19. Februar 2020

Gesellschafter-Geschäftsführer als arbeitnehmerähnliche Person? (BGH-Urteil vom 1.10.2019 – II ZR 386/17)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in seinem Urteil zu klären, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer als arbeitnehmerähnliche Person in den Insolvenzschutzbereich des Betriebsrentengesetzes fällt.


Der Fall
Der klagende Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) hielt 1/6 der Anteile an der GmbH. Zwei seiner Mitgesellschafter hielten ebenfalls jeweils 1/6 der Geschäftsanteile. Zusammen waren die drei Gesellschafter zum maßgeblichen Zeitpunkt mit insgesamt 50 Prozent an der GmbH beteiligt. Im Juli 2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt schon seit mehreren Jahren im Ruhestand und nicht mehr Geschäftsführer der Gesellschaft. Der Insolvenzverwalter zahlte dem Kläger nur eine monatliche Rente nach der Insolvenzquote. Der Kläger hielt diese allerdings für zu niedrig. Er war der Meinung, dass er eine arbeitnehmerähnliche Person sei, somit unter den Schutzbereich des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) falle und ihm demnach eine höhere Rente zustehe. Mit seiner Klage obsiegte der Kläger in der ersten Instanz und in der Berufungsinstanz teilweise. Die hiergegen vor dem BGH durch den Insolvenzverwalter eingelegte Revision verlief erfolgreich.

Kein Insolvenzschutz der Rentenansprüche aus dem BetrAVG
Aus Sicht des BGH war der Kläger aufgrund seiner gemeinsam mit den anderen GGF gehaltenen 50-prozentigen Beteiligung an der GmbH nicht als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. Somit konnte er nach Ansicht des Gerichts auch keinen Insolvenzschutz seiner Rentenansprüche nach den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) verlangen. Nach § 17 Abs.1 Satz 2 des BetrAVG sind zwar auch arbeitnehmerähnliche Personen vom Schutzbereich umfasst. Der BGH hat jedoch in dieser Konstellation den Kläger nicht als arbeitnehmerähnliche Person gesehen, weil er zusammen mit den anderen GFF sowohl vermögens- als auch einflussmäßig so sehr mit dem Unternehmen verbunden ist, dass sie es als ihr eigenes betrachten können.

Minderheitsgesellschafter können gemeinsam Beschlussfassung blockieren
Den vorbezeichneten Einfluss hat zwar ein Minderheitsgesellschafter grundsätzlich nicht. Auch kann der bisherigen Rechtsprechung des BGH nicht entnommen werden, dass die genau 50-prozentige Beteiligung eines GGF einer GmbH nicht vom Schutz des Betriebsrentengesetzes ausgenommen ist. In einer früheren Entscheidung hat der BGH nur die Beteiligung eines GGF mit weniger als 50 Prozent als vom Betriebsrentengesetz erfasst angesehen. In seiner aktuellen Entscheidung hat der BGH nunmehr Klarheit geschaffen: Nach dessen Auffassung findet auf einen GGF, der gemeinsam mit anderen GGF über exakt 50 Prozent der Geschäftsanteile und Stimmrechte verfügt, das BetrAVG keine Anwendung. Den maßgeblichen Grund sieht das Gericht darin, dass der Kläger gemeinsam mit seinen beiden Mitgesellschafter-Geschäftsführern, mit denen er genau über 50 Prozent der Geschäftsanteile und Stimmrechte in der GmbH verfügte, die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung blockieren könne. Das BetrAVG soll solche Personen schützen, die wirtschaftlich abhängig und somit besonders schutzbedürftig sind.

Keine wirtschaftliche Abhängigkeit aufgrund vorhandener Sperrminorität
Die drei GGF mit zusammen 50 Prozent der Anteile können für sich genommen zwar noch keinen derartigen Einfluss auf das Unternehmen nehmen, dass sie alleine das Unternehmen lenken und Beschlüsse fassen können. Jedoch können sie zusammen aufgrund ihrer Anteile alle Beschlüsse in einer Gesellschafterversammlung blockieren. Somit sind sie nicht wirtschaftlich abhängig und haben einen so großen Einfluss auf das Unternehmen, dass dieses als ihr eigenes gelten kann. Auch können so nicht gegen ihren Willen Änderungen an ihrer Versorgungszusage vorgenommen werden, wie es bei Arbeitnehmern der Fall ist. Somit kann sich der Kläger nach Auffassung des BGH nicht auf den Schutz seiner Rentenansprüche aus dem BetrAVG berufen. Denn aufgrund einer Sperrminorität können die GGF ihre Vertretungsmacht für die Gesellschaft unbehelligt von Weisungen der Gesellschafter ausführen. Insofern können sie beispielsweise nicht gegen ihren Willen als Geschäftsführer abberufen werden und negative Veränderungen ihrer Versorgungszusagen verhindern.

Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
Die Auslegung des BGH stimmt mit der Rechtsprechung des Bundearbeitsarbeitsgerichts (BAG) überein. Denn das BAG stellt für die Feststellungen der Arbeitnehmereigenschaft eines Gesellschafters einer GmbH darauf ab, ob ein Minderheitsgesellschafter eine Sperrminorität in der Gesellschaft hat, da er sich dann von einem Arbeitnehmer unterscheidet und diesem nicht gleichgestellt werden kann. Denn dann ist es dem Gesellschafter nicht möglich, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren, sodass ihm die als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis wesentlich kennzeichnende persönliche Abhängigkeit fehle.

Fazit

Zwar handelt es sich bei dem aktuellen Urteil des BGH grundsätzlich um eine richtungsweisende Entscheidung, anhand derer geprüft werden kann, ob das BetrAVG auf GGF Anwendung findet. Allerdings kommt es – wie immer – auf die Umstände des Einzelfalles an. Der privatrechtliche Insolvenzschutz (zum Beispiel Verpfändung) ist insbesondere im Hinblick auf das aktuelle BGH-Urteil für GGF von besonderer Bedeutung. Häufig ändern sich die Beteiligungsverhältnisse im Laufe einer längeren Dienstzeit und dem privatrechtlichen Insolvenzschutz wird nicht die hinreichende Aufmerksamkeit beigemessen. GGF sollten daher Vor- und Nachteile einer entsprechenden Stellung abwägen und insbesondere die Insolvenzfestigkeit ihrer bAV prüfen lassen.

Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial