25. Mai 2022

…, dass in der betrieblichen Altersversorgung Fristen nicht gleich Fristen sind?

Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (bAV) haben wir es an den verschiedensten Stellen mit Fristen zu tun. Leider sind die Fristen nicht immer einheitlich und unter den verschiedenen Rechtsgebieten auch nicht unbedingt aufeinander angestimmt.


Verjährung der Betriebsrente
Die Frage, ob und wann die Betriebsrente verjährt, muss differenziert betrachtet werden. Denn es gibt durchaus einen Unterschied, ob es sich hierbei um die Verjährung einer einzelnen Betriebsrentenzahlung oder um das „Stammrecht“ auf eine Betriebsrente handelt.

Zur Verjährung der einzelnen Betriebsrentenrate heißt es in § 18a Satz 2 BetrAVG (Betriebsrentengesetz), dass „Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen […] der regelmäßigen Verjährungsfrist nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs“ unterliegen. Nach § 195 BGB sind das drei Jahre. Konkret bedeutet das, dass die Betriebsrente des Monats Juli 2022 am 31.12.2025 verjährt ist, denn die Frist beginnt erst am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Dagegen verjährt das Stammrecht auf eine Betriebsrente erst nach 30 Jahren (§ 18a Satz 1 BetrAVG). 

Beispiel: Wenn die Betriebsrente am 1. Juli 2022 erstmals an eine 67-jährige Versorgungsberechtigte zu zahlen ist, diese aber die Betriebsrente beim ehemaligen Arbeitgeber nicht beantragt, ist das generelle Recht auf die Betriebsrente erst am 31.12.2052 verjährt. Merke: Eine bAV ist i. d. R. eine Holschuld der Versorgungsberechtigten, keine Bringschuld der Arbeitgeber.

Erinnert sich die Versorgungsberechtigte anlässlich ihrer Feier zum 90. Geburtstag (am 30.6.2045) an die bAV ihres ehemaligen Arbeitgebers, so kann sie den grundsätzlichen Anspruch auf bAV immer noch geltend machen. Aufgrund der allgemeinen Verjährung der einzelnen Rentenrate, sind aber alle Renten, die vor dem 01.01.2042 hätten gezahlt werden sollen, bereits verjährt. Die Rente ist also rückwirkend ab dem 1.1.2042 zu zahlen.

Die Rentenanpassung – auch die einzelne Anpassung – unterliegt der allgemeinen Verjährung (drei Jahre), die generelle Verpflichtung zur Anpassung jedoch erst nach 30 Jahren. Es wäre also zu ermitteln, in welchem Umfang der Arbeitgeber zur Erhöhung der laufenden Renten verpflichtet ge-wesen wäre, wenn diese in der Zeit vom 1.7.2022 bis zum 30.6.2042 tatsächlich zur Auszahlung gekommen wäre. Der betreffende Umfang wäre - soweit sich die Rentenanpassung bei dem Versorgungswerk nach § 16 Abs. 1 BetrAVG richtet und kein Ausnahmetatbestand des § 16 Abs. 3 BetrAVG greift - unter Beachtung der Belange des Versorgungsberechtigten und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers in der Zeit vom 1.7.2022 bis zum 31.12.2041 - zu bestimmen. Ein Anspruch bestünde dann rückwirkend zum 1.1.2042 auf eine entsprechend erhöhte Rente (und ggf. weitere Rentenanpassungen bis zum 1.7.2045). 

Aufbewahrungsfristen für Geschäftsunterlagen
Im Handelsgesetzbuch (§ 257 HGB) und in der Abgabenordnung (§ 147 AO) ist geregelt wie lange kaufmännische Dokumente aufbewahrt werden müssen. Demnach gilt zum Beispiel, dass geschäftliche Unterlagen, die als Buchungsgrundlage dienen – also etwa Bilanzen, Lohnsteuerunterlagen, Rechnungen und andere Buchungsbelege, aber auch bestandskräftige Steuerbescheide – von Unternehmen zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Für andere steuerlich relevante Unterlagen gilt dagegen nur eine Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren, beispielsweise für Reisekostenabrechnungen oder Arbeitszeitlisten und Ähnliches.

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das „Recht auf Vergessen“ …
Aus Sicht der DSGVO ist nicht die Frage wie lange muss etwas aufbewahrt werden, sondern vielmehr, wie lange darf etwas aufbewahrt werden. Personenbezogene Daten dürfen demnach gemäß Art. 5 Abs. 1 DSGVO nur für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke verarbeitet und somit gespeichert beziehungsweise aufbewahrt werden. Das bedeutet: Fällt die Zweckbindung weg, dürfen diese Daten nicht weiter verarbeitet und nicht aufbewahrt werden. Aus der DSGVO ergibt sich also ein unmittelbarer Zwang zur Löschung von Daten.

Und wie passt das mit der bAV zusammen?
Die Aufbewahrung von Mitarbeiterdaten um etwaige Betriebsrentenansprüche nachvollziehen beziehungsweise nachweisen zu können, sollte nach unserer Einschätzung den eindeutigen und legitimen Zwecken der Datenaufbewahrung entsprechen. Eine Löschung der personenbezogenen Daten ehemaliger Arbeitnehmer nach Ablauf von z. B. zehn Jahren ist somit sowohl aus Arbeitgeber als auch aus Sicht der Versorgungsberechtigten nicht zu empfehlen, da das Rentenstammrecht, wie ausgeführt, erst nach 30 Jahren verjährt. 

Das voreilige „Recht auf Vergessen“, sollten die Beteiligten daher im Zusammenhang mit der bAV getrost vergessen …
 

Michael Hoppstädter, Geschäftsführer, Longial