16. November 2016

Beendigung eines Arbeitsverhältnisses: Was Arbeitgeber bei einer versicherungsförmigen Lösung beachten müssen

(BAG-Urteil vom 19.5.2016 – 3 AZR 794/14)

Direktversicherung und Pensionskasse gelten als für den Arbeitgeber verwaltungs- und haftungsarme Durchführungswege im Bereich der bAV und erfreuen sich daher großer Beliebtheit.

Ein Grund ist unter anderem, dass bei beiden Durchführungswegen die Ansprüche für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers auf das beschränkt werden können, was in der Direktversicherung beziehungsweise der Pensionskassenversorgung angespart war. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitgeber sich für die sogenannte versicherungsförmige Lösung entschieden hat. Durch diese versicherungsförmige Lösung entsteht für ihn eine Haftungserleichterung, sodass er nicht für den zeitanteilig ermittelten Anteil einstehen muss, der gegebenenfalls über dem angesparten Anteil liegen kann, wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel die Direktversicherungs- oder Pensionskassenzusage erst nach längerer Unternehmenszugehörigkeit erhalten hat. Gesetzliche Grundlage der sogenannten versicherungsförmigen Lösung sind § 2 Abs. 2 S. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) für die Direktversicherung be-ziehungsweise § 2 Abs. 3 S. 2 BetrAVG für die Pensionskasse.

Was zu tun ist …
Die versicherungsförmige Lösung setzt voraus, dass der Arbeitgeber innerhalb von spätestens drei Monaten nach dem Ausscheiden gegenüber dem Versorgungsberechtigten und dem Versicherer verlangt, dass die versicherungsförmige Lösung angewandt wird. Dazu muss der Arbeitgeber dem Versorgungsberechtigten ein unwiderrufliches Bezugsrecht einräumen und alle Beleihungen, Abtretungen oder etwaige Beitragsrückstände beseitigen. Ferner muss die Versicherung die Überschussanteile leistungserhöhend verwenden und dem Arbeitnehmer muss das Recht zur Fortsetzung mit eigenen Beiträgen eingeräumt werden.

Gut gemeint, aber nicht ausreichend …
In der Praxis war es bislang üblich, die versicherungsförmige Lösung sowohl in der zugrundeliegenden arbeitsrechtlichen Versorgungsordnung anzulegen als auch in dem zwischen Arbeitgeber und Versorgungseinrichtung zu schließenden Gruppenversicherungsvertrag zu vereinbaren. So sollte von Beginn an sichergestellt werden, dass beim Ausscheiden keine Frist verpasst wurde.

Nach der Rechtsprechung des BAG vom 19.5.2016 (3 AZR 794/14) soll aber genau das nicht mehr zulässig sein. Denn das BAG fordert, dass die versicherungsförmige Lösung in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausscheiden steht. Diese Argumentation mag zwar dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 S. 2 BetrAVG entsprechen. Diskussionswürdig erscheint jedoch, ob nicht eine vorherige Regelung, die der Arbeitnehmer einer Versorgungsordnung oder sonstigen ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen entnehmen konnte, nicht den Schutzzweck der Norm auch erfüllt, weil der Arbeitnehmer schon frühzeitig weiß, was im Falle des vorzeitigen Ausscheidens gilt.

Was jetzt zu beachten ist …
Für die Arbeitgeber bedeutet die neue Rechtsprechung des BAG einen erhöhten Verwaltungsaufwand. Sie müssen zusätzlich zu etwaigen bisherigen Regelungen in ihrer Versorgungsordnung und ihrem Gruppenversicherungsvertrag sowohl dem Versicherer als auch dem Versorgungsberechtigten zukünftig in jedem Einzelfall mitteilen, dass sie die versicherungsförmige Regelung wünschen.

Umgang mit „Altfällen“ …  
Für in der Vergangenheit liegende Fälle stellt sich ferner die Frage, ob hier ein Haftungspotential für die Arbeitgeber liegen kann. Urteile wirken grundsätzlich nur zwischen den Parteien. Es ist jedoch zu befürchten, dass einzelne Arbeitnehmer auch in der Vergangenheit liegende Fälle überprüfen lassen könnten.

Die Erfolgsaussichten werden stark vom jeweiligen Einzelfall abhängen. So wird im Rahmen der versicherungsförmigen Lösung oft zusätzlich die Stellung als Versicherungsnehmer vom ehemaligen Arbeitgeber auf den bisherigen Arbeitnehmer oder auf den Nachfolgearbeitgeber übertragen. Das Anrecht wird dann entweder privat durch den Versorgungsberechtigten oder betrieblich durch den neuen Arbeitgeber fortgeführt.

In der Vereinbarung eines Versicherungsnehmerwechsels zwischen dem bisherigen Arbeitgeber und dem Versorgungsberechtigten (private Fortführung), könnte implizit das Verlangen des Arbeitgebers liegen, von der versicherungsförmigen Lösung Gebrauch machen zu wollen. Denn der bisherige Arbeitgeber entledigt sich durch die Übertragung der Versicherungsnehmerstellung seiner Gestaltungsrechte. Bei einer betrieblichen Fortsetzung durch einen Nachfolgearbeitgeber kann es zu einer Übertragung nach dem sogenannten Übertragungsabkommen oder einer Übertragung nach § 4 BetrAVG gekommen sein. Beide Fälle führen grundsätzlich dazu, dass der alte Arbeitgeber aus seiner Haftung entlassen wird.

Fazit:

Die Arbeitgeber sollten in Anbetracht der Rechtsprechung des BAG ihre Ausscheideprozesse prüfen und insbesondere etwaige Ausscheideschreiben um die Inanspruchnahme der versicherungsförmigen Lösung ergänzen sowie auch den Versicherer über die Inanspruchnahme der versicherungsförmigen Lösung informieren.

Bernd Wilhelm, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Recht | Steuern, Longial