24. Februar 2021

GGF-Versorgung in Pandemie-Zeiten: Der Trugschluss vom gesetzlichen Insolvenzschutz

Gesellschafter-Geschäftsführer sowie Vorstände von Aktiengesellschaften, die Anteile an ihrer Firma haben, können sich nicht auf den gesetzlichen Insolvenzschutz verlassen. Umso wichtiger ist es, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, damit im Insolvenzfall die für die Versorgung gebildeten Mittel nicht zur Insolvenzmasse gezogen werden.


Der drohende Anstieg an Insolvenzen rückt bei vielen Gesellschafter-Geschäftsführern (GGF) ihre Pensionszusagen in den Vordergrund. Die Ansicht, ihre Altersversorgung sei durch den gesetzlichen Insolvenzschutz sicher, ist allerdings ein Trugschluss. 

Gesetzlicher Insolvenzschutz für Minderheitsgesellschafter?
Grundsätzlich gilt: Einen umfassenden gesetzlichen Insolvenzschutz gibt es in Deutschland nur für abhängig Beschäftigte. Doch gerade GGF, die nicht die Mehrheit der Gesellschaftsanteile ihrer Firma halten, sind häufig der Ansicht, dass für sie als Minderheitsgesellschafter das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) greift und sie somit dem gesetzlichen Insolvenzschutz unterliegen. Doch oft ist das Gegenteil der Fall: Insbesondere solche Minderheitsgesellschafter, die bei Zusammenrechnung ihrer Anteile am Kapital und/oder Stimmrecht eine Mehrheitsbeteiligung erreichen, unterliegen in aller Regel nicht dem gesetzlichen Insolvenzschutz. Dabei reicht bereits eine Beteiligung von genau 50 Prozent aus. Das ist übrigens neu: Denn mit seinem Urteil vom 1.10.2019 (II ZR 386/17) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die bisherige Rechtsauffassung verworfen, wonach der gesetzliche Insolvenzschutz erst bei einer Beteiligung von mehr als 50 Prozent entfällt. Inwieweit also die bei Zusageerteilung maßgebenden Grundlagen für die Feststellung, ob ein gesetzlicher Insolvenzschutz vorliegt, heute noch gelten, sollte regelmäßig geprüft werden. Auch können naturgemäß Änderungen an den Gesellschaftsanteilen beziehungsweise Stimmrecht, die seit Erteilung der Zusage im Laufe der Zeit – nicht nur bei dem begünstigten GGF selbst – stattgefunden haben, Einfluss auf die Frage haben, ob noch teilweise ein gesetzlicher Insolvenzschutz gegeben ist. Diese Klärung sollte zusammen mit einem Experten in Sachen Arbeitsrecht vorgenommen werden.

Die Grenzen des gesetzlichen Schutzes
Selbst in Fällen, in denen ein gesetzlicher Insolvenzschutz auch bei einem GGF greift, kann der Schutz lückenhaft sein. In diesem Zusammenhang ist zum einen anzumerken, dass der Pensions-Sicherungs-Verein VvaG (PSVaG) eine arbeitgeberfinanzierte Anwartschaft erst nach Erfüllung der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist sichert. Ob die Versorgungszusage an den GGF vertraglich womöglich günstigere Unverfallbarkeitsfristen als das Gesetz vorsieht, interessiert den PSVaG nicht. Dies gilt im Übrigen auch für den Fall, dass vertraglich die Höhe der bei Dienstaustritt aufrechtzuerhaltenden Anwartschaft den gesetzlichen Mindestanspruch übertrifft. Solche vertraglichen Besserstellungen unterliegen ebenfalls nicht dem gesetzlichen Schutz. Zum anderen kann es gerade bei GGF vorkommen, dass die in Aussicht gestellten Leistungen diejenigen Obergrenzen übertreffen, die das BetrAVG für einen gesetzlichen Insolvenzschutz festlegt (siehe § 7 Abs. 3 BetrAVG). Oder die Versorgung fällt unter eine Ausschlussklausel nach § 7 Abs. 3 BetrAVG, weil sie erst kürzlich erteilt wurde. In solchen Fällen übernimmt der PSVaG als gesetzlicher Träger der Insolvenzsicherung die in Aussicht gestellten Anwartschaften nur teilweise oder gar nicht. 

Vertraglicher Insolvenzschutz bei Direktversicherungen und Pensionskassen
GGF, deren Versorgung nicht oder nur teilweise dem Regelungsbereich des BetrAVG unterliegt beziehungsweise hierdurch nicht vollständig gesichert ist, müssen also nach alternativen, vertraglichen Möglichkeiten für einen Insolvenzschutz suchen. Die Höhe des Aufwandes ist dabei vom Durchführungsweg abhängig. Direktversicherungen werden im Allgemeinen mit einem sogenannten unwiderruflichen Bezugsrecht versehen. Das heißt: Bei einer Insolvenz wird die Versicherung in der Regel auf den Versorgungsberechtigten übertragen. Unter Umständen besteht auch die Option, die bAV privat fortzuführen. Gleiche Modelle gibt es in aller Regel bei Pensionskassen, die als Bestandteil eines Versicherungskonzerns gegründet wurden. Wurde einem GGF ein entsprechend unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, besteht Insolvenzschutz.
Aber Achtung: Es muss sich um ein vollständig unwiderrufliches Bezugsrecht handeln. Wird ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht vereinbart, kann ein Insolvenzverwalter die Mittel aus der Direktversicherung beziehungsweise der Pensionskassen-Versorgung zur Masse ziehen (vergleiche das BGH-Urteil vom 24.6.2015, IV ZR 411/13). Im Zweifel sollten GGF bei ihrer Versicherungsgesellschaft beziehungsweise Pensionskasse nachfragen, ob ein unwiderrufliches Bezugsrecht besteht und wie es genau ausgestaltet ist. Zur Vollständigkeit sollten sie überprüfen, ob der Einräumung des entsprechenden unwiderruflichen Bezugsrechts auch ein begleitender Gesellschafterbeschluss zugrunde lag. Denn ohne Gesellschafterbeschluss ist jedes Sicherungsmittel angreifbar. 

Verpfändung und CTA: Die gängigen Sicherungen bei Direktzusage ... 
Bei einer Direktzusage (unmittelbare Versorgungszusage) ist der Aufwand höher. Denn die Vermögensmittel zum Zwecke der Insolvenzsicherung müssen vertraglich so separiert werden, dass sie dem Zugriff des Insolvenzverwalters grundsätzlich entzogen sind. Dafür gibt es verschiedene Lösungen: In der Praxis findet man oft Modelle, bei denen die Vermögensmittel in einer Rückdeckungsversicherung oder in einer Treuhandlösung (CTA-Modell) angelegt sind. Doch die Separierung des Vermögens allein garantiert noch keinen Insolvenzschutz. Wichtig ist zum Beispiel im Falle der Finanzierung der Versorgungszusage durch eine Rückdeckungsversicherung, dass die aus ihr fälligen Versicherungsleistungen zuvor an den GGF verpfändet werden. Mangelt es an einer wirksamen Verpfändung, geht die beabsichtigte vertragliche Insolvenzsicherung ins Leere. Wirksam ist eine Verpfändung zudem nur dann, wenn verschiedene Rahmenbedingen beachtet werden. So muss die Verpfändung zum einen durch einen Gesellschafterbeschluss begleitet sein. Zum anderen muss sie aber auch dem Versicherungsunternehmen angezeigt werden. Der ausführlichste Verpfändungsvertrag nützt also nichts, wenn der Lebensversicherer von ihm gar keine Kenntnis hat. 

... und einer Unterstützungskassen-Versorgung
Verpfändungsmodelle sind letztlich auch bei einer Unterstützungskassen-Versorgung üblich. Hier gelten ähnliche Grundsätze. Aber Vorsicht: Vertragspartner für die Verpfändung einer Rückdeckungsversicherung ist hier die Kasse und nicht etwa der Arbeitgeber. Wer bei einer Unterstützungskassen-Versorgung auf Nummer sicher gehen will, sucht sich darüber hinaus einen Versorgungsträger, der eine Rückübertragung von Kassenvermögen auf den Arbeitgeber satzungsgemäß ausschließt. Dieser einfache Mechanismus ist, wie der BGH mit seinem Urteil vom 8.12.2016 (IX ZR 257/15) klargestellt hat, wirksam. Ein Insolvenzverwalter hat dann keinerlei Möglichkeit, auf das Kassenvermögen zuzugreifen. Zumindest, wenn der Ausschluss des Herausgabenspruchs universell formuliert, also nicht etwa auf Fälle der Insolvenz beschränkt ist. Wer sich unsicher ist, ob die Kasse derartige Vorsichtsmaßnahmen für einen vertraglichen Insolvenzschutz getroffen hat, sollte im Zweifel bei ihr nachfragen.

Ausreichende Mittel: Voraussetzung für vollständigen Schutz
Durch derartige vertragliche Maßnahmen sind in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse nur diejenigen Vermögenmittel geschützt, die auch tatsächlich vorhanden sind. Doch diese reichen unter Umständen gar nicht zur vollständigen Erfüllung der Verpflichtung. Das gilt selbst dann, wenn bei Erteilung der Zusage noch eine Kongruenz bestand. Ein Beispiel: Wurde eine gehaltsabhängige bAV bei Erteilung der Versorgungszusage kongruent rückgedeckt und hat sich bis zum Eintritt der Insolvenz und kurz vor Eintritt des Versorgungsfalls das Gehalt verdoppelt, ohne das die Versicherung ausreichend Erträge erwirtschaftet hat, ist die Zusage unter Umständen zur Hälfte unterfinanziert. Derartige Fälle kommen nicht selten vor. Denn die Überschussaussichten der Versicherer haben sich in den letzten Jahren bei Verträgen mit hohen Rechnungszinsen verschlechtert. Wer also konsequent einen vertraglichen Insolvenzschutz betreiben will, muss sich nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach – und dies laufend – um eine adäquate Lösung bemühen. Nur wenn in regelmäßigen Abständen dafür Sorge getragen wird, dass die separierten Mittel mit der Erhöhung der Verpflichtung Schritt halten, kann einen vollständigen Schutz der Versorgungszusage erwarten. Zudem kann sich der Wert einer Versorgungszusage auch erhöhen, ohne dass dies für jeden sofort offensichtlich ist. So erhöht sich der Wert einer Rentenzusage allein durch die in den letzten Jahren stets steigende Lebenserwartung. Zur Finanzierung einer gegenüber Zusageerteilung unveränderten Rentenzusage sind heute durchschnittlich wesentlich mehr Mittel erforderlich als noch vor 10 Jahren. Wer also seine Zusage zum Beispiel durch eine Kapitallebensversicherung rückdeckt, ist aufgerufen, diese regelmäßig anzupassen. Anderenfalls reichen die entsprechenden Mittel der Rückdeckungsversicherung schlimmstenfalls nach Eintritt der Insolvenz nicht aus, die zugesagten Leistungen auch nur näherungsweise abzudecken.

Der beste Schutz: Wirksame Erteilung der Versorgungszusage und Regelung für vorzeitigen Versorgungsfall
Der beste Insolvenzschutz nützt allerdings nur dann, wenn es etwas zu schützen gibt. Leider gibt es immer noch Fälle, in denen Versorgungszusagen hinsichtlich des Dienstaustritts vor Eintritt des Versorgungsfalls keinerlei Regelungen beinhalten. Endet das Dienstverhältnis infolge einer Insolvenz dann vorzeitig, besteht gegebenenfalls keinerlei Anwartschaft auf Leistungen der bAV. GGF gehen in solchen Fällen selbst dann leer aus, wenn sie zuvor vertraglichen Insolvenzschutz, womöglich auch noch kostspielig, betrieben haben. Insofern ist unbedingt darauf zu achten, dass Regelungen zur anteiligen Aufrechterhaltung der Anwartschaft bei Dienstaustritt in der Versorgungszusage enthalten sind. Fehlen sie, sollten sie nachträglich vereinbart werden. Dies ist im Übrigen nicht nur GGF, sondern auch Geschäftsführern ohne Beteiligung am Kapital beziehungsweise Stimmrecht der Firma zu raten. Zwar genießen Geschäftsführer ohne Beteiligung grundsätzlich den gesetzlichen Insolvenzschutz, aber die Höhe ihrer unverfallbaren Anwartschaft ergibt sich nicht zwingend aus dem BetrAVG. Von den dort für die Höhe einer mindestens aufrechtzuerhaltenden unverfallbaren Anwartschaft kann nämlich vertraglich abgewichen werden. Jedenfalls ist der BGH der Auffassung, dass die Tariföffnungsklausel des BetrAVG (siehe § 19 BetrAVG), die solche Abweichungen zulässt, auch auf Organpersonen von Kapitalgesellschaften zu übertragen ist (vergleiche BGH-Urteil vom 23.5.2017,II ZR 6/16). Zum Schluss sei auch daran erinnert, dass nicht nur Verpfändungen oder Bezugsrechtsregelungen, sondern Versorgungszusagen an sich ohne einen zugrunde liegenden Gesellschafterbeschluss unter Umständen als zivilrechtlich nicht wirksam zustande gekommen anzusehen sind. Ist also ein Gesellschafterbeschluss bei einem Dienstaustritt nach Eintritt der Insolvenz nicht auffindbar, kann auch dies den ehemaligen Geschäftsführer in höchste Not bringen.

i Was ist zu tun?

  • Regelmäßig überprüfen, ob die Grundlagen, die bei der Erteilung der Pensionszusage eine Rolle spielten, heute noch gelten. Zu prüfen sind dabei auch inzwischen erfolgte Änderungen am Kapital- beziehungsweise Stimmrecht. Diese Klärung sollte zusammen mit einem Experten in Sachen Arbeitsrecht vorgenommen werden.
  • Im Zweifel sollten GGF bei ihrer Versicherungsgesellschaft oder Pensionskasse nachfragen, ob ein unwiderrufliches Bezugsrecht besteht und wie dies genau ausgestaltet ist.
  • GGF mit einer Unterstützungskassen-Versorgung sollten die Kasse bezüglich deren Vorsichtsmaßnahmen zum Insolvenzschutz kontaktieren.
  • In regelmäßigen Abständen sicherstellen, dass die separierten Vermögensmittel für dieInsolvenzsicherung mit dem Wert der Versorgungsverpflichtung Schritt halten.
  • Sicherstellen, dass die Versorgungszusage Regelungen zur anteiligen Aufrechterhaltung der Anwartschaft bei Dienstaustritt enthält. Das gilt auch für Geschäftsführer ohne Beteiligung am Kapital beziehungsweise Stimmrecht der Firma.
  • Prüfen, ob ein Gesellschafterbeschluss über die Erteilung einer Zusage für die zivilrechtliche Wirksamkeit vorliegt.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de 


Michael Hoppstädter, Geschäftsführer, Longial
(Seit 1993 ist er im Bereich der betrieblichen Altersversorgung aktiv. Als Dozent | Referent ist er u.a. für die Campus Institut AG im Studium Betriebswirt bAV (FH), die Deutsche Makler Akademie und weitere mehr tätig)