06. Dezember 2023

Das Wachstumschancengesetz und die betriebliche Altersversorgung

Am 29.8.2023 hat die Bundesregierung den Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness" vorgelegt (Wachstumschancengesetz).

Dessen Verabschiedung hätte auch Auswirkungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zur Folge.

Besteuerungsanteil der Renten aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen
Bei Renten aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen beziehungsweise aus einer Basisversorgung richtet sich die Höhe des Besteuerungsanteils nach den Bestimmungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Dort ist bislang vorgesehen, dass sich der Besteuerungsanteil für jeden neuen Renteneintrittsjahrgang jährlich um einen Prozentpunkt erhöht. Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf reduziert sich der Anstieg des Besteuerungsanteils auf einen halben Prozentpunkt jährlich. Die betreffende Änderung soll ab dem Veranlagungszeitraum 2023 Anwendung finden. Für Personen mit Renteneintritt im Jahr 2023 würde der maßgebliche Besteuerungsanteil anstatt 83 Prozent nur noch 82,5 Prozent betragen. Ein Besteuerungsanteil von 100 Prozent würde bei Inkrafttreten der beabsichtigten Neuregelung damit erstmals bei Personen mit Renteneintritt im Jahr 2058 erreicht.

Diese Änderung verfolgt das Ziel, die sogenannte „doppelte Besteuerung“ von Beiträgen und Leistungen zu vermeiden. Wie man der Begründung zu der vorgeschlagenen Gesetzesänderung entnehmen kann, geht die Bundesregierung allerdings davon aus, dass die Maßnahme allein nicht ausreichend ist, um in allen künftigen beziehungsweise bereits in der Rentenphase befindlichen Fällen eine Doppelbesteuerung vollständig zu vermeiden. Daher sollen zeitnah weitere gesetzliche Regelungen folgen.

Altersentlastungsbetrag in den versicherungsförmigen Durchführungswegen
Bei der nachgelagerten Besteuerung von Leistungen aus Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen kommt hierfür der Altersentlastungsbetrag nach § 24a Satz 5 EStG in Betracht. Er wird Steuerpflichtigen gewährt, die im Jahr vor Bezug des betreffenden steuerpflichtigen Einkommens das 64. Lebensjahr vollendet haben. Der Altersentlastungsbetrag ist ein prozentualer Anteil der entsprechenden Einkünfte und durch einen Höchstbetrag begrenzt. Der jeweils maßgebliche Prozentsatz hängt vom Geburtsjahr des Leistungsempfängers ab. Nach bisheriger Rechtslage sinkt dieser Prozentsatz für jedes Jahr der späteren Geburt um 0,8 Prozentpunkte.

Nach dem vorliegenden Entwurf des Wachstumschancengesetzes soll der Besteuerungsanteil durch eine Erhöhung des Altersentlastungsbetrages auch bei Leistungen aus den versicherungsförmigen Durchführungswegen sinken. Es ist vorgesehen, dass sich der betreffende Prozentsatz ab dem Jahr 2023 in jährlichen Schritten von 0,4 statt bisher 0,8 Prozentpunkten mindert. Der Höchstbetrag soll, beginnend mit dem Jahr 2023, um jährlich 19 Euro statt – wie bislang vorgesehen – um 38 Euro sinken.

Versorgungsfreibetrag bei Direkt- und Unterstützungskassenzusagen
Von Versorgungsbezügen bleiben der nach einem Prozentsatz ermittelte und in der Höhe begrenzte Versorgungsfreibetrag sowie ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei (§ 19 Abs. 2 Satz 1 EStG). Zu den begünstigten Versorgungsbezügen gehören auch Leistungen aus einer Direktzusage beziehungsweise aus einer Unterstützungskassen-Versorgung. Der maßgebende Prozentsatz für den jeweiligen steuerfreien Anteil, der Höchstbetrag und der Zuschlag richten sich nach dem Jahr des Versorgungsbeginns. Für den einzelnen Steuerpflichtigen bleibt dieser vom Versorgungsbeginn abhängig ermittelte Prozentsatz für immer fixiert. 

Der Versorgungsfreibetrag sowie der Zuschlag verringern sich von Jahr zu Jahr für jeden neu in den Ruhestand tretenden Jahrgang. Bislang reduziert sich der maßgebliche Prozentsatz jährlich um 0,8 Prozentpunkte. Nach dem Entwurf des Wachstumschancengesetzes soll – beginnend mit dem Jahr 2023 – der betreffende Prozentwert zur Bemessung des Versorgungsfreibetrages nur noch in jährlichen Schritten von 0,4 Prozentpunkten abnehmen. Der Höchstbetrag würde ab dem Jahr 2023 um jährlich 30 Euro und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag um jährlich 9 Euro sinken. Aktuell sieht das Gesetz eine Verringerung um 60 beziehungsweise 18 Euro vor. Bei Inkrafttreten der Neuregelung würden die Freibeträge für Versorgungsbezüge somit erst im Jahr 2058 vollständig abgeschmolzen sein.

Fünftelungsregelung bei der Lohnsteuer
Mit der sogenannten Fünftelungsregelung werden außerordentliche Einkünfte steuerlich begünstigt (§ 34 EStG). Eine einmalige, hohe Einnahme wird dabei – vereinfacht gesagt – so behandelt, als käme sie gleichmäßig auf die nächsten fünf Jahre verteilt zustande. Hierdurch ergibt sich ein Progressionsminderungs-Effekt. Zu entsprechenden außerordentlichen Einkünften zählen auch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeiten darstellen. Anwendung findet die betreffende Regelung damit nach Auffassung der Finanzverwaltung auf Einmalzahlungen aus einer Direktzusage beziehungsweise einer Unterstützungskassen-Versorgung. 

An den Regelungen des § 34 EStG selbst sind nach dem Entwurf des Wachstumschancengesetzes grundsätzlich keine Änderungen geplant. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung kann die Anwendung der Fünftelungsregelung also unverändert geltend gemacht werden. Änderungen sollen hingegen bei der Berechnung der Lohnsteuer eintreten. Derzeit kann die Tarifermäßigung des § 34 EStG bereits bei der Berechnung der Lohnsteuer berücksichtigt werden (§ 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG). Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll dies nicht länger möglich sein. § 39b Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG sollen aufgehoben werden. Damit wird das Ziel verfolgt, Arbeitgeber zu entlasten. Denn die Berücksichtigung der Fünftelungsregelung kann aus ihrer Sicht kompliziert sein. Die zutreffende Einkommensteuer kann in den Fällen des § 34 EStG zudem ohnehin nur am Ende des Veranlagungszeitraums verlässlich ermittelt werden. Erst dann sind alle steuerlich relevanten Sachverhalte bekannt.

Die betreffende Änderung soll erstmals für den Lohnsteuerabzug 2024 Anwendung finden.

Fazit  

Die mit dem Entwurf vom Gesetzgeber verfolgten Ziele sind nachvollziehbar und gut begründet. Aber: Noch ist das Gesetz nicht in Kraft getreten. Auf Kritik ist der Entwurf insbesondere im Bundesrat gestoßen. In seiner Stellungnahme vom 20.10.2023 regt die Länderkammer an verschiedenen Stellen Änderungen an. Zwar begrüßt man dort, dass Maßnahmen zur Vermeidung einer zukünftigen „doppelten Besteuerung“ von Renten ergriffen werden. Diese seien aber in einigen Fällen nicht ausreichend und würden in anderen Fällen womöglich zu einer Überkompensation führen. Es wird insoweit die Umsetzung in einem eigenen – späteren – Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen.

Auch die vorgesehene Streichung der Regelung zur Fünftelungsregelung im Lohnsteuerverfahren wird vom Bundesrat kritisiert. Arbeitnehmer könnten die ihnen zustehende Tarifermäßigung dann erst im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen. Nicht fachkundige Arbeitnehmer würden womöglich keinen Antrag stellen. Im Übrigen sei für den Arbeitgeber mit der beabsichtigten Neuregelung keine wirkliche Erleichterung verbunden.

i Was ist zu tun?

  • Der weitere Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens bleibt abzuwarten. Bei Redaktionsschluss für diesen Weitblick war noch nicht absehbar, inwieweit sich der Bundesrat mit seinen Forderungen zu Änderungen an dem Entwurf durchsetzen könnte. Inzwischen liegen auch weitere Stellungnahmen von Verbänden wie dem GDV vor, die womöglich (auch) Eingang in das Gesetzgebungsverfahren finden. Über dessen weiteren Verlauf werden wir berichten.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Recht | Steuern & VTM, Longial