17. Dezember 2024

Arbeitgeberzuschuss durch Tarifvertrag abdingbar

LAG-Düsseldorf-Urteil vom 12.7.2024 – 6 Sa 524/23


Der Fall:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, einen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a Betriebsrentengesetz (BetrAVG) zu zahlen. Beide Parteien sind in der Versicherungswirtschaft tarifgebunden. Es kommt daher der „Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung“ (TV Entgeltumwandlung) zur Anwendung. Der Tarifvertrag sieht keinen expliziten Arbeitgeberzuschuss vor. Der Arbeitnehmer begehrte zu einer von ihm durch Betriebsübergang zum jetzigen Arbeitgeber mitgebrachten Direktversicherung ab dem 1.1.2022 den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss. Denn der vor Inkrafttreten des § 1a Abs. 1a BetrAVG abgeschlossene und letztmalig am 30.8.2017 mit Wirkung zum 1.1.2018 lediglich aus formellen Gründen geänderte TV Entgeltumwandlung treffe überhaupt keine Aussage zur gesetzlichen Regelung. Daher gelte die gesetzliche Regelung, wonach ein Zuschuss zu zahlen sei. Der Arbeitgeber verwies auf sein eigenes Versorgungswerk, welches eine wesentlich großzügigere Arbeitgeberzuschussregelung enthielt, und berief sich darauf, dass in dem seit dem 1.1.2018 gültigen Tarifvertrag ein Arbeitgeberzuschuss nicht vorgesehen sei. Der Tarifvertrag habe durch verschiedene Formulierungen den gesetzlich geregelten Arbeitgeberzuschuss wirksam abbedungen.

Die Entscheidung:
Gesetzlicher Arbeitgeberzuschuss wirksam durch den Tarifvertrag abbedungen
Das LAG Düsseldorf hat entschieden, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG hat. Diese Norm findet keine Anwendung, da sie durch den TV Entgeltumwandlung in der Fassung vom 30.8.2017 wirksam abbedungen worden ist. 

Insoweit kommt es auf den Streit, der mittlerweile auch dem Grunde nach vom BAG entschieden ist (vergleiche BAG-Urteil vom 20.8.2024 – 3 AZR 285/23), nämlich ob auch Tarifverträge, die vor Inkrafttreten des § 1a Abs. 1a BetrAVG geschlossen worden sind, von diesen wirksam gemäß § 19 BetrAVG abweichen können, nicht an. Der TV Entgeltumwandlung in der aktuellen Fassung ist erst zum 1.1.2018 und damit zeitgleich mit § 1a Abs. 1a BetrAVG in Kraft getreten. Diese Neufassung wurde am 30.8.2017 und damit in Kenntnis der bereits beschlossenen gesetzlichen Neuregelung vereinbart.

Auslegung des Tarifvertrages
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (BAG-Urteil vom 20.6.2018 – 4 AZR 339/17). Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG-Urteil vom 20.6.2018 – 4 AZR 339/17).
Danach ist der TV Entgeltumwandlung so auszulegen, dass § 1a BetrAVG ausschließlich der explizit genannten Ausnahmen komplett abbedungen wurde.
Der Wortlaut des Tarifvertrages ist zwar nicht eindeutig, aber aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich nach Ansicht des Gerichts eine eigenständige Regelung des Tarifvertrages, der in zahlreichen Punkten von der gesetzlichen Regelung abweicht. Gerade die Detailliertheit der getroffenen Bestimmungen spricht dagegen, dass daneben noch die gesetzliche Regelung Anwendung finden soll. Zudem werden im TV Entgeltumwandlung ausdrücklich gesetzliche Regelungen genannt, die unberührt bleiben sollen. Einer solchen Regelung hätte es nach Auffassung der Kammer nicht bedurft, wenn das Betriebsrentengesetz insgesamt neben den tariflichen Bestimmungen ergänzend zur Anwendung hätte kommen sollen. § 1a BetrAVG ist hier nicht genannt.

Fazit:

Auch in dieser Entscheidung wird bestätigt, dass ein Tarifvertrag die gesetzliche Regelung zum Arbeitgeberzuschuss abbedingen kann. Da gegen das Urteil des LAG Revision eingelegt wurde, bleibt abzuwarten, wie das BAG diesen Fall beurteilt. 

Anja Sprick, Justiziarin Recht | Steuern, Longial