19. November 2019
Die bAV zwischen den Jahren: Was war 2019 – was kommt 2020?
Sozialpartnermodell, ein Staatsfonds zur Altersvorsorge, eine säulenübergreifende Renteninformation und das ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Bewertung von Pensionsverpflichtungen mit einem aktuellen Rechnungszins von 6 Prozent – Diskussionspunkte gab und gibt es rund um die bAV auch im neuen Jahr. Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Longial GmbH, kommentiert die wichtigsten Themen von 2019 und 2020.
Sozialpartnermodell: Im Startblock stecken geblieben?
Ob „Die Deutsche Betriebsrente“, „Initiative Vorsorge“ oder „Rentenwerk“ – Anbieterkonsortien mit Lösungen für die bAV im Sozialpartnermodell gibt es einige. Doch bis vor kurzem sah es danach aus, als ob das im Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) verankerte Modell der reinen Beitragszusage ohne Garantien im Startblock stecken bleiben würde. Bis ver.di Mitte Oktober verkündete, auf Basis eines Haustarifvertrags bei der Talanx AG mit „Die Deutsche Betriebsrente“ ein Sozialpartnermodell zu implementieren. Auch der Konsortialführer der Kooperation, die Zurich Gruppe Deutschland, plant, seinen Mitarbeitern ein solches Modell anzubieten. „Ist das tatsächlich der Durchbruch beim Sozialpartnermodell“, fragt sich Michael Hoppstädter. „Es ist zu hoffen, dass nach dem Startschuss kurzfristig auch andere Sozialpartner folgen werden. Zuletzt war aber zu lesen, dass erst 2021 weitere Sozialpartnermodelle eingerichtet werden sollen.“ Wie wichtig ein signifikanter Ausbau bei der Verbreitung der bAV ist, zeigen aktuelle Diskussionen und Vorstöße, etwa zur verpflichtenden privaten Altersvorsorge der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Stockt der Ausbau der bAV insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, droht ein sogenanntes Obligatorium. Viele Experten gehen davon aus, dass mit dem „Verlässlichen Generationenvertrag“, den die Rentenkommission im März 2020 vorstellen wird, eben diese Lösung vorgeschlagen wird. „Es sollte im Interesse aller Beteiligten sein, dies zu vermeiden“, so der Longial Geschäftsführer, „denn damit werden gesetzliche Fakten geschaffen, die den Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers empfindlich einschränken werden.“
Staatliche Fonds als bAV-Alternative?
Staatlich oder zentral organisierte Altersvorsorgelösungen wie Deutschlandrente, Bürgerfonds oder Extra-Rente scheinen die Lösung aller Schwierigkeiten zu sein. „Mir gefällt die Vorstellung eines deutschen Staatsfonds, beispielsweise nach norwegischem Vorbild“, sagt Hoppstädter. Der norwegische Staatsfonds ist ein Pensionsfonds, der die Erdöl- und Erdgaseinnahmen des Landes langfristig weltweit anlegt, meist in Aktienpakete führender börsennotierter Unternehmen. Übertragen auf Deutschland würde das bedeuten, Investitionen vorrangig in deutsche und europäische Unternehmen und Infrastrukturprojekte zu tätigen, zum Auf- und Ausbau einer Kapitalmarktunion. Diese Mittel könnten auch zur Stärkung der gesetzlichen Altersversorgung verwendet werden. „Aber ein solcher Staatsfonds ist natürlich etwas ganz anderes als die hier diskutierten staatlichen bAV-Lösungen. Aus meiner Sicht sind alle bAV-Player gut beraten, den Fokus auf die Verbreitung in der heutigen Form zu legen“, meint der Longial Geschäftsführer: „Fünf Durchführungswege, und mit der reinen Beitragszusage nun vier Zusageformen, erfüllen alle Anforderungen an eine attraktive bAV, sowohl die der Arbeitgeber als auch die der Arbeitnehmer. Weder ein Obligatorium noch gesetzlich geregelte Lösungen können im Interesse aller aktuell Beteiligten sein.“
Wann kommt der Rentenüberblick?
Über die Notwendigkeit einer säulenübergreifenden Renteninformation besteht Einigkeit. Doch der Weg dahin scheint steinig und ein konkreter Zeitpunkt, wann sie Arbeitnehmern wirklich zur Verfügung gestellt werden kann, in weiter Zukunft: „Aktuell sitzt die Bundesregierung an einem Grundkonzept zu dieser Renteninformation“, informiert der Longial Geschäftsführer. Anschließend müssen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, etwa welche Organisation Träger der Renteninformation werden soll und wie die Pläne umgesetzt werden können. „Das wird dauern“, meint Hoppstädter. „Mit dem Start einer Pilotphase ist frühestens in zwei Jahren zu rechnen. Bis die Arbeitnehmer flächendeckend eine Renteninformation in Händen halten die mehr als nur die Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung ausweist wird nochmals viel Zeit vergehen. Das ist bei der Komplexität des Themas aber auch nicht verwunderlich.“
Sind 6 Prozent Rechnungszins verfassungskonform?
Für 2020 wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage erwartet, ob für die steuerliche Bewertung von Pensionsverpflichtungen ein Rechnungszins von 6 Prozent, wie § 6a Einkommensteuergesetz aktuell vorschreibt, mit der Verfassung vereinbar ist. Für Unternehmen hat diese Entscheidung gravierende Auswirkungen. In der Handelsbilanz müssen Unternehmen zum 31.12.2019 mit einem Rechnungszins von ca. 2,7 Prozent rechnen, während für die steuerliche Bewertung 6 Prozent gesetzlich vorgeschrieben sind. „Wenn man berücksichtigt, dass 1 Prozent weniger Zins zu 10 bis 15 Prozent höheren Rückstellungen führt, wird deutlich, dass die aktuelle Regelung einer Besteuerung von Scheingewinnen gleichkommt“, so Hoppstädter. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Verfassungsrichter bei der Bewertung der Verfassungsmäßigkeit des Rechnungszinses von 6 Prozent das aktuelle Zinsniveau am Kapitalmarkt zum Maßstab machen. „Nur in diesem Fall trifft die Argumentation um Besteuerung von Scheingewinnen ins Schwarze. Orientieren sich die Verfassungsrichter aber beispielsweise an einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung, dann könnte es durchaus auch bei der aktuellen Rechtslage bleiben“, kommentiert der Longial Geschäftsführer.