01. September 2020

Corona und die bAV

Die Einflüsse von Corona auf die bAV sind vielfältig. Sie betreffen sowohl die Frage, welche Auswirkungen Kurzarbeit auf die bAV haben kann, als auch, ob es Eingriffsmöglichkeiten in Altersversorgungssysteme gibt. Daneben stellt sich bei Versorgungsträgern die Frage, ob in 2020 erforderliche Mitgliederversammlungen stattfinden können.


1. Corona und Kurzarbeit
Die Auswirkungen der Kurzarbeit auf die bAV hängen entscheidend von der sogenannten Zusageart ab. Hier kommen regelmäßig in Betracht:

  • Leistungszusage,
  • beitragsorientierte Leistungszusage,
  • Beitragszusage mit Mindestleistung und die
  • reine Beitragszusage (nur im Rahmen von Tarifverträgen möglich und derzeit noch nicht existent in Deutschland).

Heute finden sich in der betrieblichen Praxis überwiegend beitragsorientierte Leistungszusagen und gelegentlich auch Beitragszusagen mit Mindestleistungen. Beiden ist gemeinsam, dass den Versorgungsberechtigten neben der zugesagten Leistung auch der damit verbundene Beitrag bekannt gemacht wird.  

Auswirkungen auf beitragsorientierte Leistungszusage
Bei beitragsorientierten Versorgungszusagen, die in der Praxis häufig als prozentualer Anteil des Arbeitsentgelts zugesagt werden, wirkt sich die Kurzarbeit leistungsmindernd aus. Denn hier sinkt die Bemessungsgrundlage für den Versorgungsbeitrag. Bei Kurzarbeit „Null“ entfällt der Versorgungsbeitrag somit komplett. Ist der Beitrag aber unabhängig vom Arbeitsentgelt zugesagt, etwa als fester Eurobetrag, dann führt die Kurzarbeit allein nicht dazu, dass der Versorgungsbeitrag sinkt. 

Auswirkungen auf Leistungszusage
Insbesondere in älteren Versorgungswerken finden sich aber auch Leistungszusagen. Hier wird bei Renteneintritt, bei Berufsunfähigkeit oder Tod des Versorgungsberechtigten eine bestimmte Leistung versprochen. Ob sich dann bei Kurzarbeit Änderungen an der Höhe der Versorgungszusage ergeben, hängt von der konkreten Vereinbarung in der Zusage ab: Wenn die Kurzarbeit nur einen kurzen Zeitraum betrifft, der Arbeitgeber seinerseits eine Zusage erteilt hat, nach der der Versorgungsberechtigte bei Eintritt in den Ruhestand 100 Euro Monatsrente erhält und keine sonstigen einschränkenden Regelungen enthalten sind, dann wird diese Rente später auch gezahlt werden müssen. Bezieht sich die Versorgungszusage allerdings auf das Einkommen bei Eintritt in den Ruhestand beziehungsweise auf das bei Ausscheiden aus dem Unternehmen und befindet sich der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt in Kurzarbeit, dann darf nicht allein auf dieses Entgelt abgestellt werden. Wenn die Zusage keinerlei Aussagen trifft, müssen Lösungen zwischen den Beteiligten gefunden werden. Lösungsansätze sind, entweder das Gehalt vor der Kurzarbeit als Basis anzusetzen oder eine zeitliche Quotierung, die den Beschäftigungsgrad unter Berücksichtigung der Kurzarbeit miteinbezieht. Hier müssen sich die Parteien auf Regelungen, die die beiderseitigen Interessenlagen berücksichtigen, verständigen.

Auswirkungen auf Entgeltumwandlung 
Je nach Ausgestaltung der Versorgungszusage kann die Entgeltumwandlung auch bei einem gekürzten Entgelt durchgeführt werden. Aber: Das Kurzarbeitergeld kann dabei nicht zum gekürzten Entgelt hinzugerechnet werden, da es kein Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung darstellt, sondern eine Lohnersatzleistung. Zwei Konstellationen sind zu berücksichtigen:

  • Der Arbeitnehmer kann die bisherigen Beiträge für eine Entgeltumwandlung nicht mehr oder nicht mehr in voller Höhe aufbringen. 
  • Bei Kurzarbeit „Null“ entfällt der Entgeltanspruch generell, eine Entgeltumwandlung ist nicht mehr möglich.

In beiden Fällen kommt es aufgrund der arbeitsrechtlich reduzierten Entgeltumwandlung zu einer Leistungsreduktion. Dennoch sollte trotz Kurzarbeit eine bestehende Entgeltumwandlung möglichst nicht vorschnell beitragsfrei gestellt oder gar gekündigt werden. Insbesondere in Konstellationen, in denen sich die Gesamtvergütung nur geringfügig reduziert, bleibt ein wertvoller Baustein für die Altersversorgung erhalten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Zusage eine Todesfallabsicherung für Hinterbliebene oder einen Schutz für den Fall einer Berufsunfähigkeit enthält. In jedem Fall ist individuell zu prüfen, ob eine Fortsetzung der Versorgung mit eigenen Beiträgen oder eine Reduzierung der Entgeltumwandlung in Betracht kommen.

2. Stundungsangebot durch Versorgungsträger
Mit der Möglichkeit, Beiträge für die bAV zu stunden, haben Versorgungsträger zahlreichen Unternehmen mit Versorgungsverpflichtungen in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage etwas Luft verschafft. Dies hilft allerdings nur vorübergehend: In vielen Fällen läuft die Frist im Herbst ab und es müssen Lösungen gefunden werden. 

Die bAV ist immer in das arbeitsrechtliche Grundverhältnis eingebettet. Wenn also der Arbeitgeber einen Versicherungsbeitrag nicht vollständig entrichten kann, muss er hierfür eine entsprechende arbeitsrechtlich flankierende Regelung treffen. Diese stellt letztlich einen Eingriff in die zugesagte Versorgung dar. Insbesondere bei Versorgungsordnungen aufgrund von Betriebsvereinbarungen, aber auch aufgrund von individualrechtlich erteilten Versorgungszusagen, die einen kollektiven Bezug aufweisen und daher für eine Vielzahl von Mitarbeitern gelten, muss der Eingriff gemäß dem vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen im Rahmen des sogenannten Drei-Stufen-Modells gerechtfertigt sein. Daher ist in diesem Fall der Rat eines betriebsrentenrechtlichen Experten unerlässlich.

3. Mitgliederversammlungen von Versorgungsträgern in COVID-19-Zeiten
Viele betriebliche Versorgungsträger im Bereich der bAV sind als eingetragene Vereine oder in Rechtsformen organisiert, auf die das Vereinsrecht entsprechend anzuwenden ist (etwa Pensionskassen in der Rechtsform des sogenannten kleineren Vereins). Gemeinsam ist diesen Versorgungsträgern, dass sie ein oberstes Organ haben. Dies ist häufig eine Mitgliederversammlung. Hier besteht das Problem, dass sie in der Regel aufgrund der dortigen satzungsgemäßen Bestimmungen verpflichtet sind, ihre Mitgliederversammlungen bis August 2020 durchzuführen. In Zeiten von COVID-19 stellt das die Versorgungsträger vor eine ernste Herausforderung, wenn sich womöglich mehrere hundert Personen physisch an einem Ort versammeln sollen. Die Sorge besteht oft darin, keine geeigneten Räumlichkeiten anmieten zu können oder durch behördliche Auflagen daran gehindert zu sein, die Mitgliedervollversammlung durchzuführen. Denn auch auf Vereine kann das Verbot treffen, gemäß § 28 Infektionsschutzgesetz (IfSG) keine Präsenzveranstaltungen durchführen zu dürfen. Im Übrigen ist es aufgrund der aktuellen Situation empfehlenswert, auch ohne ein ausdrückliches Verbot, auf Präsenzveranstaltungen weitestgehend zu verzichten.

Virtuell oder schriftlich?
Fraglich ist daher, welche Möglichkeiten für Vereine vor diesem Hintergrund im Hinblick auf die Durchführung einer satzungsgemäß vorgeschriebenen Mitgliederversammlung bestehen. Der Bundestag hat in dem Gesetz vom 27.3.2020 (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht) unter anderem auch vorübergehende Sonderregelungen zu Vorschriften des zivilrechtlichen Vereinsrechts vorgesehen. Um die Handlungsfähigkeit der Vereine während der Corona-Pandemie zu gewährleisten, beinhaltet das Gesetz zeitlich begrenzte Erleichterungen. Gemäß Art. 2 § 7 Abs. 5 des vorbezeichneten Gesetzes ist Art. 2 § 5 nur auf im Jahr 2020 ablaufende Bestellungen von Vereins- oder Stiftungsvorständen und im Jahr 2020 stattfindende Mitgliederversammlungen von Vereinen anzuwenden, kann jedoch gemäß Art. 2, § 8 bis höchstens zum 31.12.2021 verlängert werden. Nach Art. 2 § 5 gewährt das vorbezeichnete Gesetz eingetragenen Vereinen hinsichtlich der Mitgliederversammlung zwei Optionen: 

  • Entweder findet die Mitgliederversammlung im Jahr 2020 virtuell statt, ohne dass die Satzung dies vorsieht oder
  • die Mitgliederversammlung findet ohne physische Anwesenheit der Mitglieder statt und die Mitglieder stimmen im Vorfeld schriftlich ab.

Allgemeine Voraussetzungen für Mitgliederversammlung im virtuellen Raum
Mitgliederversammlungen im virtuellen Raum waren bisher bereits grundsätzlich möglich. Die Rechtsprechung hat Online-Mitgliederversammlungen für zulässig befunden. Ausweislich der Begründung des entsprechenden gerichtlichen Beschlusses steht es gemäß § 40 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dem Verein frei, wie er seine innere Struktur ausgestaltet. Zwar schreibt § 32 BGB vor, dass Vereinsangelegenheiten durch Beschluss der – zwingend vorgeschriebenen – Mitgliederversammlung zu regeln seien, wobei die schriftliche Zustimmung der Mitglieder zu einem Beschluss ausreichend sei. Mit der Einführung der virtuellen Versammlung ändert sich aber nichts an der gesetzlich vorgeschriebenen Existenz und Funktion der Mitgliederversammlung als Organ, sondern lediglich an der Art und Weise, in der sich die Willensbildung innerhalb dieses Organs vollzieht. Eine Versammlung setzt keine räumliche Zusammenkunft voraus. Voraussetzung zur Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung ist jedoch eine vorherige Satzungsänderung. 

Ausnahmeregelung in den Zeiten von Corona
In Zeiten von Corona stellt diese Ausgangslage viele Versorgungskassen grundsätzlich vor eine größere Herausforderung, da die dortigen Satzungen bisher keine Regelung hinsichtlich der Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung enthalten. Allerdings findet im Wege der Übergangsregelung im Jahre 2020 ein am 27.3.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlichtes Gesetz zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie Anwendung, welches unter anderem im Zivil- und Gesellschaftsrecht Erleichterungen bringt und hier genutzt werden soll. Für Vereine ist Art. 2 § 5 des Gesetzes maßgeblich. Danach kann der Vorstand abweichend von § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen, an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben. Art. 2 § 5 Abs. 2, Nr.1 schafft somit als Sonderregelung zu § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB die gesetzlichen Voraussetzungen, um auch ohne ausdrückliche Ermächtigung in der Satzung virtuelle Mitgliederversammlungen durchzuführen, an denen sich die Mitglieder im Wege elektronischer Kommunikation zusammenfinden und ihre Mitgliedsrechte ausüben. Dabei ist es auch möglich, dass ein Teil der Mitglieder oder Vorstandsmitglieder an einem bestimmten Ort zusammenkommt und andere Mitglieder an der Mitgliederversammlung im Wege elektronischer Kommunikation teilnehmen. Die virtuelle Versammlung sollte in einem passwortgesicherten Online-Raum stattfinden, zu dem Mitglieder lediglich Zutritt über diesen vorab zur Verfügung gestellten Zugangscode erhalten. Im Übrigen ist es empfehlenswert, dass die Teilnehmer ihre Identität durch Verwendung ihres jeweiligen Vor- und Zunamens kenntlich machen. 

4. Pensionsfonds: Erleichterung bei Bedeckungsprüfung
Einige Unternehmen haben ihre Versorgungszusagen auf Pensionsfonds ausgelagert, um dem seit einigen Jahren sinkenden Niedrigzins entgegenzuwirken. Da Pensionsfonds in der Kapitalanlage freier als Lebensversicherungsunternehmen und Pensionskassen sind, finden hier regelmäßig sogenannte Bedeckungsprüfungen statt. Dabei muss geprüft werden, ob die Leistung der Versorgungsberechtigten unter einem sogenannten Pensionsplan dauerhaft gesichert ist. Hier ist erfreulich, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Hinblick auf die erforderlichen Bedeckungsprüfungen Erleichterungen gewährt. Denn nach § 239 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG) dürfen Arbeitgeber eine Unterdeckung des Sicherungsvermögens bei Pensionsfonds von bis zu 10 Prozent über 10 Jahre ausgleichen. Unterdeckungen über 10 Prozent müssten sofort vom Arbeitgeber ausgeglichen werden. Die bisherige Verwaltungspraxis der BaFin sieht vor, dass für Unterdeckungen bis 10 Prozent spätestens 3 Monate nach Eintritt einer Unterdeckung ein Plan zur Wiederherstellung der Bedeckung des Sicherungsvermögens (Bedeckungsplan) einzureichen ist. Aufgrund der aktuellen Lage ist es aus Sicht der BaFin jedoch akzeptabel, wenn diese Frist längstens bis zum 1.10.2020 verlängert wird. Erste Zahlungen von Arbeitgebern zur Wiederherstellung der Bedeckung des Sicherungsvermögens müssen nicht mehr im Jahr 2020 erfolgen, sondern erst 2021. Auch sonst notwendige Zahlungen des Arbeitgebers zur Begrenzung einer Unterdeckung auf 10 Prozent der versicherungstechnischen Rückstellungen müssen derzeit nicht eingefordert beziehungsweise geleistet werden. Sie können also in das Jahr 2021 verschoben werden, unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Pensionsfonds erklärt, keine substanzmindernden Maßnahmen in Form von Gewinnausschüttungen und Aktienrückkäufen vorzunehmen. Eine Unterdeckung von mehr als 10 Prozent ist bis zur Zahlung der ersten Rate eines Bedeckungsplanes auf 10 Prozent zurückzuführen.

Fazit

Corona beeinflusst die bAV auf unterschiedliche Arten und Weisen. Zu begrüßen ist, dass sowohl die Politik als auch die Versorgungsträger sich bemühen, Erleichterungen zu schaffen, um auch weiterhin die bAV trotz der Covid19-Pandemie aufrecht erhalten zu können.

Bernd Wilhelm-Werkle, LL.M. Syndikusrechtsanwalt, Leiter Geschäftsbereich Beratung, Longial