24. Februar 2021

Anpassung einer Betriebsrente (BAG-Urteil vom 8.12.2020 – 3 AZR 64/19)

Die Erfolgsaussichten für eine nachträgliche Änderung der Anpassungsregelung einer Versorgungszusage sind relativ gering. Das BAG entschied, dass die Änderung von bilanzrechtlichen Bestimmungen, die zu erhöhten Rückstellungen führen, nicht die Anpassung von Versorgungsregelungen rechtfertigt.


Welchen Sachverhalt hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu beurteilen?
Die Klägerin bezieht eine Hinterbliebenenversorgung aus der bAV ihres verstorbenen Ehemanns. Dieser war bei dem beklagten, ehemaligen Arbeitgeber in leitender Position tätig. Die dem Ehemann 1976 erteilte Versorgungszusage enthält eine Anpassungsregelung, nach welcher sich die Höhe der Versorgung in gleichem Maße ändert, wie die Entwicklung der höchsten Tarifgruppe für kaufmännische Angestellte der pfälzischen Eisen- und Metallindustrie. Dementsprechend passte der Arbeitgeber regelmäßig die Versorgungszusage an die Gehaltsentwicklung an. 2016 teilte der Arbeitgeber schließlich mit, diese tariflichen Anpassungen nicht mehr länger vorzunehmen, sondern nur Erhöhungen nach § 16 Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Nach dieser Vorschrift muss der Arbeitgeber grundsätzlich alle 3 Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der bAV prüfen. Dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wies der Arbeitgeber auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hin. Als Grund nannte er, dass sich die Rückstellungen für Betriebsrenten in der Handelsbilanz – auch für die der Witwe – nach Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) 2010 aufgrund gestiegener Barwerte für ihn erheblich erhöht hätten. Ab Juli 2016 gab der Arbeitgeber schließlich Tariferhöhungen nicht mehr weiter. Die Klägerin verlangte vom Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes die Zahlung einer entsprechend der Tarifgehaltserhöhungen angepassten Betriebsrente.

Wie hat das BAG den Sachverhalt beurteilt?
Die Klage der Witwe hatte vor dem BAG Erfolg. Es sah den Arbeitgeber uneingeschränkt an die Anpassungsregelung gebunden. Das Gericht machte deutlich, dass aus seiner Sicht keine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann so eine Störung vorliegen, wenn sich die zugrundeliegende Rechtslage nach Erteilung der Zusage beziehungsweise Schaffung des Versorgungswerks wesentlich und unerwartet ändert und dies bei dem Arbeitgeber als Versorgungsschuldner zu erheblichen Mehrbelastungen führt. Zwar sei es grundsätzlich möglich, die Anpassung von Versorgungsregelungen auf die Störung der Geschäftsgrundlage zu stützen. Die Argumentation des Arbeitgebers konnte das Gericht jedoch nicht überzeugen. Denn nach Ansicht des Gerichts sind Geschäftsgrundlage die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien bei Vertragsschluss über gewisse vorhandene oder künftige Umstände, die aber nicht Vertragsinhalt werden. Auch die Vorstellung von nur einer Partei könne ausreichen, sofern sie für die andere Partei erkennbar war und nicht von ihr beanstandet wurde.

Keine Störung der Geschäftsgrundlage
Auf solche Vorstellungen habe sich der Arbeitgeber aber gar nicht berufen. Denn das Unternehmen habe sich in seiner Argumentation auf Umstände der vermeintlichen Verteuerung der Witwenrente gestützt, die unverändert Inhalt der Versorgungszusage sind. Außerdem berechtige ein schlechterer wirtschaftlicher Verlauf des Geschäftsjahrs nicht zum Widerruf von laufenden Betriebsrenten und somit auch nicht zur Änderung einer Anpassungsregelung. Der Anstieg der bilanziellen Rückstellungen aufgrund der angeblich wegen der Änderung des Bilanzrechts gestiegenen Barwerte erfüllt aus Sicht des BAG nicht die Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage. Rückstellungen seien nach der handelsrechtlichen Konzeption vor allem ein Instrument der Innenfinanzierung. Dies habe zwar Auswirkungen auf den bilanziellen Gewinn beziehungsweise Verlust eines Unternehmens. Allerdings berechtigt ein schlechterer wirtschaftlicher Verlauf des Geschäftsjahrs laut BAG den Arbeitgeber nicht zum Widerruf von laufenden Betriebsrenten und somit auch nicht zur Änderung einer Anpassungsregelung. Denn nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage kann nach den gesetzlichen Wertungen des BetrAVG einen Widerruf von Versorgungszusagen begründen. In so einem Fall eine Störung der Geschäftsgrundlage anzunehmen, widerspräche der gesetzlichen Risikoverteilung.

Fazit

Eine Kürzung der Betriebsrente aufgrund einer vermeintlichen Störung der Geschäftsgrundlage wegen erheblicher Erhöhung der Rückstellungen für Betriebsrenten in der Handelsbilanz – auch für die der Witwe – nach Inkrafttreten des BilMoG ist nicht möglich.

i Was ist zu tun?

  • Arbeitgeber setzen sich mit Versorgungszusagen ganz erheblichen Risiken aus, sofern diesebeinhalten, dass die Entwicklung der Betriebsrenten an die Entwicklung der Gehälter aktiverArbeitnehmer angebunden wird. Denn ein Arbeitgeber erweckt den Eindruck, dass er für ein bestimmtes Versorgungsniveau einstehen will, sofern er eine bAV zusagt, die von derart ungewissen Faktoren abhängt. Nach Ansicht des BAG kommt die Übernahme eines solchen gesteigerten Risikos einem Garantieversprechen sehr nahe, sodass sich der Arbeitgeber nur unter besonders strengen Voraussetzungen davon lösen kann. Darüber sollte sich der Arbeitgeber bereits vor Erteilung der Versorgungszusage bewusst sein, da hierdurch langfristig Verpflichtungen entstehen. Entsprechende Regelungen finden sich in modernen Versorgungsordnungen allerdings kaum noch. Heute wird nach§ 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG in der Regel eine 1-prozentige Rentenanpassung zugesagt. Dies macht den Verpflichtungsumfang deutlich kalkulierbarer.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de 


Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial
(Experte für Stellungnahmen mit rechtlichem und steuerlichem Hintergrund insbesondere bei der Einrichtung und Änderung von Versorgungswerken sowie Fragestellungen zu Unterstützungskassen)