04. Dezember 2019

Die bAV im Jahreswechsel: Was war 2019 – was kommt 2020?

Sozialpartnermodell, ein Staatsfonds zur Altersvorsorge, eine säulenübergreifende Renteninformation und das ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Bewertung von Pensionsverpflichtungen: auch zum Jahreswechsel gibt es reichlich Diskussionspunkte rund um die bAV.


Sozialpartnermodell: Im Startblock stecken geblieben?

Ob „Die Deutsche Betriebsrente“, „Initiative Vorsorge“ oder „Rentenwerk“ – an Anbieterkonsortien mit Lösungen für die bAV im Sozialpartnermodell mangelt es nicht. Bis vor kurzem sah es allerdings danach aus, als ob das im Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) verankerte Modell der reinen Beitragszusage ohne Garantien im Startblock stecken bleiben würde. Doch ver.di bereitete Mitte Oktober der Spekulation ein Ende und kündigte an, auf Basis eines Haustarifvertrages bei der Talanx AG mit „Die Deutsche Betriebsrente“ ein Sozialpartnermodell zu implementieren. Auch der Konsortialführer der Kooperation, die Zurich Gruppe Deutschland, plant, seinen Mitarbeitern ein solches Modell anzubieten. Ob das tatsächlich der Durchbruch beim Sozialpartnermodell ist, bleibt abzuwarten. Es wäre jedoch wünschenswert, wenn nach diesem Startschuss kurzfristig weitere Sozialpartner folgen – auch wenn zuletzt zu lesen war, dass erst 2021 weitere Sozialpartnermodelle eingerichtet werden sollen. Aktuelle Diskussionen und Vorstöße, beispielsweise zur privaten Altersvorsorge der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), zeigen, wie wichtig ein signifikanter Ausbau bei der Verbreitung der bAV ist. Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen droht ansonsten ein sogenanntes Obligatorium. Viele Experten gehen davon aus, dass mit dem „Verlässlichen Generationenvertrag“, den die Rentenkommission im März 2020 vorstellen wird, eben diese Lösung vorgeschlagen wird. Im Interesse aller Beteiligten sollte dies vermieden werden – denn mit diesen zusätzlichen gesetzlichen Fakten wird der Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers empfindlich eingeschränkt.

Staatliche Fonds als bAV-Alternative?

Staatlich oder zentral organisierte Altersvorsorgelösungen wie Deutschlandrente, Bürgerfonds, Extra-Rente oder ganz allgemein ein Staatsfonds scheinen die Lösung aller Schwierigkeiten zu sein. Der norwegische Staatsfonds wird dabei oft als leuchtendes Beispiel angeführt. Dabei handelt es sich um einen Pensionsfonds, der die Erdöl- und Erdgaseinnahmen des Landes langfristig und breit gestreut weltweit anlegt, mit dem Ziel finanziellen Wohlstand für künftige Generationen zu sichern beziehungsweise auszubauen. Die Erträge werden beispielsweise zur Finanzierung von Sozialleistungen des Staates verwendet. Ein deutscher Staatsfonds könnte sich daran orientieren, und / oder seinen Schwerpunkt auf deutsche und europäische Unternehmen und Infrastrukturprojekte legen, und somit einen gewichtigen Beitrag zum Auf- bzw. Ausbau einer europäischen Kapitalmarktunion leisten. Auch hier könnten die Erträge beispielsweise zur Stärkung der gesetzlichen Altersversorgung verwendet werden. Ein solcher Staatsfonds ist aber weit weg von den hierzulande diskutierten staatlichen bAV-Lösungen. Daher sollte der Fokus mehr auf der Verbreitung in der heutigen Form – fünf Durchführungswege und mit der reinen Beitragszusage nun vier Zusageformen – liegen. Damit werden alle Anforderungen an eine attraktive bAV, sowohl die der Arbeitgeber als auch die der Arbeitnehmer, erfüllt. Weder ein Obligatorium noch gesetzlich geregelte Lösungen können im Interesse aller aktuell Beteiligten sein.

Wann kommt der Renten-Überblick?
Über die Notwendigkeit einer säulenübergreifenden Renteninformation besteht Einigkeit. Doch der Weg dahin scheint steinig und ein konkreter Zeitpunkt, wann sie Arbeitnehmern wirklich zur Verfügung gestellt werden kann, in weiter Zukunft. Die Bundesregierung sitzt aktuell an einem Grundkonzept zu dieser Renteninformation. Anschließend müssen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Dazu zählt beispielsweise, welche Organisation Träger der Renteninformation werden soll und wie die Pläne umgesetzt werden können. Mit dem Start einer Pilotphase ist frühestens in zwei Jahren zu rechnen. Danach wird nochmals viel Zeit vergehen, bis Arbeitnehmer flächendeckend eine Renteninformation in Händen halten, die mehr als nur die Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung ausweist. In Anbetracht der Komplexität ist das aber nicht überraschend.

Sind 6 Prozent Rechnungszins verfassungskonform?
Eine gravierende Auswirkung für Unternehmen hat das für 2020 erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ob für die steuerliche Bewertung von Pensionsverpflichtungen ein Rechnungszins von 6 Prozent, wie § 6a Einkommensteuergesetz aktuell vorschreibt, mit der Verfassung vereinbar ist. Während Unternehmen in der Handelsbilanz zum 31.12.2019 mit einem Rechnungszins von ca. 2,7 Prozent rechnen müssen, sind für die steuerliche Bewertung 6 Prozent gesetzlich vorgeschrieben. Unter Berücksichtigung, dass 1 Prozent weniger Zins zu 10 bis 15 Prozent höheren Rückstellungen führt, wird deutlich, dass die aktuelle Regelung einer Besteuerung von Scheingewinnen gleichkommt. Ob die Verfassungsrichter bei der Bewertung der Verfassungsmäßigkeit des Rechnungszinses von 6 Prozent das aktuelle Zinsniveau am Kapitalmarkt zum Maßstab machen, bleibt jedoch abzuwarten. Denn nur dann ist die Argumentation um Besteuerung von Scheingewinnen der Fall. Orientieren sich die Verfassungsrichter dagegen beispielsweise an einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung, könnte es durchaus bei der aktuellen Rechtslage bleiben.

Michael Hoppstädter, Geschäftsführer, Longial