01. Dezember 2021
Entgeltumwandlung auch nach der Pfändung mit dem Arbeitgeber vereinbar
Der Fall
Der Kläger ist der geschiedene Ehemann der Arbeitnehmerin und klagt gegen deren Arbeitgeberin. Die Arbeitnehmerin schuldete ihrem Ehemann aus einem laufenden Bauprozess circa 23.000 Euro. Der Ehemann erwirkte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über das gegenwärtige und künftige Arbeitseinkommen seiner Ex-Ehefrau. Circa sechs Monate später schlossen Arbeitnehmerin und -geberin eine Entgeltumwandlungsvereinbarung zugunsten einer Direktversicherung. Die Monatsprämie belief sich auf 248 Euro. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Entgeltumwandlung das pfändbare Einkommen seiner Ex nicht reduziere und er mehr Einkommen pfänden könne.
Die Entscheidung
Die Revision der Beklagten war erfolgreich. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) vertritt die Ansicht, dass wenn der Arbeitnehmer auf Bezüge verzichtet und stattdessen eine wertgleiche Versorgungszusage erhält, die Bezüge nicht zu dem pfändbaren Arbeitseinkommen (im Sinne von § 850 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)) zählen. Daran ändert der Umstand, dass die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses getroffen wurde, nichts. Der Grund: Es besteht grundsätzlich ein Recht auf Entgeltumwandlung (§ 1a Abs. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG)), von dem Gebrauch gemacht werden darf, und der im Gesetz vorgesehene Betrag wurde nicht überschritten. Die von Arbeitnehmerin mit der Arbeitgeberin getroffene Entgeltumwandlungsvereinbarung stellt daher keine Verfügung dar, die den Kläger als Gläubiger benachteiligt (im Sinne von § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO) . Sie verstößt auch nicht gegen sonstige Pfändungsvorschriften (hier § 850h ZPO). Ob eine andere Bewertung dann geboten ist, wenn – anders als hier – ein höherer Betrag als der in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgesehene umgewandelt wird, musste der Senat nicht entscheiden.
Fazit
Das BAG hält an seiner Auffassung fest, dass Bezüge, auf die ein Arbeitnehmer zugunsten einer Entgeltumwandlung verzichtet, nicht zum pfändbaren Arbeitseinkommen gehören. Neu ist, dass die Entgeltumwandlung auch nach Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses noch vereinbart werden kann und hierin nicht automatisch eine Gläubigerbenachteiligung zu sehen ist. In einer früheren Entscheidung hatte das BAG erkannt, dass eine Entgeltumwandlung dann sittenwidrig sein kann, wenn sich der Versorgungsberechtigte hierdurch seiner Unterhaltspflichten entziehen will. In der Literatur wird unter anderem vertreten, dass eine Sittenwidrigkeit dann anzunehmen ist, wenn sie deshalb vorgenommen wurde, um dem Gläubiger eine zeitnahe Befriedigung seiner Forderung zu verwehren (so Höfer, BetrAVG Bd. 1, Kap. 7, Randnummer 265).
i Was ist zu tun?
- Arbeitgeber dürfen also auch nach Pfändung von Gehalt mit dem betroffenen Versorgungsberechtigten eine Entgeltumwandlungsvereinbarung im Rahmen des gesetzlichen Anspruchs schließen.
Weitere Infos unter: weitblick@longial.de
Anja Sprick, Justiziarin, Recht | Steuern, Longial
(Expertin für alle steuer- und arbeitsrechtlichen Fragen der bAV, insbesondere zu Auswirkungen bei Betriebsübergängen und Unternehmensverkäufen, der Versorgung von GGF, dem Geltungsbereich des BetrAVG).