25. August 2021
Die bAV im Wahljahr – Der Trend zu staatlich organisierten Kapitalfonds: ein Kommentar
Kann es der Staat überhaupt?
Es lohnt sich, mal genauer hinzusehen, wie so ein Staatsfonds funktioniert und was er bewirken kann. In den letzten Wochen ging der Blick gerne Richtung Schweden. Der dortige Staatsfonds (vielmehr Pensionsfonds) ist erst im Jahr 2000 gegründet worden, mit einem Volumen von etwa 80 Mrd. Euro, aber mittlerweile der größte europäische Investmentfonds – und das bei einer Bevölkerung von etwas mehr als 10 Mio. Menschen. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es fast 16,4 Mio. Riester-Verträge – Tendenz sinkend, wovon nach Schätzungen nur noch die Hälfte mit Beiträgen in Höhe von insgesamt circa 11,6 Mrd. Euro (Stand 2017) bedient wird. Und erfolgreich ist der schwedische Staatsfonds auch: Die Rendite liegt nach Angaben von Richard Gröttheim, der den Fonds seit der Gründung leitet, bei durchschnittlich 11 Prozent pro Jahr.
Die häufig geäußerte Ansicht, der Staat sei der schlechtere Asset-Manager, gilt nicht für Schweden. Die privaten Mitbewerber – in Schweden dürfen die Menschen aus verschiedenen Angeboten auswählen – haben im Durchschnitt nur 7 Prozent Rendite pro Jahr erreicht. Auch die Bedenken, der Staat könne teurer sein als private Unternehmen, gelten in Schweden nicht: Während bei privaten Wettbewerbern Kosten in Höhe von circa 0,35 Prozent des Anlagevolumens anfallen, sind es im Staatsfonds nur 0,075 Prozent, also weniger als ein Viertel.
Deutschland kann es auch!
Es ist allerdings nicht so, dass staatliche Pensionsfonds in Deutschland völliges Neuland sind. Im Gegenteil: Schon 1998 wurde im Bundesbesoldungsgesetz die Ansammlung einer Versorgungsrücklage zur (Teil-)Finanzierung der späteren Beamtenpensionen beschlossen. Seitdem hat sich zwar wieder viel geändert, aber der Bund und immerhin elf Bundesländer haben die Versorgungsrücklagen mittlerweile in eigene Pensionsfonds überführt. Alleine der Pensionsfonds des Bundes verfügt über Vermögenswerte in Höhe von mehr als 8 Mrd. Euro (Stand Juni 2021).
Risiken und Nebenwirkungen beachten!
Natürlich ist auch bei Staatsfonds nicht alles Gold, was glänzt. Es gibt durchaus Risiken und Nebenwirkungen. So muss ein Staatsfonds unbedingt vor politischen Begehrlichkeiten der Zukunft geschützt werden. Dafür sind größtmögliche gesetzgeberische Hürden notwendig, die eine Umwidmung der vorhandenen Vermögenswerte von vornherein ausschließen. In Irland und Spanien hat man das für die dortigen staatlichen Pensionsfonds leider versäumt.
Kritiker wenden darüber hinaus ein, dass die von den Staatsfonds genannten Kostenquoten nicht die volle Wahrheit abbilden. Denn häufig übernehmen Staatsbedienstete die Verwaltung, deren Gehaltskosten aber nicht berücksichtigt werden. Auch die Rentenzahlungsphase und die dabei entstehenden Kosten fallen häufig unter den Tisch.
Und: Die Deutschen müssten aushalten, wenn das Vermögen des Staatsfonds sich mal verringert. Etwa aufgrund einer Finanzkrise, wie 2009/2010, einer Wirtschaftskrise, etwa wegen der Corona-Pandemie, oder einer Korrektur am Kapitalmarkt, wie bei der Internet- und Tech-Blase am Aktienmarkt um die Jahrtausendwende. Das wird schwer, gehört aber vielleicht zur Finanzerziehung dazu, wie schon André Kostolany sagte: „An der Börse sind zwei mal zwei niemals vier, sondern fünf minus eins. Man muss nur die Nerven haben, das minus eins auszuhalten.“
Vorsicht vor Illusionen
Natürlich ist es naiv zu glauben, dass mit dem Einstieg in einen Staatsfonds die Rentenprobleme von jetzt auf gleich gelöst sind – natürlich nicht! Es wird mindestens 20 Jahre brauchen, bis erste Leistungen als ergänzende Altersversorgung an die Rentner ausgezahlt werden können.
Und natürlich ist es auch illusorisch zu glauben, dass man ein hochkomplexes Gebilde wie das deutsche Rentensystem einfach so, von heute auf morgen, mal eben von Umlageverfahren auf Kapitaldeckung umstellen kann. Aber das ist ja auch gar nicht das Ziel. Es geht um den Einstieg in einen Baustein der Versorgung, der kapitalgedeckt ist. Wobei „Einstieg“ natürlich nicht ganz richtig ist, in Anbetracht der schon erwähnten Beamtenpensionsfonds des Bundes und der meisten Länder oder auch der Riester-Rente. Die Riester-Rente sollte ja der Einstieg in einen ergänzenden, kapitalgedeckten Baustein der Altersvorsorge für alle Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherung Bund) sein. Wie gut, dass sich (fast) alle Parteien auch zur Riester-Rente einig sind – irgendetwas zwischen Optimieren, Reformieren oder Abschaffen wird für dringend erforderlich gehalten.
Kein Allheilmittel – sinnvolle Ergänzung
Für mich bietet der Einstieg in einen staatlichen Pensionsfonds mehr Chancen als Risiken. Aber natürlich ist das kein Allheilmittel, sondern nur eine sinnvolle Ergänzung. Bei der Vermögensbildung rät man den Menschen, nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern breit zu streuen. Für mich gilt das auch für die staatlich organisierte Altersversorgung. Die gesetzliche Säule im Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge ist heute ein ausschließlich umlagefinanziertes System. Durch einen ergänzenden staatlichen Pensionsfonds wird sie dicker, stabiler, tragfähiger. Aber für eine Vorsorge, die den erreichten Lebensstandard auch im Alter sichert, wird die gesetzliche Rente selbst mit einem ergänzenden Staatsfonds nicht ausreichen. Daher muss es zwingend bei den bewährten Säulen der betrieblichen und privaten Altersvorsorge bleiben! Insbesondere in der bAV kann (oder vielmehr muss) hier noch viel zur Vereinfachung und Attraktivität und damit Steigerung der Verbreitung vom Gesetzgeber getan werden.
Nun, was meinen Sie? Wie würden wir heute die Diskussion führen, wenn wir es den Schweden vor 20 Jahren mit vergleichbarem Erfolg gleichgetan hätten? Was wäre, wenn?
Michael Hoppstädter, Geschäftsführer, Longial
(Seit 1993 im Bereich der betrieblichen Altersversorgung aktiv. Als Dozent | Referent für die Campus Institut AG im Studium Betriebswirt bAV (FH), die Deutsche Makler Akademie und weitere mehr tätig.)