17. August 2016
„Betriebsrenten-Stärkungsgesetz“
Über die Historie haben wir in den vergangenen Ausgaben berichtet. Zunächst der Vorstoß unter dem Namen „Nahles-Rente“, dann der Namenswechsel zum „Sozialpartnermodell Betriebsrente“ und die Bitte um Expertenunterstützung in Form der beiden Gutachten, die vom Bundesministerum für Arbeit und Soziales (BMAS) an das Team Prof. Hanau / Dr. Arteaga und vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) an Prof. Kiesewetter in Auftrag gegeben wurden. Die Ergebnisse der Gutachten liegen der Öffentlichkeit seit rund drei Monaten vor.
Lobenswert und gut ist es ohne Zweifel, eine vernünftige Reform der bAV nicht „ex cathedra“ zu erlassen, sondern durch vorheriges Einholen eines möglichst umfassenden Meinungs- und Wunschbildes abzusichern. Leider braucht das Zeit, wirft mit jeder Runde neue Fragen auf und provoziert potenziell weitere Runden. So hat das BMAS aktuell den sogenannten „Rentendialog“ gestartet, der zunächst auf drei Sitzungen ausgelegt ist und am 08.07.2016 seinen Kick-off hatte. Die Folgesitzungen werden im Oktober und November stattfinden – und von da aus bis zum Beginn des Wahlkampfes 2017 ist es vielleicht noch ein halbes Jahr. Ob das ausreichen wird, die Reform auf den Weg zu bringen? Der Winter 2016/17 hat alle Chancen, bAV-intensiv zu werden.
Wie man hört, stehen im Rentendialog im Wesentlichen folgende Maßnahmen zur Debatte:
- “Opting-out“-Modell: Neu eingestellte Arbeitnehmer unterschreiben mit ihrem Arbeitsvertrag automatisch die Teilnahme an einem Entgeltumwandlungsmodell der bAV und müssen, wenn sie daran nicht teilnehmen wollen, ganz bewusst darauf verzichten.
Im Einklang mit einem der ältesten Grundsätze deutscher bAV, der Freiwilligkeit des Angebotes seitens der Arbeitgeber, fordern diese, dass es ihnen freigestellt sein müsse, ein solches Optionsangebot überhaupt zu machen. Offene Frage: Welche Wirkung entfaltet dann das Optionsmodell noch? Möglicherweise führen Anreize für die Arbeitnehmer dazu, den Druck von deren Seite zu erhöhen (s. Punkt 2.).
Weitere offene Frage: Würde ein solches Optionsmodell nur für neu eingestellte Arbeitnehmer greifen, oder könnte man es auch in bestehende Arbeitsverhältnisse implementieren?
- Zuschuss für Geringverdiener: Geringverdiener (als Verdienstgrenze stehen 1.500 Euro oder 2.500 Euro monatlich im Raum) sollen einen 30-prozentigen staatlichen Zuschuss für ihre Beiträge in ein bAV-System erhalten, wobei als maximal begünstigter Beitrag jährlich 450 Euro genannt werden. Ein Geschenk von rund 150 Euro pro Jahr möchte vermutlich niemand ungenutzt lassen. Das würde die Nachfrage nach einer bAV sicher ankurbeln.
- Ausweitung des Förderrahmens des § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz (EStG): Hier wird die Erhöhung des Prozentsatzes von 4 Prozent auf zum Beispiel 6 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze diskutiert – allerdings dann wohl unter Wegfall des heute gültigen Nominalbetrages von 1.800 Euro. Eine moderate Ausweitung des Volumens und die dringend notwendige Dynamisierung wären die positive Folge. Dem Gesetzgeber scheint in diesem Zusammenhang allerdings eher die Verbesserung der Versorgung bei Berufs- beziehungsweise Erwerbsunfähigkeit vorzuschweben als die Erhöhung der Altersrente. Wie er diesen Aspekt einbringen möchte, bleibt abzuwarten.
- (Teilweise) Abschaffung der Anrechnung von Eigenvorsorge auf die Grundsicherung und Abschaffung der Doppelverbeitragungbei Riester-bAV: Hiermit öffnet sich der Gesetzgeber lange erhobenen Forderungen aus der Praxis, die als wesentliche Hindernisse für die weitere Verbreitung der bAV erkannt wurden, auch durch die Gutachter. Leider wird aller Voraussicht nach die Abschaffung der Doppelverbeitragung über die Riester-geförderte bAV, bei der unmittelbar die Konkurrenz zur privaten Riesterrente gegeben ist, nicht hinausgehen. Denn es fehlt an Fantasie, wie die sonst entstehenden Finanzierungslücken in der gesetzlichen KV geschlossen werden könnten.
Fazit:
Positiv stimmt, dass die hier aufgeführten Maßnahmen offenbar auf einem breiten politischen Konsens beruhen, der selbst vom Bundesfinanzminister mitgetragen wird. Vielleicht klappt es mit der Reform doch noch in der laufenden Legislaturperiode.
Auch das Sozialpartnermodell ist natürlich nach wie vor in der Diskussion. Allerdings sind die damit verbundenen ganz grundlegenden Änderungen, wie Rechte und Pflichten der Tarifparteien, Wegfall von Garantien bei den Arbeitgebern und gleichzeitig neuartiger Schutz der Arbeitnehmer vor einer etwaigen Nichterfüllung, noch lange nicht ausdiskutiert.
Paulgerd Kolvenbach, Geschäftsführer, Longial