25. August 2021

Betriebsrentenanpassung bei nicht gewinnorientierten Arbeitgebern

BAG-Urteil vom 23.2.2021 – 3 AZR 15/20: Der Kläger war Rechtssekretär bei einer Gewerkschaft, ausgestattet mit einer Versorgungszusage. Die Gewerkschaft lehnte die Anpassung der laufenden Betriebsrente ab. Sie berief sich auf wirtschaftliche Gründe, belegt durch Prüfberichte von Wirtschaftsprüfern.


Annahme der Gewerkschaft
Die Gewerkschaft erzielte – neben den Gewerkschaftsbeiträgen ihrer Mitglieder – Überschüsse aus der Verwaltung ihres Vermögens, die sie bei der Anpassungsprüfung nicht berücksichtigte. Die Gewerkschaft war nämlich der Meinung, es käme nur auf ihre Beitragseinnahmen an, weil das Vermögen nur zu Vereinszwecken, insbesondere zur Durchführung von Arbeitskämpfen, genutzt werden dürfe. 

Was gilt für Rentenanpassung aller Arbeitgeber?
Wie alle anderen Arbeitgebern ist auch eine Gewerkschaft nach § 16 Abs. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) verpflichtet, alle drei Jahre die Anpassung der laufenden bAV-Leistungen zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei richtet sich der Anpassungsbedarf des Rentners nach der Entwicklung der Verbraucherpreise. Demgegenüber steht die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers, die anhand einer Prognose auf der Grundlage der bisherigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens über drei Jahren zu bestimmen ist. Eine Anpassung darf dann unterbleiben, wenn auch der Eingriff in eine erdiente Dynamik nach dem dreistufigen Prüfungsschema für die Abänderung betrieblicher Versorgungszusagen gerechtfertigt wäre. Denn die Anpassung soll nicht aus der Vermögenssubstanz bestritten werden müssen, sondern es sei vielmehr auf Zuwächse abzustellen.

Was sind die Besonderheiten bei einer Gewerkschaft?
Bei einer Gewerkschaft ist nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die wirtschaftliche Lage jedoch anders als bei gewinnorientierten Unternehmen zu beurteilen. Dazu muss der Anpassungsprüfungsanspruch verfassungskonform ausgelegt werden. Gerichte dürften nicht im Einzelnen prüfen, wie Gewerkschaften ihre Einkünfte verwenden. Das ergibt sich aus der im Grundgesetz geschützten Koalitionsfreiheit. Diese muss mit den Ansprüchen von Betriebsrentnern zum Ausgleich gebracht werden. 

Aus § 16 BetrAVG folgt, dass laufende Betriebsrenten – unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers – gegen eine Entwertung durch Kaufkraftverlust zu schützen sind. 

Für die Verhandlungsposition einer Gewerkschaft ist ihre Bereitschaft zur Durchführung eines Arbeitskampfes wichtig. Dazu muss sie ausreichende finanzielle Rücklagen gebildet haben. Dabei hat die Gewerkschaft einen sehr großen Ermessensspielraum, wie umfangreich sie ihr Streikvermögen ausstattet. Die Gewerkschaft muss auch nicht offenlegen, wie hoch das Streikvermögen ist, um ihr mögliches Durchhaltevermögen nicht zu offenbaren. 

Für anderes Vermögen außerhalb des Streikfonds unterliegt die Gewerkschaft den gleichen Anforderungen wie jeder andere Arbeitgeber auch. Deswegen sind Überschüsse aus einem Vermögen, dass auch für andere Zwecke als den Arbeitskampf eingesetzt wird, für die Anpassungsprüfung zu beachten.

Gordon Teckentrup, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Recht | Steuern, Longial
(Experte für alle steuer- und arbeitsrechtlichen Fragen der bAV, insbesondere Versorgung von GGF, Einrichtung und Änderung von Versorgungswerken, Unternehmensfusionen und Betriebsübergängen sowie Verwaltung von Versorgungswerken)