27. Mai 2020

Auslegung einer Bezugsberechtigung in der bAV: Wer ist der überlebende Ehegatte? (BGH-Beschluss vom 8.5.2019 – IV ZR 190/18)

Immer wieder beschäftigt die Frage nach der Bezugsberechtigung einer bAV die höchsten Gerichte. Im vorliegenden Fall musste der Bundesgerichtshof (BGH) klären, wer der überlebende Ehegatte ist, wenn die Versicherte bei Abschluss geschieden und bis zu ihrem Tod zweimal verheiratet war.


Der Fall
Der Kläger beantragte am 5.5.1995 beim Versicherer den Abschluss einer Direktversicherung zur bAV seiner bei ihm angestellten Lebenspartnerin als Versicherte. Im Erlebensfall sollte die Versicherte und im Falle ihres Todes ihre Tochter aus erster Ehe bezugsberechtigt sein. Am 23.10.1995 gaben der Kläger und die Versicherte gegenüber dem Versicherer schließlich eine dahingehend vorformulierte Erklärung zum Bezugsrecht ab, dass die Versicherte sowohl für den Erlebensfall als auch für den Todesfall unwiderruflich bezugsberechtigt und die Versicherungsleistung im Todesfall in erster Linie „an den überlebenden Ehegatten“ zu zahlen sein soll. Der Kläger und die Versicherte heirateten am 2.11.1995. Im Jahre 2001 endete das Arbeitsverhältnis der Versicherten. 2009 wurde die Ehe geschieden. In der notariellen Scheidungsvereinbarung der geschiedenen Eheleute vom 14.7.2010 wurde unter anderem geregelt, dass der Kläger sämtliche Versicherungsprämien bis zur Fälligkeit der Betriebsrente weiterträgt und die Versicherte die ihr als Versicherungsnehmerin bei Fälligkeit zustehenden Rechte an den Kläger überträgt. Im Mai 2016 heiratetet die Versicherte erneut, am 5.12.2016 verstarb sie. Im April 2017 zahlte der Versicherer die Versicherungsleistung in Höhe von 47.036,78 Euro an den zweiten Ehemann – den Beklagten – aus, da er als bezugsberechtigt angesehen wurde. Hiermit war der Kläger nicht einverstanden, da er meinte, er sei bezugsberechtigt gewesen. Infolgedessen nahm er den Beklagten unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung auf Auskehrung der Versicherungsleistung in Anspruch.

Zeitpunkt und Inhalt der Erklärung gegenüber Versicherer sind entscheidend
Nachdem das Landgericht Köln (Urteil vom 14.12.2017 – 19 O 124/17) der Klage erstinstanzlich überwiegend stattgegeben hatte, wies das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 2.7.2018 – 21 U 66/17) diese in der Berufungsinstanz vollumfänglich ab. Der BGH hat der Revision keine Aussicht auf Erfolg beigemessen. Er wies darauf hin, dass es für die Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung und auf den dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachten Willen des Versicherungsnehmers ankomme. Selbst wenn der Kläger und die Versicherte subjektiv angesichts ihrer geplanten und neun Tage später vollzogenen Eheschließung die Vorstellung gehabt haben sollten, hiermit den Kläger zu begünstigen, sei dies dem Versicherer jedoch nicht erkennbar gemacht worden. Vielmehr seien im Versicherungsantrag jeweils zutreffend der Familienstand des Klägers mit „ledig“ und der der Versicherten mit „geschieden“ angegeben. Der Kläger habe auch gar nicht behauptet, dass der Versicherer von der bevorstehenden Heirat gewusst habe. Außerdem hätten sich beide gegenüber dem Versicherer niemals als Ehepaar, sondern als Arbeitgeber und Arbeitnehmerin im Rahmen einer Direktversicherung zur bAV erklärt.

Soziale Zwecke stehen im Vordergrund
Bei einer solchen Versicherung liege es aus Sicht des Versicherers nahe, dass der Arbeitgeber mit der Versicherung zugunsten des Arbeitnehmers soziale Zwecke verfolge und regelmäßig das Versorgungsinteresse der Hinterbliebenen des Arbeitnehmers schützen wolle. Gerade wegen dieses Zwecks der Versicherung sei davon auszugehen, dass mit dem „überlebenden Ehegatten“ der Ehegatte im Zeitpunkt des Todes der Versicherten gemeint sein sollte, wenn es im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung keinen Ehegatten gibt. Ferner sei es nicht erkennbar, warum der im Todeszeitpunkt vorhandene Ehegatte nicht als Hinterbliebener des Arbeitnehmers anzusehen sein soll, dessen Versorgung durch die Direktversicherung zur bAV auch gesichert werden sollte. In diesem Zusammenhang hat der BGH auf das Sozialrecht verwiesen. Auch dort hätten Witwer nach dem Tod der versicherten Ehefrau grundsätzlich Anspruch entweder auf die kleine oder große Witwerrente (§ 46 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch VI). Dass dieser Anspruch in der Regel ausgeschlossen sei, wenn die Ehe noch kein Jahr bestanden hat, ändere an dem grundsätzlichen Zweck einer Hinterbliebenenversorgung durch die Versicherung – wie er bei ihrem Abschluss beabsichtigt gewesen sei – nichts.

Fazit

Auch wenn es grundsätzlich bei der Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung sicherlich auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, war in dieser Sache die Bezugsberechtigung in der bAV ausweislich des Beschlusses des BGH dahingehend auszulegen, dass der überlebende Ehegatte, an den die abgeschlossene Lebensversicherung ausbezahlt werden sollte, die Person war, die im Todeszeitpunkt mit der versicherten Person verheiratet war.

Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial