24. Mai 2018

BRSG: Der Rahmen ist gesetzt – jetzt geht es an die Umsetzung (Ergebnisse der Longial-Umfrage zu den bAV-Schwerpunkten 2018)

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) bestimmt weiterhin die Diskussion rund um die bAV in Deutschland. Wie Arbeitgeber die Umsetzung und Auswirkungen der Reform in der Praxis sehen, zeigt eine von der Longial unterstützte Umfrage unter den Teilnehmern der 19. Handelsblatt Jahrestagung bAV im März 2018. Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Longial, kommentiert die Ergebnisse.


Weitblick:
Die Eingangsfrage bei dem Live Voting verlangte von den Teilnehmern, in einem Wort das Handlungsfeld zu nennen, welches sie dieses Jahr beschäftigen werde. An erster Stelle wurde das BRSG genannt, gefolgt von Governance, Kommunikation und Neuordnung. Überrascht Sie das Ergebnis?

Michael Hoppstädter: Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem das Gesetzgebungsverfahren zum BRSG die Diskussion prägte, überrascht das Ergebnis nicht. Auch die Nennung der anderen Begriffe war zu erwarten: So ist für das Gelingen der Reform eine gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten – vom Arbeitgeber über die Sozialpartner bis hin zu den Arbeitnehmern – eine wichtige Voraussetzung.
Neben dem BRSG bewegen die Unternehmen aber natürlich auch die bestehenden Versorgungssysteme. Und hier gibt es bei vielen noch Bedarf nach Neuordnung und Risikominimierung.

Weitblick: Trotz der insgesamt positiven Resonanz auf das neue Gesetz sehen 54 Prozent der Befragten weiterhin die Doppelverbeitragung von Beiträgen und Leistungen als eine der großen bAV-Baustellen. Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass sich hier etwas tut?

Michael Hoppstädter: Bei der Riester-Rente wurde die Doppelverbeitragung im Rahmen des BRSG ja abgeschafft. Das entsprechende Budget dafür kam aus dem Arbeitsministerium. Und vor den Koalitionsverhandlungen sprachen sich Unionspolitiker auch noch für die Abschaffung der Doppelverbeitragung in der bAV aus. Aktuell ist es hier aber ziemlich still geworden. Vielmehr hat „Die Linke“ nun in einem Antrag einen entsprechenden Gesetzentwurf gefordert. Damit hat sich am 25. April der „Ausschuss für Gesundheit“ in einer öffentlichen Anhörung befasst. Dabei wurde als Kompromissvorschlag der SPD ein Freibetrag für bAV-Bezieher ins Spiel gebracht. Darüber wird sich der Ausschuss für Gesundheit nochmals befassen – doch wann dies der Fall sein wird, ist schwer abzuschätzen. Wir sind gespannt, was dabei herauskommt. Allerdings sehen wir wenig Chancen für die Abschaffung der Doppelverbeitragung. Das finanzielle Loch in der gesetzlichen Krankenversicherung ist einfach zu groß.

Weitblick: Eine weitere Baustelle sehen 20 Prozent in der Reform von § 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Können Arbeitgeber hier eine Anpassung in der nächsten Zeit erwarten? 

Michael Hoppstädter: Da der Gesetzgeber leider bislang eine Anpassung des Rechnungszinses an die Marktgegebenheiten ignoriert hat, blicken jetzt alle gespannt nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht. Es wurde vom Finanzgericht Köln zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des steuerlich vorgegebenen Abzinsungszinssatzes von 6 Prozent bei Pensionsrückstellungen angerufen. Das diese Entscheidung noch 2018 fällt, ist aber eher unwahrscheinlich.
Grundsätzlich gilt aber: Ein einheitlicher Rechnungszins für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen nach Handelsgesetzbuch (HGB) und nach EStG wäre ein wichtiger Schritt. Zum einen würde damit ein Stück Komplexität der bAV abgebaut werden. Zum anderen wäre es ein Zeichen für die mittelständischen Arbeitgeber, die sich bewusst für den Weg der Direktzusage entschieden haben, dass sie seinerzeit einen richtigen Schritt getan haben. Die Akzeptanz der bAV bei diesen Unternehmen würde aus meiner Sicht nachhaltig gestärkt und ein lange tot geglaubter Weg der bAV wiederbelebt werden.

Weitblick: Kernstück des BRSG ist das Sozialpartnermodell: Dazu gibt es auch bereits erste Lösungen. Bei der Umfrage betonten mehr als die Hälfte der befragten Teilnehmer, wie wichtig es wäre, dass die Sozialpartner zunächst sogenannte Leitplanken, zum Beispiel Mindestanforderungen an Produkte, definieren. Als konkrete Form präferierten knapp ein Fünftel Konsortiallösungen von etablierten Anbietern. Was ist der Grund dafür?

