22. Mai 2019
Im Spotlight: Aktuelle Rechtsprechung zur beitragsrechtlichen Behandlung von Direktversicherungen (BSG-Urteile vom 26.2.2019 – B 12 KR 12/18, B 12 KR 13/18, B 12 KR 17/18)
Beitragspflicht von begünstigten Kindern
Das BSG hat entschieden, dass die Todesfallleistung einer Direktversicherung kein der gesetzlichen Rente vergleichbarer Versorgungsbezug ist, wenn das begünstigte Kind im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls bereits das 27. Lebensjahr vollendet hat (B 12 KR 12/18).
- Hintergrund ist folgender Sachverhalt:
Der Vater der 1978 geborenen Klägerin hatte im Jahr 1989 eine Direktversicherung abgeschlossen, aus der die Klägerin Begünstigte für den Fall des Todes des Vaters war. Der Vater führte die Direktversicherung ab Mai 2009 privat fort, bis er 2013 verstarb. Auf die Zeit bis einschließlich April 2009 entfiel eine Kapitalleistung in Höhe von 82.548,64 Euro. Die Krankenkasse der Klägerin beanspruchte für einen Zeitraum von 10 Jahren aus der Todesfallleistung Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Das BSG entschied hierbei, dass es nicht allein darauf ankommt, dass im Rahmen der Direktversicherung eine Hinterbliebenenleistung zugesagt wurde, sondern die Leistung auch zur „Hinterbliebenenversorgung erzielt“ worden sei. Wenn ein Kind versorgt wird, liegt bei typisierender Betrachtung jedenfalls dann keine Hinterbliebenenleistung mehr vor, wenn im Zeitpunkt des Versicherungsfalls das Kind bereits das 27. Lebensjahr vollendet hat (vergleiche § 48 Abs. 4 Nr. 2 Sozialgesetzbuch VI). Dies war im vorliegenden Fall gegeben, sodass im Frühjahr 2013 bei der Klägerin nicht mehr davon auszugehen ist, dass ein Versorgungsfall eingetreten ist.
Das bedeutet, dass im Rahmen von alten, nach § 40b Einkommensteuergesetz geförderten Direktversicherungen, bei denen aus steuerlichen Gründen auch Kinder begünstigt werden können, die ansonsten steuerlich in der bAV nicht mehr berücksichtigungsfähig wären, sozialversicherungsrechtlich auch beitragsfrei die Leistung erhalten können.
Zeitpunkt des Wechsels der Versicherungsnehmerstellung bleibt ausschlaggebend
Das BSG hat ferner erneut an seiner Rechtsprechung zum institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechts festgehalten und stellt bei der Beurteilung, ob dieser durchbrochen ist, darauf ab, wann der ehemalige Arbeitnehmer die Direktversicherung als Versicherungsnehmer privat fortführt (B 12 KR 13/18).
- Dem Urteil lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:
Die 1948 geborene Klägerin war im Gewerbe ihres Ehemanns beschäftigt. Dieser schloss 1982 für sie einen Direktversicherungsvertrag ab. Das Arbeitsverhältnis endete bereits 1992 und die Klägerin trägt seitdem die Beiträge selbst. 1997 meldete der Ehemann schließlich sein Gewerbe gänzlich ab. Jedoch wurde erst 2006 der Direktversicherungsvertrag dahin geändert, dass die Klägerin Versicherungsnehmerin wurde.
Das BSG hält hier an der vom Bundesverfassungsgericht als zulässig erachteten Argumentation fest, dass der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts erst verlassen wird, wenn der Arbeitnehmer in die Versicherungsnehmerstellung einrückt. Auch die Abmeldung des Gewerbes im Jahr 1997 führt nicht automatisch dazu, dass der Arbeitnehmer in die Versicherungsnehmerstellung einrückt.
- Ähnlich argumentierte das BSG auch im dritten Fall (B 12 KR 17/18). Hier lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Arbeitgeberin des 1947 geborenen Klägers schloss für ihn 1997 im Rahmen der bAV eine Direktversicherung ab. Die Beiträge hierzu führte sie einmal jährlich aus dem Entgelt des Klägers ab. Im Dezember 2011 erhielt der Kläger hieraus eine Kapitalleistung. Die gesetzliche Krankenkasse verteilte den Kapitalbetrag auf 120 Monate und setzte hierauf die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung fest. Der Kläger hält die Beitragspflicht für verfassungswidrig und die Ungleichbehandlung zu den betrieblichen Riesterrenten für nicht gerechtfertigt.
Auch hier stellt das BSG auf den institutionellen Rahmen des Betriebsrentenrechts ab. Solange der Arbeitgeber Versicherungsnehmer ist, besteht – wie im vorliegenden Fall – der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts. Im Übrigen weist das BSG auch darauf hin, dass die betriebliche Riesterrente in der Anwartschaftsphase der Verbeitragung unterliegt und die übrigen Renten in der Auszahlungsphase.
Fazit:
Die Rechtsprechung des BSG zum institutionellen Rahmen der bAV überrascht nicht. Das BSG stellt erwartungsgemäß auf den formalen Charakter ab. Danach tritt eine Änderung im Hinblick auf die Beitragspflicht als Versorgungsbezug erst ein, wenn der Versicherungsnehmerwechsel vollzogen ist.
Erfreulich ist die Rechtsprechung zu den erwachsenen Kindern. Sofern hier Kinder noch aus einer alten, nach § 40b Einkommensteuergesetz steuerlich geförderten Direktversicherung begünstigt werden, unterliegen diese jedenfalls mit der Todesfallleistung dann nicht mehr der Beitragspflicht, wenn die Kinder im Zeitpunkt des Leistungsfalls bereits das 27. Lebensjahr vollendet haben.
Bernd Wilhelm-Werkle, LL.M. Syndikusrechtsanwalt, Leiter Geschäftsbereich Beratung, Longial