02. Dezember 2020

… dass eine Versicherung nicht unbedingt versicherungsförmig ist?

Die Begriffe „versicherungsförmig“ und „nicht versicherungsförmig“ sind eng mit der bAV verbunden und natürlich mit einer Versicherung beziehungsweise eben nicht – oder?


Unterschied zwischen versicherungsförmig und nicht versicherungsförmig
Nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) stehen Arbeitgebern für die finanzielle Absicherung ihrer Mitarbeiter bei Wegfall des Erwerbseinkommens verschiedene Wege zur Durchführung ihrer bAV zur Verfügung: Unmittelbare Versorgungszusage (Direktzusage), Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds und Unterstützungskasse. Man teilt diese 5 Durchführungswege in 2 Gruppen ein: versicherungsförmige und nicht versicherungsförmige Durchführungswege. Doch nicht selten führen diese Begriffe zu Missverständnissen. Denn zum einen ist nicht jede bAV, bei der die Finanzierung durch eine Versicherung erfolgt, auch versicherungsförmig; zum anderen hat eine versicherungsförmige bAV nicht notwendigerweise etwas mit einer Versicherung im herkömmlichen Sinne zu tun. Es ist also Vorsicht geboten, wenn diese Begriffe verwendet werden. Denn ihre Unterscheidung ist insbesondere aus steuerlicher Sicht wichtig. 

Was bedeuten die Begriffe?
Als versicherungsförmig gelten diejenigen Durchführungswege, für die neben dem BetrAVG auch die Regelungen des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) und des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) maßgebend sind. Es handelt sich hierbei um die Direktversicherung, die Pensionskasse und – auch wenn man ihn gemeinhin nicht mit einer Versicherung im eigentlichen Sinne verbindet – den Pensionsfonds. Nicht versicherungsförmige Durchführungswege sind hingegen die Direktzusage und die Unterstützungskasse. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Finanzierung der in Aussicht gestellten Versorgung in diesen beiden Durchführungswegen womöglich sogar über eine Versicherung, also eine sogenannte Rückdeckungsversicherung, erfolgt. Insbesondere stellt damit selbst eine kongruent rückgedeckte Direktzusage beziehungsweise Unterstützungskassenzusage eine bAV über einen nicht versicherungsförmigen Durchführungsweg dar.

Welche Bezeichnungen kommen noch vor?
Teilweise verwendet man anstelle des Begriffs „versicherungsförmig“ auch „extern“ und anstelle des Begriffs „nicht versicherungsförmig“ die Bezeichnung „intern“. Doch auch bei einer solchen Wortwahl sind Missverständnisse nicht ausgeschlossen. Denn in diesem Sinne gehört auch die Unterstützungskasse zu den internen Durchführungswegen der bAV. Gleichwohl werden heutzutage oftmals von Versicherungsunternehmen gegründete Gruppen-Unterstützungskassen mit der Durchführung einer bAV beauftragt, die in aller Regel nicht mit ihren Trägerunternehmen in einer gesellschaftsrechtlichen Beziehung stehen. Aus Sicht dieser Trägerunternehmen handelt es sich bei solchen Kassen mithin nicht um im herkömmlichen Sinne „interne“ Einrichtungen.

Wo liegen die Unterschiede insbesondere aus steuerlicher Sicht?
Während aus arbeitsrechtlicher Sicht jeder Durchführungsweg seine besonderen Eigenheiten hat, haben versicherungsförmige Durchführungswege aus steuerlicher Sicht diverse Gemeinsamkeiten. Auch nicht versicherungsförmige Durchführungswege weisen Ähnlichkeiten auf. So löst zum einen eine nicht versicherungsförmige bAV während der Anwartschaft unabhängig von der Höhe der zugesagten Leistung beim Versorgungsberechtigten keinen steuerlichen Zufluss aus, während bei einer versicherungsförmigen bAV die Höhe der Beiträge, die steuerfrei aufgewendet werden können, gemäß § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz in Summe auf 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung beschränkt sind. Zum anderen sind Zahlungen in der Leistungsphase aus einem nicht versicherungsförmigen Durchführungsweg als nachträglicher Arbeitslohn im Sinne von § 19 EStG zu versteuern, während die Versteuerung in einem versicherungsförmigen Durchführungsweg als sonstige Leistung nach § 22 Abs. 5 EStG erfolgt. Dort gibt es zudem bei Kapitalleistungen nicht die Möglichkeit der Progressionsminderung im Sinne der Fünftelungsregelung nach § 34 EStG, welche bei Leistungen aus einem nicht versicherungsförmigen Durchführungsweg Anwendung finden kann (worüber allerdings vor den Finanzgerichten gestritten wird). Ähnliche Gemeinsamkeiten lassen sich innerhalb der jeweiligen Gruppe von Durchführungswegen auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht finden.

Kann man zwischen den Durchführungswegen wechseln?
Hat sich ein Arbeitgeber bei Einrichtung seiner bAV für einen bestimmten Durchführungsweg entschieden, kommt nicht selten zu einem späteren Zeitpunkt die Frage auf, inwieweit der Wechsel zu einem anderen Durchführungsweg möglich ist. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn innerhalb eines Konzerns verschiedene Versorgungsmodelle, die historisch gewachsen sind, vereinheitlicht werden sollen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist ein solcher Wechsel des Durchführungsweges in aller Regel möglich. Doch nicht immer ist ein solcher Wechsel auch steuerlich flankiert. Dies gilt insbesondere für den Wechsel zwischen einem versicherungsförmigen und einem nicht versicherungsförmigen Durchführungsweg. So ist nach § 3 Nr. 55c Satz 2 Buchst. a EStG ein Wechsel von einem versicherungsförmigen auf einen anderen Durchführungsweg dann steuerfrei, wenn der Zielversorgungsträger ebenfalls einen versicherungsförmigen Durchführungsweg bietet. Mit der Frage, ob trotz fehlender gesetzlicher Regelung der Wechsel von einem versicherungsförmigen in einen nicht versicherungsförmigen Durchführungsweg steuerfrei sein kann, hatte sich jüngst das Landgericht Hamburg zu befassen (Urteil vom 1.11.2019 – 306 O 378/18). Dabei kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass es für die Begründung einer solchen Steuerfreiheit keine Grundlage gäbe. Überkreuz-Übertragungen zwischen versicherungsförmigen und nicht versicherungsförmigen Durchführungswegen dürften somit grundsätzlich nicht steuerneutral sein. Würde also eine Übertragung von einem versicherungsförmigen in einen nicht versicherungsförmigen Durchführungsweg vorgenommen, ergäbe sich insoweit bei den jeweiligen Versorgungsberechtigten eine Steuerpflicht auf die von der Übertragung betroffenen Vermögensmittel. Aus wirtschaftlicher Sicht dürfte eine derartige Übertragung für die Beteiligten damit in aller Regel keinen Sinn ergeben.

Was man beachten sollte
Die Wahl des Durchführungsweges für eine bAV sollte genauestens abgewogen werden. Versicherungsförmige beziehungsweise externe und nicht versicherungsförmige beziehungsweise interne Durchführungswege unterliegen dabei unterschiedlichen, insbesondere abweichenden steuerlichen Rahmenbedingungen. Die spätere Änderung dieser einmal getroffenen Entscheidung kann sich dann als besonders schwierig erweisen, wenn man zwischen den beiden Durchführungswege-Gruppen wechseln möchte. Dabei kommt es für die Einordnung der Durchführungswege Direktzusage und Unterstützungskasse als nicht versicherungsförmige Durchführungswege nicht darauf an, ob die Finanzierung womöglich sogar über eine Rückdeckungsversicherung erfolgt.

Hätten Sie‘s gewusst?

Michael Gerhard, Aktuar (DAV), Recht | Steuern, Longial