17. Mai 2017

Ergänzung statt Ablösung: Betriebsrentenstärkungsgesetz Teil 2: Ausbau der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Förderung

Oberstes Ziel des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG): Die Verbreitung der bAV in Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) und bei Geringverdienern deutlich zu erhöhen. Denn gerade bei den Arbeitnehmern mit einem geringen Einkommen ist die Durchdringung mit einer bAV viel geringer als im Durchschnitt aller Arbeitnehmer.

Der erste Teil unserer Serie zum BRSG in Ausgabe 1/2017 hat sich mit dem Sozialpartnermodell beschäftigt. In diesem 2. Teil geht es um die steuerliche Förderung der bAV. Diese wird durch das BRSG weiter ausgebaut.

 

Zeitplan des Gesetzgebungsverfahrens
Vorab ein paar Worte zum Zeitplan des BRSG, der bei Veröffentlichung von Ausgabe 1/2017 noch nicht endgültig feststand: Zwischenzeitlich hat die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag stattgefunden. Auch eine Expertenanhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales ist am 27.3. erfolgt. Die zweite und dritte Lesung steht noch aus, im Bundesrat soll das BRSG vor der Sommerpause endgültig verabschiedet werden.

 

Die steuerliche Förderung der bAV: Status quo
Mit dem BRSG plant der Gesetzgeber Änderungen zu folgenden Bestimmungen: 

  • § 3 Nr. 63 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG): Steuerfreiheit der Beiträge bis 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) West
  • § 3 Nr. 63 Satz 3 EStG: zusätzliche Steuerfreiheit bis zu maximal 1.800 Euro
  • § 10a EStG (sogenannte „Riesterförderung“)

 

§ 3 Nr. 63 EStG
Mit dem BRSG wird die Regelung des § 3 Nr. 63 EStG komplett überarbeitet und vereinfacht. Die Grenze für steuerfreie Beiträge steigt auf 8 Prozent der BBG West an.

Kritiker führen aus, dass die Anhebung von 4 Prozent der BBG zuzüglich 1.800 Euro auf 8 Prozent der BBG nominal nur eine geringfügige Anhebung darstellt. Denn tatsächlich steigt das geförderte Beitragsvolumen am Beispiel der Zahlen für 2017 von 4.848 Euro auf 6.096 Euro, also um 1.248 Euro. Mehr geht sicher immer – und dies nimmt die Branche auch gerne an – aber ob eine solche Erhöhung für steuerfreies Sparen tatsächlich nur geringfügig ist, liegt sicher im Auge des Betrachters. Aus unserer Sicht besteht der Vorteil der Erhöhung auf 8 Prozent der BBG insbesondere in der Vereinfachung des § 3 Nr. 63 EStG und der nun geltenden Dynamik über den Gesamtbetrag.

Die Schwäche liegt in diesem Punkt nicht im steuerlichen Bereich, sondern bei der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Beiträge. Denn die Erhöhung von 4 Prozent auf 8 Prozent gilt nur für die steuerliche Seite, nicht für die sozialversicherungsrechtliche. Für die Sozialversicherung bleibt es dabei, dass in der Ansparphase „nur“ 4 Prozent der BBG von Sozialversicherungsbeiträgen befreit sind.

Unter Berücksichtigung des Ziels des BRSG, Geringverdiener zu unterstützen, ist gerade hier die Kritik angebracht – denn von Beitragsentlastungen profitieren ja gerade geringe Einkommen. Bekanntlich fallen Beiträge für die Sozialversicherung ab dem ersten Euro an, während steuerliche Vorteile bei einem progressiven Steuertarif sich umso deutlicher auswirken, je höher das Einkommen ist. Zur Ehrenrettung der Bundesregierung sei aber gesagt, dass ihr dieser Punkt durchaus bewusst ist. Doch aufgrund der Kassenlage, insbesondere der Kranken- und Pflegeversicherung, ist es schlicht nicht finanzierbar, die Erhöhung auf 8 Prozent auch auf die Sozialversicherungsbeiträge auszuweiten. 

 

§ 10 a EStG („Riesterförderung“)
Die Riesterförderung spielt in der bAV bislang kaum eine Rolle. Das liegt aber weniger an den steuerlichen als vielmehr an den aktuell geltenden sozialversicherungsrechtlichen Spielregeln. Denn momentan unterliegen Leistungen aus einem im Rahmen der bAV eingerichteten „Riestervertrag“ der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Das ist bei privaten Riesterverträgen nicht der Fall.

Dieser Nachteil wird durch das BRSG abgeschafft. Auch auf Leistungen betrieblicher Riesterverträge müssen künftig keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mehr entrichtet werden. Darüber hinaus wird die Riesterzulage von maximal 154 Euro auf maximal 165 Euro angehoben.

Weniger die höhere steuerliche Förderung als vielmehr die sozialversicherungsrechtliche „Begradigung“ könnte der betrieblichen Riesterversorgung zum Durchbruch verhelfen. Denn die Riesterförderung in Form der direkten Zulage hilft insbesondere Geringverdienern, denen ein hoher steuerlicher Vorteil eher weniger bringt. Hier könnte der Gesetzgeber mit einem unkomplizierten Zulagenverfahren unterstützen. 

