02. Dezember 2020

Bilanzierung einer Versorgungszusage aus Entgeltumwandlung beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer (BFH-Urteil vom 27.5.2020 – XI R 9/19)

Bei der Bildung einer Pensionsrückstellung sieht das Einkommensteuergesetz für Versorgungszusagen, die auf Entgeltumwandlung beruhen, eine besondere Regelung vor. Nach Auffassung des BFH ist sie für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer nicht maßgeblich.


Worum der Streit sich dreht
In welcher Höhe Pensionsrückstellungen in der Steuerbilanz gebildet werden können, regelt § 6a Einkommensteuergesetz (EStG). Dort ist vorgesehen, dass die Verpflichtung aus einer unmittelbaren Versorgungszusage (Direktzusage) mit ihrem Teilwert anzusetzen ist. Grundsätzlich gilt als Teilwert bei aktiven Mitarbeitern – vereinfacht gesprochen – der Barwert der erreichbaren Leistungen abzüglich des Barwerts gleichbleibender fiktiver Jahresbeiträge, die zur Finanzierung dieser Leistungen erforderlich wären. Für Zusagen aus einer Entgeltumwandlung ist in § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG jedoch eine besondere Regelung vorgesehen. In solchen Fällen entspricht der Teilwert mindestens dem Barwert der am Stichtag unverfallbaren Leistungen. Das sind die Leistungen, die aus bereits erfolgten Entgeltumwandlungen finanziert sind. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob diese Sonderregel bei allen Direktzusagen aus Entgeltumwandlung, also auch bei Zusagen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF), Anwendung findet. In der Vorinstanz (FG Nürnberg-Urteil vom 2.4.2019 – 1 K 836/18) hatte das Finanzgericht diese Frage positiv beantwortet. Dagegen hatte sich die Finanzverwaltung in der Revision gewandt. 

Die (un)klare Rechtslage
Zu dem Thema gab es zuvor in der einschlägigen Kommentierung unterschiedliche Stimmen. Teilweise wurde die Meinung vertreten, die Regelung, wonach für Zusagen aus Entgeltumwandlungen mindestens der Barwert der am Stichtag erreichten Leistungen anzusetzen ist, sei eng auszulegen. Da in § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG auf Entgeltumwandlung im Sinne des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) Bezug genommen werde, handele es sich bei den im Gesetz als „unverfallbar“ bezeichneten Leistungen allein um nach dem BetrAVG gesetzlich unverfallbare Anwartschaften. Teilweise wurde hingegen die Meinung vertreten, die gesetzliche Regelung sei weit auszulegen. „Unverfallbar“ im Sinne des Gesetzes sei insoweit auch eine Leistung, die aufgrund vertraglicher, aber nicht notwendigerweise gesetzlicher Regelungen unverfallbar sei. Auch bei einem beherrschenden GGF, dessen Versorgung nicht unter den Regelungsbereich des BetrAVG fällt, sei insoweit eine aufgrund Entgeltumwandlung vertraglich unverfallbare Anwartschaft im Allgemeinen von der Regelung erfasst.

Die Meinung des BFH
Der BFH sah im vorliegenden Fall keinen Spielraum, sich einer derart weiten Auslegung der gesetzlichen Bestimmung anzuschließen. Der in § 6a EStG enthaltene Verweis auf das BetrAVG ließe keine solche Interpretation zu. Die Bewertung von Entgeltumwandlungszusagen sei insoweit nur dann mindestens auf den Barwert der erreichten Leistungen abzustellen, wenn diese unverfallbar im Sinne des BetrAVG seien. Gegen eine solche Auslegung des Gesetzes würden nach Auffassung des BFH im Übrigen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken sprechen. Insbesondere sei die Ungleichbehandlung von Zusagen an beherrschende GGF gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber mit der betreffenden Regelung ausdrücklich das Ziel verfolgt habe, die bAV in Form der Entgeltumwandlung bei abhängig Beschäftigten zu fördern – was hier der Fall gewesen sei. 

Fazit

Das Urteil des BFH schafft Klarheit in der seit längerem strittigen Frage der Bewertung von Entgeltumwandlungszusagen, die beherrschenden GGF erteilt wurden. Aus versicherungsmathematischer Sicht führt es gleichwohl dazu, dass solche Zusagen in der Steuerbilanz nicht adäquat abgebildet werden. Dies wird besonders bei Einmal-Umwandlungen deutlich, die bereits bei Zusageerteilung zu einer Ausfinanzierung – und damit einer unverfallbaren Anwartschaft in voller Höhe – bei den in Aussicht gestellten Leistungen führen.

i Was ist zu tun?

  • Soweit vom Arbeitgeber Direktzusagen auf Basis einer Entgeltumwandlung erteilt wurden, wäre der Frage nachzugehen, ob sich hierunter auch solche Zusagen befinden, die nicht unter den Regelungsbereich des BetrAVG fallen.
  • In entsprechenden Fällen hätte der versicherungsmathematische Gutachter dieser Zusagen künftig die Bewertung auf Basis der von dem BFH als maßgeblich beurteilten Grundlage vorzunehmen.
  • Soweit in der Vergangenheit anders verfahren wurde und es bei Berücksichtigung der BFH-Grundsätze zu abweichenden Rückstellungswerten in der Bilanz gekommen ist, sollte seitens des Steuerberaters geprüft werden, ob nachträglich Korrekturen an der Bilanz erforderlich beziehungsweise möglich sind.
Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Recht | Steuern, Longial