24. Mai 2023

Einstandspflicht des Arbeitgebers, wenn eine Pensionskasse die Leistungen senkt; kein Grundrechtseingriff beim Arbeitgeber

BAG-Urteil vom 14.3.2023 – 3 AZR 197/22


Der Fall 
Die Klägerin befindet sich seit mehreren Jahren im Ruhestand und bezieht eine monatliche Altersrente in bestimmter Höhe aus einer Versorgung. Im Jahr 2019 teilte die Pensionskasse der Caritas VVaG (PKC) der Rentnerin mit, dass sich die Rentenansprüche verringern. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.2.2020 machte die Rentnerin den Ausgleich der Differenzen bei der Arbeitgeberin geltend. Eine Zahlung oder Anerkennung erfolgte nicht. Vielmehr berief sich die Arbeitgeberin darauf, dass der damalige Arbeitsvertrag keine konkrete Zusage hinsichtlich einer bestimmten Art der Altersversorgung oder gar bezüglich einer bestimmten Versorgungsleistung enthalten habe. Sie habe sich mithin nicht verpflichtet, für einen bestimmten Versorgungserfolg einzustehen. Es liege schon daher keine Zusage einer Versorgung ‒ insbesondere im Sinne einer beitragsorientierten Leistungszusage ‒ vor. Vielmehr sei eine reine Beitragszusage gegeben. Zudem seien etwaige Leistungen der Beklagten als Arbeitgeberin von vorneherein nur im Umfang der Satzung zugesagt. Die Entstehung eines Versorgungsanspruchs sei damit vom Satzungsrecht der PKC abhängig gemacht worden.

Die Klägerin beruft sich auf eine Einstandspflicht nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG).

Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat der Klägerin – wie auch schon die anderen Instanzen – Recht gegeben. Urteilsgründe liegen derzeit noch nicht vor.

Einstandspflicht des Arbeitgebers aus dem Gesetz
Sowohl das Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht haben ausgeführt, dass sich eine Haftung aus dem Betriebsrentengesetz ergebe (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG), wonach der Arbeitgeber für die Erfüllung der Leistungen auch einstehe, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. Der extern eingeschaltete Versorgungsträger sei nur ein Instrument des Arbeitgebers zur Erfüllung seiner arbeitsrechtlichen Versorgungsverpflichtung. Hier hatte sich die Arbeitgeberin der Pensionskasse bedient, die ihre Leistungen gemäß ihrer Satzung reduzieren durfte.

Kein Zweifel an einer beitragsorientierten Zusage
Hätte der Arbeitgeber lediglich zusätzliche Zahlungen während des aktiven Arbeitslebens versprochen, die ‒ vergleichbar mit vermögenswirksamen Leistungen ‒ zur Bildung von Vermögen oder von Versorgungsanwartschaften an Dritte auszuzahlen sind und bei denen der Arbeitnehmer das volle Anlage- und Insolvenzrisiko trägt, bestünde keine Einstandspflicht. Hier wurden dagegen künftige Versorgungsleistungen in bestimmter beziehungsweise bestimmbarer Höhe versprochen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bringt der Arbeitgeber mit der Anmeldung zu einer Pensionskasse konkludent zum Ausdruck, eine Versorgung auf Grundlage der von ihm zu zahlenden Beiträge durch dieselbe zu versprechen und damit eine beitragsorientierte Leistungszusage zu erteilen (vergleiche BAG-Urteil vom 13.12.2016 ‒ 3 AZR 342/15).

Eine dynamische Verweisung des Arbeitgebers auf die Satzung der Pensionskasse berechtigt nicht zu beliebigen Eingriffen in die Besitzstände der Arbeitnehmer
Vielmehr unterliegt das Gebrauchmachen von einem in der dynamischen Verweisung liegenden Änderungsvorbehalt einer Rechtskontrolle. Der Arbeitgeber darf sich also die Kürzungsmöglichkeiten, die die Pensionskasse hat, nicht einfach zu eigen machen und ebenfalls jegliche Haftung damit ausschließen. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit dürfen nicht verletzt werden. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die Gründe, die den Eingriff rechtfertigen sollen, umso gewichtiger sein müssen, je stärker der Besitzstand ist, in den eingegriffen wird. Das gilt auch, wenn die Versorgungszusage durch eine dynamische Verweisung auf die Regelungen eines externen Durchführungsweges – hier die Satzung und die Tarifbestimmungen einer Pensionskasse – ausgestaltet ist. Das BAG knüpft hier also wieder an das von ihm entwickelte Drei-Stufen-Modell an, nach dem es schwierig ist, in erdiente Besitzstände einzugreifen.

Auf die wirtschaftliche Lage der Pensionskasse kann sich die Arbeitgeberin also nicht berufen. Zu bei ihr selbst vorliegenden gewichtigen Gründen für eine Kürzung der Leistungen hat die Arbeitgeberin nichts vorgetragen.

Liegt ein Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit des Arbeitgebers vor? 
Das Berufungsgericht beschäftigte sich zudem mit der Frage, ob im Rahmen des Grundrechts in Artikel 12 Grundgesetz die Auslegung zur Bejahung einer übernommenen Einstandspflicht und damit einer Doppelbelastung nur dann erlaubt ist, wenn deutliche vertragliche Anhaltspunkte für einen entsprechenden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers bestehen. 

Das BAG dürfte hier keinen grundrechtlichen Verstoß angenommen haben. Es bleiben die Gründe im Einzelnen abzuwarten.

Fazit: 

Das BAG setzt seine Rechtsprechung zur Einstandspflicht des Arbeitgebers bei Reduzierung der Leistungen eines externen Versorgungsträgers fort. Eingriffe in die Versorgungszusagen im Versorgungsfall dürften nur dann vom Arbeitgeber vorgenommen werden, wenn beim ihm gewichtige Gründe vorliegen, die die Interessen der Versorgungsberechtigten dahinter zurückstehen lassen.

Anja Sprick, Justiziarin, Recht | Steuern, Longial