11. September 2024
Anhebung der Regelaltersgrenze und die Bedeutung für die Betriebsrente
Durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.4.2007 wurde mit Wirkung zum 1.1.2008 die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Diese Änderung wurde im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (bAV) durch eine Anpassung von § 2 Abs. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) berücksichtigt. Die Höhe einer unverfallbaren Anwartschaft bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist nun bei Anwendung der zeitratierlichen Methode grundsätzlich aus der bei Erreichen der Regelaltersgrenze – statt bei Vollendung des 65. Lebensjahres – zustehenden Leistung zu ermitteln. Im Zuge dessen stritten der klagende Arbeitnehmer sowie die beklagte Arbeitgeberin um die Höhe der betrieblichen Altersversorgung des Klägers. Nachdem die Vorinstanzen der Klage stattgegeben hatten, befasste sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dem Sachverhalt im Revisionsverfahren.
Der Fall
Der Kläger war bei der Beklagten von 1981 bis 1998 beschäftigt. Diese hatte ihm eine betriebliche Altersversorgung zugesagt, die insbesondere eine Anrechnung der hälftigen, aus Arbeitgeberbeiträgen finanzierten Sozialversicherungsrente auf die errechnete Betriebsrente vorsah. Im Zuge des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis wurde dem Kläger die Höhe seiner unverfallbaren Anwartschaft bescheinigt. Der diesbezüglichen Berechnung wurde die Vollendung des 65. Lebensjahres als Altersgrenze zugrunde gelegt, da der Kläger ausweislich der Regelungen innerhalb seiner Versorgungszusage mit Vollendung des 65. Lebensjahres beziehungsweise mit Inanspruchnahme der vorgezogenen oder flexiblen Altersrente ein Ruhegeld in Anspruch nehmen konnte. Seit Vollendung des 63. Lebensjahres im April des Jahres 2018 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte sowie eine vorgezogene Betriebsrente, welche von der Beklagten allerdings lediglich in geringerer Höhe gewährt wurde, als diese sie bei Ausscheiden des Klägers bescheinigt hatte. Die Neuberechnung seitens der Beklagten stellte hierbei hinsichtlich der erreichbaren Betriebszugehörigkeit auf die angehobene Regelaltersgrenze ab und rechnete ferner die anrechenbare, fiktive Sozialversicherungsrente auf Grundlage des angehobenen Regelrentenalters hoch. Entsprechend der Regelungen des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes legte die Beklagte ihrer Berechnung der möglichen Dienstzeit für den Kläger die maßgebliche Regelaltersgrenze von 65 Jahren und neun Monaten zugrunde. Zudem wurde bei der Berechnung der betrieblichen Altersrente auch die anrechenbare fiktive gesetzliche Rente auf Grundlage der angehobenen Regelaltersgrenze berechnet. Ein versicherungsmathematischer Abschlag wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der betrieblichen Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze wurde hingegen – wie bei anderen vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern – nicht vorgenommen.
Der Kläger beanspruchte die ursprünglich bescheinigte höhere betriebliche Altersrente mit der Begründung, dass aufgrund seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes für die Berechnung seiner Altersrente die zum Ausscheidenszeitpunkt geltende Regelaltersgrenze von 65 Jahren zu berücksichtigen sei, was auch für die Berechnung der anrechenbaren fiktiven gesetzlichen Rente gelte. Die Beklagte vertrat hingegen die Ansicht, die Regelung in der Versorgungszusage sei dahingehend auszulegen, dass für die Berechnung der Betriebsrente, die durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz angehobene Altersgrenze maßgeblich sei, zumindest aufgrund der vorzeitigen Inanspruchnahme jedoch ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgenommen werden müsse.
Das Urteil
Ausweislich der Entscheidung des BAG bleibt die Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach §§ 2, 2a BetrAVG wegen des Festschreibeeffekts nach § 2a Abs. 1 BetrAVG unberücksichtigt, wenn der Arbeitnehmer vor dessen Inkrafttreten aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Denn nach § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG hat ein Arbeitnehmer bei Eintritt des Versorgungsfalls wegen Erreichens der Altersgrenze zumindest einen Anspruch in Höhe des Teiles der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung, der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit an bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung beziehungsweise einer in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht, sofern dieser zuvor mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden ist.
Entsprechend der Regelung des § 2a Abs. 1 BetrAVG sind bei der Berechnung dieses Teilanspruchs eines mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers die Versorgungsregelung und die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt des Ausscheidens zugrunde zu legen. Unberücksichtigt bleiben Veränderungen, die nach dem Ausscheiden eintreten. Die Bestimmung der Höhe der unverfallbaren Anwartschaft setzt nach Auffassung des BAG im konkreten Fall folglich zunächst die Errechnung der erreichbaren fiktiven Vollrente voraus. Grundlage dafür seien die bei Ausscheiden geltende Versorgungsregelung und die Bemessungsgrundlagen, hochgerechnet auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls. Es sei dabei auch nach Maßgabe der Gesamtversorgungsregelung die fiktiv auf die feste Altersgrenze, hier die Vollendung des 65. Lebensjahres, hochgerechnete Rente aus der GRV anzurechnen. Maßgeblich für die fiktive Berechnung der anzurechnenden Sozialversicherungsrente sei das im Zeitpunkt des Ausscheidens geltende Sozialversicherungsrecht. Der Zeitpunkt der festen Altersgrenze, auf den die anzurechnende fiktive Sozialversicherungsrente hochzurechnen sei, stelle als Berechnungsgröße eine Bemessungsgrundlage im Sinne des § 2a Abs. 1 BetrAVG dar. Insofern entschied das BAG folgerichtig zugunsten des Klägers, der einen Anspruch auf die zunächst bescheinigte höhere betriebliche Altersrente hat.
Ein versicherungsmathematischer Abschlag wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der betrieblichen Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze sei ebenfalls nicht vorzunehmen, da dieser weder in der Versorgungsregelung festgeschrieben gewesen sei noch bei anderen vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern vorgenommen wurde.
Fazit
Arbeitgeber sollten zwar berücksichtigen, dass die in Versorgungszusagen getroffen Altersgrenzen regelmäßig im Wege der Auslegung den Altersgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung angeglichen werden. Da das BAG mit seiner aktuellen Entscheidung jedoch seine bisherige Rechtsprechung zu § 2a Abs. 1 BetrAVG hinsichtlich der bei der Berechnung der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft anzuwendenden Veränderungssperre und des Festschreibeeffekts bestätigt hat, dürfte sich in der Praxis nicht viel ändern. Hierdurch besteht dahingehende Rechtssicherheit, dass auch bei Gesamtversorgungssystemen die Anhebung der Regelaltersgrenze für die Berechnung einer unverfallbaren Anwartschaft eines vor dem 1.1.2008 ausgeschiedenen Arbeitnehmers unberücksichtigt bleibt.
Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial