04. Dezember 2019

bAV bei Entsendung ins europäische Ausland

Für in Deutschland ansässige Unternehmen, die Mitarbeiter zeitweise ins Ausland entsenden, stellt sich die Frage, ob die bAV auch während des Auslandseinsatzes fortgeführt werden kann und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sie steuer- und sozialversicherungsrechtlich wirksam ist.


Welche Voraussetzungen sind notwendig?
Voraussetzung für die Fortführung der bAV während eines Auslandseinsatzes ist, dass der Arbeitnehmer währenddessen im deutschen Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber steht und dieser die Beiträge für den Arbeitnehmer weiterhin abführt. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitsvertrag zum deutschen Arbeitgeber nicht beendet wird und arbeitsvertragliche Pflichten im Ausland fortbestehen. Selbst bei einem ruhenden Arbeitsvertrag kann die bAV weitergeführt werden, wenn im sogenannten Ruhensvertrag ausdrücklich geregelt ist, dass für Zwecke der bAV das Arbeitsverhältnis als fortgeführt gilt. In der Regel wird hinsichtlich der bAV die Weiterführung der bestehenden Zusage vorgesehen. Im Ergebnis wird der Mitarbeiter für die Dauer des Auslandseinsatzes so behandelt, als würde das Arbeitsverhältnis bezüglich der Versorgungszusage uneingeschränkt fortgeführt.

Steuerliche Auswirkungen bei Direktversicherungen
Bei Direktversicherungen stellt die an das Lebensversicherungsunternehmen gezahlte Prämie grundsätzlich einen lohnsteuerlichen Zufluss gemäß § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) dar. Erfolgt eine Dienstreise oder eine kurzfristige Abordnung zu einer Betriebsstätte oder einer Tochter- beziehungsweise Schwestergesellschaft, ist grundsätzlich die betriebliche Veranlassung zu bejahen. Folglich stellen die Aufwendungen, die für eine betriebliche Direktversicherung an das Lebensversicherungsunternehmen in Form der Prämie geleistet werden, Betriebsausgaben dar. Bei einer Versetzung zu einem ausländischen Tochter- oder Schwesterunternehmen ist die betriebliche Veranlassung nur zu bejahen, wenn die Entsendung im Interesse des inländischen Unternehmens erfolgt. Von der Berechtigung zum Betriebsausgabenabzug für den Versorgungsaufwand – die betriebliche Veranlassung – ist die Berechtigung zur Pauschalierung der Lohnsteuer gemäß § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG a. F. beziehungsweise die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 Satz 1 EStG n. F. zu unterscheiden. Beides ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer in einem ersten Dienstverhältnis zu dem Arbeitgeber steht, der die Beiträge entrichtet. Ein solches erstes Dienstverhältnis besteht nicht, wenn ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses zum inländischen Arbeitgeber vereinbart wurde.