Michael Hoppstädter: Die Verteilung von Aufgaben und Risiken auf mehrere Schultern. Das belegen auch die Zahlen: Knapp 90 Prozent der Befragten sehen bei den Konsortiallösungen den Vorteil, dass Know-how gebündelt wird, kostengünstige Lösungen entstehen und sich verschiedene Risiken wie etwa bei Ausfall und Kapitalanlage auf mehrere Anbieter verteilen. Man sieht ja auch, dass erste Anbieter den Konsortialweg beschreiten, beispielsweise „Das Rentenwerk“ oder „Die Deutsche Betriebsrente“. Auch die MetallRente – eine Konsortiallösung in der alten bAV-Welt – ist ein Konsortium aus mehreren Anbietern. Damit haben bisher reine Produktanbieter, insbesondere Lebensversicherer, diesen Weg eingeschlagen. Weder Gewerkschaften noch Arbeitgeberverbände haben sich bislang öffentlich positioniert – es wird also spannend zu beobachten, ob die Produktanbieter mit ihren Lösungen den Nerv der Sozialpartner treffen beziehungsweise getroffen haben.

Weitblick: Kernstück des Sozialpartnermodells ist die reine Beitragszusage – Defined Contribution (DC). Wegen des damit verbundenen regulatorischen Rahmen wird teilweise auch von der „DC German style“ gesprochen, denn sie unterscheidet sich gravierend von „pure DC“-Lösungen wie etwa in den USA oder der Schweiz. Ist nun der nächste logische Schritt eine „pure DC“ in Deutschland? Wie bewerteten die Tagungsteilnehmer diese Entwicklungsmöglichkeit?

Michael Hoppstädter: Hier herrscht ein Patt: 41 Prozent würden diese Entwicklung befürworten, 40 Prozent lehnen sie ab. Das Ergebnis zeigt die Unsicherheit, wie weit die deutsche Versorgungslandschaft zu gehen bereit ist.

Weitblick: Eine weitere Auswirkung des BRSG: Arbeitgeber müssen die im Rahmen der Entgeltumwandlung ersparten Sozialversicherungsbeiträge weitergeben. Sie können diesen Zuschuss exakt aus der individuellen Ersparnis errechnen oder einen pauschalen Betrag in Höhe von 15 Prozent der gezahlten Beiträge gewähren. Was ergab hier die Umfrage: Für welche Berechnungsart werden sich die Arbeitgeber entscheiden?

Michael Hoppstädter: Die große Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass der Zuschuss pauschal berechnet wird. Das war bei der Komplexität einer individuellen Berechnung auch zu erwarten. Nur 18 Prozent vermuten, dass die Arbeitgeber den Aufwand der exakten Berechnung auf sich nehmen werden.

Weitblick: Auch auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, die Altersvorsorge insgesamt zu stärken. Die europäische Aufsichtsbehörde EIOPA („European Insurance and Occupational Pensions Authority“) propagiert ein europaweites Altersvorsorgeprodukt namens PEPP („Pan European Personal Pension Product“). Bei der Umfrage betonten jedoch mehr als 60 Prozent, dass sie die Aufgabe der EIOPA in deren Konzentration auf Aufsicht und Regulierung sehen. Überrascht diese Aussage nicht?

Michael Hoppstädter: Nein, denn die Branche in Deutschland bewertet die Initiative der EIOPA schon seit einiger Zeit sehr kritisch. Allerdings kann PEPP für Mitgliedsstaaten, die nicht über einen etablierten und entwickelten Markt für Altersvorsorge verfügen, durchaus eine sinnvolle Lösung sein und die Mobilität von Arbeitnehmern innerhalb der EU fördern. Das war übrigens auch die Einschätzung von rund 30 Prozent der Konferenzteilnehmer.

Weitblick: Offene Baustellen, Diskussionsbedarf beim Sozialpartnermodell, Zurückhaltung bei europäischen Bestrebungen und auch bei einer Weiterentwicklung der reinen Beitragszusage: Was bedeutet das jetzt für Arbeitgeber in der Praxis?

Michael Hoppstädter: Die Arbeitgeber sollten sich von den offenen Fragen und Diskussionen nicht verunsichern lassen – im Gegenteil: Die bAV der „alten Welt“, also vor dem BRSG, bietet heute schon Lösungen, mit denen nahezu alle Anforderungen an eine attraktive bAV im Unternehmen umgesetzt werden können. Und das BRSG bringt weitere Vorteile mit sich, die diese Lösungen – vor allem für KMU und Arbeitnehmer mit geringeren Einkommen – noch attraktiver machen. Worauf warten? Der „Baukasten“ bAV ist schon bis zum Rand gefüllt – das Sozialpartnermodell ist darin nur ein weiteres Werkzeug. Dass erfordert sicher noch Zeit und Geduld von allen Beteiligten. Alles andere ist da und in der Praxis erprobt. Daher nochmal: Worauf warten?

Weitblick: Vielen Dank für das Gespräch.