24. Februar 2021
… dass man eine bAV auch vergessen kann?
Anders als vor ein oder zwei Generationen wechseln immer mehr Menschen während ihres Erwerbslebens mehrfach den Arbeitgeber. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber seit der Jahrtausendwende die Voraussetzungen dafür, dass man die erworbenen Anwartschaften beim Ausscheiden behält, kontinuierlich verbessert. Aktuell muss eine Versorgungszusage nur 3 Jahre bestehen und der Arbeitnehmer im Zeitpunkt seines Ausscheidens 21 Jahre alt sein, damit ihm der erdiente Anteil aufrechterhalten wird.
Auszahlung erfolgt nicht automatisch
Aber Vorsicht! Die Leistungsauszahlung ist kein Automatismus. Vielmehr muss der ehemalige Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen die Leistung geltend machen. Denn oft hat der ehemalige Arbeitgeber weder Kenntnis über den Eintritt des Versorgungsfalls noch die Möglichkeit, aufgrund von Umzügen, Namensänderungen etc. mit dem Versorgungsberechtigten oder seinen Hinterbliebenen Kontakt aufzunehmen.
Vergessene bAV vor Gericht
In einem kürzlich vom Arbeitsgericht Hannover entschiedenen Fall hatte zum Beispiel ein Arbeitnehmer eine Betriebsrente über eine Unterstützungskasse zugesagt bekommen. Bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen im Jahr 1994 hatte er bereits ca. 11.000 Euro Jahresrente in Aussicht. Darüber wurde der Arbeitnehmer bei seinem Ausscheiden auch informiert. Aber nach mehreren Jobwechseln und dem Eintritt in den Ruhestand im Ausland hat der Versorgungsberechtigte diese Betriebsrente nicht beantragt und vermutlich einfach vergessen.
Nach seinem Tod im Jahr 2018 fanden seine Kinder die Unterlagen zur Betriebsrente. Da die Kinder selbst nicht mehr die Voraussetzungen für eine Waisenrente erfüllten, stellte sich die Frage, ob sie als Erben nicht zumindest teilweise noch aus der zugesagten Altersleistung profitieren könnten. Vor dem Arbeitsgericht Hannover wurde am 14.7.2020 schließlich nach einem Hinweis, dass die Erfolgsaussichten der Erben groß seien, ein Vergleich geschlossen. Da die Kinder als Erben die Gesamtrechtsnachfolge ihres Vaters angetreten hatten, wurde ihnen das Recht auf Auszahlung der Betriebsrente des Vaters übertragen. Aufgrund der geltenden Verjährungsfrist konnte die Betriebsrente daher noch für 3 Jahre rückwirkend geltend gemacht werden. Somit erhielten seine Kinder insgesamt 32.940 Euro – abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen – ausgezahlt.
Fazit
Auch Erben haben gute Chancen, im Rahmen der Verjährungsfristen nicht in Anspruch genommene Leistungen zu erhalten. Dies gilt auch dann, wenn sie selbst die Voraussetzungen für den Bezug einer Hinterbliebenenrente nicht oder nicht mehr erfüllen. Es gilt also: Augen auf beim Erbfall!
i Was ist zu tun?
- Wenn eine vorhandene unverfallbare Anwartschaft nach Erreichen der Altersgrenze des ursprünglich Versorgungsberechtigten nicht in Anspruch genommen wird, verjährt der gesamte Rentenanspruch, also das sogenannte Rentenstammrecht, erst nach 30 Jahren! Allerdings können die Ansprüche auf Auszahlung einzelner Rentenzahlungen, die länger als 3 Jahre zurückliegen, verjährt sein. Dabei ist wichtig, dass der Arbeitgeber regelmäßig nicht gehalten ist, aktiv die Rentenauszahlung zu bewirken. In einem solchen Fall sollten im Zweifel beide Seiten einen entsprechenden Experten einbinden, um unnötige Rechtstreitigkeiten und Kosten zu vermeiden.
Weitere Infos unter: weitblick@longial.de
Bernd Wilhelm-Werkle, LL.M., Leiter Recht/Channel- und Versorgungsträger-Management
(Zu seinen Schwerpunkten zählt die Beratung komplexer Rechts- und Steuerfragen der betrieblichen Altersversorgung)