Erstes Dienstverhältnis zum ausländischen Unternehmen
Dann besteht das erste Dienstverhältnis zu dem ausländischen Unternehmen, bei dem der Arbeitnehmer tätig ist. Wird beim Übertritt des Arbeitnehmers mit dem inländischen Unternehmen ein Dienstleistungs- oder Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen und als Gegenleistung hierfür unter anderem die Direktversicherung fortgeführt, ist die betriebliche Veranlassung zu bejahen. Die Prämien sind als Betriebsausgaben abzugsfähig. Eine Pauschalierung nach § 40b EStG a. F. beziehungsweise eine Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG n. F. ist nicht möglich, da kein erstes Dienstverhältnis zum inländischen Arbeitgeber vorliegt. Sofern das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit während der Entsendung dem Beschäftigungsstaat zusteht, ist nach dortigem nationalen Recht zu prüfen, ob die Beiträge zur bAV steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen oder ob eine steuerliche Begünstigung vorliegt. Die im deutschen Steuerrecht existierenden Steuerbefreiungen gemäß § 3 Nr. 63 EStG gelten im Ausland nicht. Soweit die Voraussetzungen nach § 40b EStG a. F. im Einzelfall erfüllt sind, kann die Prämie mit dem Pauschalsteuersatz besteuert werden. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt oder werden die Grenzen für die Pauschalsteuer überschritten, erfolgt die Besteuerung mit dem individuellen Steuersatz des Arbeitnehmers. Die vorstehenden Grundsätze gelten uneingeschränkt, wenn für das Arbeitseinkommen das deutsche Besteuerungsrecht gilt. Ist der Arbeitnehmer in Deutschland als seinem Wohnsitzstaat unbeschränkt steuerpflichtig und werden beim Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens die Beiträge nicht von einer Betriebsstätte getragen, ist die Pauschalierung der Lohnsteuer gemäß § 40b EStG a. F. beziehungsweise eine Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG n. F. uneingeschränkt möglich, wenn der Auslandseinsatz weniger als 183 Tage beträgt. Umfasst die Dienstreise oder Abordnung beim Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens einen Zeitraum von 183 oder mehr Tagen, steht dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht zu, während im Inland die Bezüge steuerfrei bleiben. Folglich sind auch, soweit sie auf die Zeit des Auslandseinsatzes entfallen, die Beiträge zur Direktversicherung steuerfrei, wenn eine Freistellungsbescheinigung vorliegt. Besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen, ergibt sich eine Freistellung der Arbeitseinkünfte von der inländischen Besteuerung, wenn die Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses vorliegen, das heißt der Auslandseinsatz mindestens 3 Monate ununterbrochen ausgeübt wird. Prämien für eine betriebliche Direktversicherung werden dort nicht genannt. Die Aufzählung im Auslandstätigkeitserlass dürfte allerdings nicht abschließend sein, da es einleitend zu den Bezügebestandteilen heißt, dass hierzu auch die genannten steuerpflichtigen Einnahmen gehören. Sind die Prämien für eine Direktversicherung, die auf die Zeit des Auslandseinsatzes entfallen, steuerfrei gestellt, sind sie von der Pauschalierung der Lohnsteuer gemäß § 40b EStG a. F. auszunehmen.

Sozialversicherungsrechtliche Behandlung
Im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Beiträge zur bAV kommt es zunächst je nach Länderkonstellation anhand des nationalen deutschen Sozialversicherungsrechts, der bilateralen Sozialversicherungsabkommen oder der EU-Koordinierungsverordnungen darauf an, welches Sozialversicherungsrecht während der Entsendung einschlägig ist. Sofern der Mitarbeiter dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt, folgt die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung grundsätzlich dem Steuerrecht hinsichtlich der unterschiedlichen Durchführungswege. Unterliegt er dem ausländischen Sozialversicherungsrecht, ist die Beitragspflicht nach dem jeweils geltenden Recht des ausländischen Staates zu beurteilen. Bei einer vorübergehenden Entsendung, die eine bestimmte Dauer nicht überschreitet, bleibt der Arbeitnehmer weiterhin in Deutschland sozialversicherungspflichtig – eine sogenannte Ausstrahlung gemäß § 4 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV). Besteht dagegen das Arbeitsverhältnis zu einer ausländischen Tochtergesellschaft oder liegt eine dauerhafte Auslandstätigkeit vor, so ist der Arbeitnehmer ausschließlich bei der ausländischen Sozialversicherung beitragspflichtig und leistungsberechtigt.

Weitere Voraussetzungen der Sozialversicherungspflicht in Deutschland
Weiterhin muss gewährleistet sein, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Auslandsaufenthalts beim entsendenden Arbeitgeber weiterbeschäftigt wird. Besteht keine zeitliche Begrenzung, gibt es nur die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung, bei der die Beitragshöhe individuell festgelegt werden kann (§ 7 SGB VI). Auch im Rahmen der Krankenversicherung ist eine freiwillige Versicherung möglich (§ 9 SGB V). Die Weiterversicherung in der sozialen Pflegeversicherung setzt einen Antrag voraus, der spätestens einen Monat nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht zu stellen ist (§ 26 SGB XI). Hinsichtlich der Unfall- beziehungsweise Arbeitslosenversicherung besteht keine Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Versicherung. Einige Berufsgenossenschaften bieten jedoch einen Auslandsunfallversicherungsschutz an.

Fazit:

Die Fortführung einer bereits bestehenden bAV eines Mitarbeiters für die Dauer seiner Entsendung ins Ausland ist durchaus möglich. Neben den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls sollten insbesondere die genannten Voraussetzungen beachtet werden. Zudem ist es ratsam, den Leistungsplan des zu entsendenden Mitarbeiters anhand der nationalen Regelungen des Landes, in welches die Entsendung erfolgt, in steuer- sowie sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht unter Berücksichtigung bilateraler Abkommen zwischen Heimat- und Gastland zu überprüfen.

Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial