche Informationen handelt.

Rechnungszins nach § 6a EStG
Das Finanzgericht (FG) Köln hält den Rechnungszinsfuß von 6 Prozent zur Ermittlung von Pensionsrückstellungen in § 6a EStG für verfassungswidrig. Deshalb hat es am 12.10.2017 beschlossen, das Klageverfahren 10 K 977/17 auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Rechnungszinsfußes einzuholen. Der zuständige Senat ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber zwar befugt sei, den Rechnungszinsfuß zu typisieren. Er sei aber gehalten, in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, ob die Typisierung noch realitätsgerecht sei. Der Rechnungszinsfuß sei seit 1982 unverändert. In dem heutigen Zinsumfeld habe sich der gesetzlich vorgeschriebene Zinsfuß so weit von der Realität entfernt, dass er vom Gesetzgeber hätte überprüft werden müssen. Sämtliche Parameter, die man zum Vergleich heranziehen könne (Kapitalmarktzins, Anleihen der öffentlichen Hand, Unternehmensanleihen, Gesamtkapitalrendite) lägen seit vielen Jahren teils weit unter 6 Prozent. Die fehlende Überprüfung und Anpassung führt nach Auffassung des FG Köln zur Verfassungswidrigkeit. Da Deutschland wie auch andere Staaten sich in einem strukturellen (und nicht nur einem konjunkturellen) Niedrigzinsumfeld befinde, hätte der Gesetzgeber reagieren müssen.

Allerdings sieht die Bundesregierung derzeit keinen Handlungsbedarf. Der steuerliche Rechnungszins sei nicht unrealistisch hoch, so die Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP Ende Juli, ob die Bundesregierung eine Anpassung des Rechnungszinses plane und falls nein, mit welcher Begründung eine Anpassung verweigert werde. Die Bundesregierung hält den Rechnungszins in Höhe von 6 Prozent auch weiterhin für verfassungsgemäß und weist darauf hin, dass die Absenkung zu erheblichen Steuermindereinnahmen führen würde. Ferner erteilt die Bundesregierung auch der Abschaffung des Schriftformerfordernisses und des Nachholverbots derzeit eine Absage.

Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“
Am 3.5.2018 wurde die Rentenkommission vorgestellt. Immer weniger Beitragszahler, immer mehr Rentner – die Altersvorsorge in Deutschland steht unter Druck. Eine Rentenkommission soll nun Vorschläge für die Zukunft erarbeiten. Bis 2020 soll sie einen Bericht vorlegen, in dem Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie die Rente nach 2025 gesichert werden kann. Hintergrund ist, dass es künftig deutlich weniger Beitragszahler, aber mehr Rentner und längere Rentenbezugszeiten geben dürfte. Denn in den kommenden Jahren geht die Generation der Babyboomer schrittweise in Rente. Zugleich werden die Menschen immer älter.

Der Koalitionsvertrag beschreibt den Auftrag der Rentenkommission: „Für die Sicherung des Niveaus bei 48 Prozent werden wir in 2018 die Rentenformel ändern und parallel dazu eine Rentenkommission ‚Verlässlicher Generationenvertrag' einrichten, die sich mit den Herausforderungen der nachhaltigen Sicherung und Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung und der beiden weiteren Rentensäulen ab dem Jahr 2025 befassen wird. Sie soll eine Empfehlung für einen verlässlichen Generationenvertrag vorlegen. Dabei streben wir eine doppelte Haltelinie an, die Beiträge und Niveau langfristig absichert. Die Rentenkommission soll ihren Bericht bis März 2020 vorlegen …“

Ob dies auch eine weitere Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bedeutet, wie teilweise gefordert wird, bleibt abzuwarten.

Bernd Wilhelm-Werkle, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Geschäftsbereich Beratung, Longial