 

Zusätzliche steuerliche Erleichterungen
Der Gesetzgeber widmet sich zusätzlich noch steuerlichen Detailfragen: 

  • Die sogenannte Vervielfältigungsregelung (bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses):
    Konnten bislang 1.800 Euro x Dienstjahre ./. tatsächlich genutzte steuerfreie Beiträge des laufenden und der 6 vorangegangenen Dienstjahre im Rahmen einer Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses steuerfrei in eine bAV investiert werden, so sieht das BRSG hier eine deutliche Vereinfachung und auch eine deutliche Ausweitung vor. Demnach können ab dem 1.1.2018 bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bis zu 4 Prozent der BBG des Jahres des Ausscheidens x maximal 10 Dienstjahre steuerfrei in eine bAV umgewandelt werden. 
  • Entgeltfreie Zeiten
    Für bis zu 10 Jahre entgeltfreier Zeiten, also zum Beispiel Elternzeit, Sabbaticals, Auslandsentsendungen, können steuerfreie Nachzahlungen zum Aufbau einer bAV vorgenommen werden. Dabei sind 4 Prozent der BBG x maximal 10 Jahre steuerfreie Einzahlung zulässig. Maßgeblich ist ausschließlich die BBG im Jahr der Zahlung, nicht im Jahr der Entgeltfreiheit. Damit sind auch Nachzahlungen einige Jahre nach der Rückkehr, etwa aus der Elternzeit beziehungsweise der Rückkehr aus dem Ausland, möglich.

 

Geringverdiener
Als Geringverdiener definiert das BRSG Arbeitnehmer, die weniger als 24.000 Euro jährlich oder 2.000 Euro im Monat brutto verdienen. Gerade in dieser Arbeitnehmergruppe spielt die bAV bisher kaum eine Rolle. Die Gründe für die geringe Nutzung liegen auf der Hand: Zum einen fehlt es schlicht an der Möglichkeit, von dem niedrigen Einkommen auch noch Beiträge zu einer Altersversorgung aufzuwenden – steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Förderung hin oder her. Zum anderen haben diese Arbeitnehmer häufig die Sorge, dass sie im Alter auf die Grundsicherung angewiesen sein und alle zusätzlichen Einkommen, also auch Betriebsrenten, in diesem Fall auf die Grundsicherung angerechnet werden. Wozu dann heute Verzicht üben und sparen, wenn am Ende davon dann nichts beim Sparer ankommt?

Der Gesetzgeber reagiert mit einem Paradigmenwechsel: In § 82 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) XII wird erstmals ein Freibetrag eingeführt, bei dem das Einkommen nicht auf die Grundsicherung angerechnet wird. Im Detail bedeutet das, dass bis zu 202 Euro monatlich, die der für eine Grundsicherung Leistungsberechtigte aus einer zusätzlichen Altersversorgung erhält, nicht auf diese Sicherung angerechnet werden.

Sicherlich kann auch der Freibetrag von 202 Euro monatlich als zu gering kritisiert werden. Dennoch wird ein Anreiz geschaffen, der zeigt, dass sich Altersvorsorge für den Einzelnen lohnt, selbst wenn man im Alter auf Grundsicherung angewiesen sein sollte.

Zudem ist bei der Gruppe der Geringverdiener mit einem monatlichen Einkommen von bis zu 2.000 Euro zu berücksichtigen, dass die Sparraten, welche die Menschen aufwenden können, insbesondere auch in Anbetracht des aktuellen Kapitalmarktumfeldes, nur in sehr seltenen Fällen den Freibetrag von 202 Euro überschreiten werden.

Kritik ist eher an der Definition der „Geringverdiener“ angebracht: Die Grenze sollte eher bei 2.500 Euro monatlich beziehungsweise 30.000 Euro jährlich liegen. Auch eine Dynamik der Einkommensgrenze wäre zu begrüßen.

 

Zusätzliche Arbeitgeberförderung
Häufig fehlt es den Geringverdienern schlicht an den finanziellen Möglichkeiten, eine Altersversorgung aufzubauen. Daher will der Gesetzgeber auch für Arbeitgeber Anreize schaffen, hier aktiv zu werden. Wendet ein Arbeitgeber einen eigenen Beitrag zur bAV für Geringverdiener auf, wird dieser durch ein sehr unbürokratisches Verfahren steuerlich bezuschusst. Der Zuschuss beträgt 30 Prozent von maximal 480 Euro jährlich. Den Zuschuss erhält der Arbeitgeber direkt über die Lohnsteuer-Anmeldung, da er den Förderbetrag dort gesondert absetzen darf. Eine unbürokratische Lösung ohne unnötigen Formalismus!

Aber auch der unbürokratische Ansatz nützt nichts, wenn der Arbeitgeber keinen zusätzlichen Beitrag zur Altersvorsorge der Geringverdiener seines Unternehmens aufwendet. Hier ist sicherlich noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Darüber hinaus sind auch noch einige arbeitsrechtliche Aspekte wie die Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern höherer Einkommensklassen sowie die Einpassung in bereits bestehende Versorgungswerke individuell zu beleuchten. 

 

Fazit:
Der Gesetzgeber baut die steuerliche Förderung der bAV aus – das ist ausdrücklich zu begrüßen. Doch leider erstreckt sich der Ausbau kaum auf die sozialversicherungsrechtliche Seite. Positiv hervorzuheben ist außerdem  die spezielle Förderung von Geringverdienern.

Wir werden Sie über den Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens auf dem Laufenden halten. Für Fragen zu Details der einzelnen steuerlichen Maßnahmen stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Michael Hoppstädter, Geschäftsführer, Longial