24. Februar 2021

Beitragspflicht bei einem Hinterbliebenenkapital aus einer Direktversicherung (BSG-Urteil vom 12.5.2020 – B 12 KR 22/18 R)

Leistungen der bAV unterliegen der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Gilt dies auch für Todesfallleistungen, die aus einer Direktversicherung als Einmalkapital an einen hinterbliebenen Ehepartner gezahlt werden? Nach Ansicht des BSG kommt es auf die Gestaltung des Bezugsrechts an.


Der Sachverhalt
Das Bundessozialgericht (BSG) hatte sich mit folgendem Sachverhalt zu befassen: Für einen Arbeitnehmer war im Jahr 1998 von seinem Arbeitgeber eine bAV in Form einer Direktversicherung eingerichtet worden. Nach Tod des Arbeitnehmers wurde aus dieser Direktversicherung ein Einmalkapital fällig, welches vom Versicherer an die hinterbliebene Ehefrau ausgezahlt wurde. Diese wandte sich gegen die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, die nach Ansicht ihrer Krankenkasse auf diese Leistung anfielen. Sie vertrat zum einen die Auffassung, dass allein aufgrund ihrer Erbenstellung kein nach § 229 Sozialgesetzbuch (SGB) V versorgungspflichtiger Bezug angenommen werden könne, der eine Beitragspflicht dem Grunde nach rechtfertigen würde. Zum anderen würde eine Belastung der von ihr empfangenen Leistung mit Sozialversicherungsbeiträgen eine Ungleichbehandlung zu Riester-geförderten betrieblichen Leistungen darstellen –  dies sei nicht verfassungsgemäß.

Die Entscheidung des BSG
Derartige verfassungsrechtliche Bedenken sah das BSG grundsätzlich nicht. Dass Riester-geförderte Leistungen beitragsrechtlich abweichend von anderen Leistungen der bAV behandelt werden, sei sachlich gerechtfertigt. Mit der Riester-Förderung verfolge der Gesetzgeber nämlich das Ziel der Bekämpfung der Altersarmut, welches insoweit eine Ungleichbehandlung rechtfertige. Was die Frage des Charakters der Leistung betrifft, schloss sich das Gericht hingegen letztlich der Auffassung der hinterbliebenen Ehefrau an. Auch nach Ansicht des BSG kann eine Direktversicherungsleistung dann nicht zu der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen werden, wenn diese allein im Wege der Erbfolge dem Leistungsempfänger zusteht. Derartige Leistungen dienen letztlich nicht der Erfüllung eines Versorgungsversprechens und fallen damit nicht unter den Regelungsbereich des § 229 SGB V. 

Eine Todesfallleistung aus einer Direktversicherung ist nach Ansicht des BSG jedoch nicht dem Nachlass des verstorbenen Arbeitnehmers zuzuordnen, wenn der Leistungsempfänger als Hinterbliebener betriebsrentenrechtlich in das Versorgungsversprechen des Arbeitgebers eingebunden war. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn dem Hinterbliebenen ein Bezugsrecht an der betreffenden Direktversicherungsleistung eingeräumt wurde. Inwieweit ein solches Bezugsrecht besteht, ist nach Ansicht des Gerichts anhand der jeweiligen versicherungsvertraglichen Vereinbarung unter Berücksichtigung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und etwaiger, das Vertragsverhältnis gestaltender Richtlinien des Arbeitgebers zu prüfen. Eine solche Prüfung hatte die Vorinstanz jedoch unterlassen. Insbesondere war also offen, ob eine Bezugsberechtigung aus dem Versicherungsvertrag bestand oder nicht. Das Verfahren wurde daher an das Berufungsgericht zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts zurückverwiesen.

Fazit

Soweit sich für einen hinterbliebenen Ehepartner ein Bezugsrecht bezüglich seiner Todesfallleistung aus einer Direktversicherung herleiten lässt, handelt es sich nach Ansicht des BSG um einen Versorgungsbezug, welcher der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt. Dies dürfte den Regelfall zumindest bei solchen Direktversicherungen darstellen, die – wie heute üblich – nach § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz (EStG) gefördert werden. Denn dort ist Voraussetzung für die steuerliche Förderung, dass der Kreis auf solche Leistungsempfänger eingeschränkt wird, die im steuerlichen Sinne als Hinterbliebene in Betracht kommen (also auf Ehe- beziehungsweise Lebenspartner und unterhaltsberechtigte Kinder). Deswegen wird in solchen Fällen entsprechenden Personen auch in aller Regel per Versicherungsvertrag ein Bezugsrecht eingeräumt. Der Arbeitnehmer hat hier gegebenenfalls noch Einfluss auf die Rangfolge der Empfangsberechtigten.  
 

i Was ist zu tun?

  • Handlungsspielraum dürfte das Urteil damit letztlich nur dort eröffnen, wo auf die (Nicht-) Einräumung eines Bezugsrechts von den Beteiligten Einfluss genommen werden kann. Womöglich ist dies bei Direktversicherungsverträgen der Fall, die noch nach § 40b EStG in der am 31.12 2004 geltenden Fassung pauschal besteuert werden. Um einen solchen Vertrag dürfte es sich mutmaßlich in dem Verfahren beim BSG auch gehandelt haben. Dort ist es nämlich aus steuerlicher Sicht unschädlich, wenn beliebige Personen in den Genuss einer Todesfallleistung kommen können. In solchen Fällen mag es vorkommen, dass Versicherungsverträge und/oder Versorgungsordnungen die Auszahlung an Erben vorsehen, wenn für den Todesfall kein Bezugsberechtigter ausdrücklich benannt wurde. Wer ineinem solchen Fall seinen Ehepartner als Bezugsberechtigten angegeben hat, obwohl dieser im Todesfall ohnehin Alleinerbe wäre, hat diesem hiermit vermutlich keinen Gefallen getan. Denn erst durch die Vergabe des Bezugsrechts wird die Leistung womöglich beitragspflichtig. Man sollteinsoweit also prüfen, ob ein einmal vergebenes Bezugsrecht sich heute nachteilhaft auswirken kann.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Versorgungsträger-Management, Longial
(Experte für Stellungnahmen mit rechtlichem und steuerlichem Hintergrund insbesondere im Rahmen der Verwaltung von Unterstützungskassen und für deren Jahresabschluss)