08. August 2018
Erneute höchstrichterliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich (BGH-Urteil vom 7.3.2018 – XII ZB 408/14)
Dabei hatte sich das Gericht mit folgenden Fragen zu beschäftigen:
- Ob bei einer endgehaltsbezogenen Versorgung eine durch Eintritt des Leistungsfalls unverfallbar gewordene Veränderung nach dem Ende der Ehezeit bei der Teilung von bereits laufenden Renten zu berücksichtigen ist. Und ob dies dabei durch eine Anwartschaftsdynamik bedingt ist, die auf der allgemeinen Lohnentwicklung beruht.
- Wenn die Regelungen der Teilungsordnung den Pflichtigen bei der Kürzung seines Anrechts unangemessen benachteiligen, ist dann eine Bindungswirkung der familiengerichtlichen Entscheidung hinsichtlich eines gegebenenfalls nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens entstanden?
- Sind Rentenanpassungen nach § 16 Abs. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) bei der Ermittlung des Ausgleichswerts zu berücksichtigen?
Der Sachverhalt
Die gesetzliche Ehezeit der Ehegatten im zu klärenden Fall endete zum 30.6.1998. Die Ehe wurde im Juni 1999 rechtskräftig geschieden; der Versorgungsausgleich wurde zeitgleich abgetrennt und ausgesetzt. Der Ehemann und Antragsteller erwarb in der Ehezeit unter anderem endgehaltsbezogene Zusagen aus einer bAV. Ab Januar 2009 erhielt der Ehemann aus den Zusagen eine monatliche Rente. Im November 2011 erfolgte die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichs. Der Ausgleichswert der bereits laufenden Versorgung wurde berechnet auf Grundlage der Endgehälter bis zum tatsächlichen Renteneintritt im Januar 2009.
Anwartschaftsveränderung
In der zugrunde liegenden Entscheidung stellt der BGH fest, dass nachehezeitliche Veränderungen des Anrechts bis zum Eintritt des Versorgungsfalls aufgrund der allgemeinen Entwicklung von Löhnen und Gehältern bei endgehaltsbezogenen Versorgungen bereits im Wertausgleich bei der Scheidung zu berücksichtigen sind. Voraussetzung: Sie stehen bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich unverfallbar fest. Das Versprechen dieser Dynamik sei bereits in der Ehezeit erdient worden. Die nachehezeitliche Dynamik knüpfe an die in der Ehezeit angelegte Einkommensdynamik an und wirke folglich auf den Ehezeitanteil zurück.
Schutz des Ausgleichspflichtigen
Weiterhin betont der BGH, dass die Zuständigkeit für die Prüfung, ob die Teilungsordnung den Pflichtigen bei der Kürzung des Anrechts unangemessen benachteiligt, offen sei. Dies gelte trotz der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10.11.2015 – 3 AZR 813/14), dass die familiengerichtliche Entscheidung Bindungswirkung für eine gegebenenfalls nachfolgende arbeitsgerichtliche Streitigkeit zwischen Ausgleichspflichtigen und Versorgungsträger, insbesondere über die Berechnungsmethode der Anrechtskürzung, entfaltet. Wie der Kürzungsbetrag beim Ausgleichspflichtigen zu ermitteln ist, wird vom Familiengericht oftmals nicht entschieden werden können. Einer der Gründe dafür kann ein Mangel an nachvollziehbaren Angaben in der Teilungsordnung sein. Weitere Ursachen sind möglicherweise eine fehlende Auskunftspflicht des Versorgungsträgers (bei der internen Teilung) beziehungsweise eine fehlende Gestaltungswirkung der familiengerichtlichen Entscheidung, die sich nur auf die Anordnung der Teilung und die Festsetzung des Zahlbetrages beschränkt (bei der externen Teilung). Trotz der ungeklärten Zuständigkeit sieht der BGH jedoch die Notwendigkeit, dass Familiengerichte die Teilungsordnung dahingehend prüfen und im Zweifel die Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes zulasten des Ausgleichspflichtigen beanstanden.
Rentenanpassungen
Die Prognose künftiger Rentensteigerungen in den Fällen des § 16 Abs. 1 BetrAVG ist bei der Barwertberechnung zu berücksichtigen – sowohl bei der internen als auch bei der externen Teilung.
Fazit:
Weiterhin bleibt der Gesetzgeber gefordert zu klären, ob abschließend Familienrechtler oder Arbeitsrechtler die Teilungsordnung zum Schutz des Ausgleichspflichtigen prüfen müssen.
Vanessa Angel, Syndikusrechtsanwältin, Recht | Steuern, Longial