11. September 2024

Inflationsabhängige Rententrendannahme bei der Bewertung unmittelbarer Pensionsverpflichtungen nach HGB und IFRS

In den Jahren 2022/23 kam es in Deutschland zu einem sprunghaften Anstieg der Inflation. In einem neuen Ergebnisbericht der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) wird erläutert, inwieweit ein solcher Anstieg der Teuerungsrate bei der Festlegung des Rententrends berücksichtigt werden kann.


Gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG sind Arbeitgeber alle drei Jahre dazu verpflichtet, die Höhe laufender Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf Anpassung hin zu überprüfen. Dabei werden nach § 16 Abs. 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) die Interessen der Leistungsempfänger ausreichend gewahrt, wenn eine Anpassung nicht geringer ausfällt als die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland (VPI). Allerdings führt eine Prüfung nicht zwangsläufig zu einer Anpassung, da auch die Belange des Arbeitgebers zu berücksichtigen sind. So kann eine Erhöhung der Leistungen unter Umständen ganz oder teilweise unterbleiben, sofern die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers dem entgegensteht.

Ist zu erwarten, dass die Rentenzahlungen gemäß der VPI-Entwicklung angepasst werden, so spielt die Inflationserwartung bei der Festlegung des Rententrends die entscheidende Rolle. Da die Inflation bis 2022 über eine sehr lange Zeit auf einem Niveau unterhalb des mittelfristigen EZB-Inflationsziels von 2 Prozent lag, war es unbedenklich, einen konstanten Rententrend vergleichbarer Höhe über die gesamte Laufzeit des Bestands anzunehmen. Mit dem starken Anstieg der Inflation in 2022 stellte sich die Frage, ob der Rententrend angepasst werden sollte. Der Ergebnisbericht1 der DAV hält fest, dass auch bei zum Bewertungsstichtag deutlich erhöhten Inflationsraten die Annahme eines konstanten Rententrends nicht zu beanstanden ist. Dabei ist gegebenenfalls der bisherige Rententrend in Abhängigkeit von der aktuellen Erwartung leicht zu erhöhen oder zu vermindern. Für die Einschätzung der Inflationserwartung können mehrere Datenquellen herangezogen werden: Neben dem EZB-Inflationsziel sind Expertenprognosen und Marktdaten zu nennen.

Neben der zukünftig zu erwartenden Inflation ist im Falle eines dreijährigen Anpassungsrhythmus unter Umständen ein bereits eingetretener Anpassungsstau zusätzlich zu berücksichtigen. Ist etwa im August 2024 eine Bewertung der Pensionsverpflichtungen zum 31.12.2024 zu erstellen und findet die nächste turnusgemäße Anpassung zum 1.1.2025 statt, hat sich die Inflation für die Zeitspanne 1.1.2022 bis 31.7.2024 bereits realisiert. Der Ergebnisbericht zeigt verschiedene Optionen auf, wie ein solcher Anpassungsstau in der Bewertung ins Kalkül gezogen werden kann. Eine Möglichkeit ist, die bereits eingetretene Inflation anhand der für die Monate August bis Dezember 2024 erwarteten Teuerungsrate fortzuschreiben. Die so für den gesamten Anpassungszeitraum ermittelte Inflation wird dann als einmalige Erhöhung der Renten zum 1.1.2025 angesetzt. Dies soll anhand eines kurzen Beispiels verdeutlicht werden: Die Entwicklung des VPI zwischen 1.1.2022 bis 31.7.2024 betrug +14,42 Prozent. Für die Monate 1.8.2024 bis 31.12.2024 wird ein weiterer Anstieg von +0,83 Prozent angenommen. Der erwartete Gesamtanstieg des VPI für den Zeitraum 1.1.2022 bis 31.12.2024 beläuft sich damit auf +15,37 Prozent. Für die Bewertung werden daher die Renten, die zum 1.1.2025 anzupassen sind, entsprechend erhöht. Auf ähnliche Weise ist mit den Kohorten vorzugehen, die nächstmalig zum 1.1.2026 und zum 1.1.2027 anzupassen sind.

i Was ist zu tun?

  • Aufgrund der sich in 2024 entspannenden Inflationsentwicklung hat das Thema insgesamt an Schärfe verloren, sodass die Annahme eines konstanten Rententrends (etwa in Höhe des mittelfristigen EZB-Ziels von 2 Prozent) nicht zu beanstanden sein sollte. Anders verhält es sich hinsichtlich des Anpassungsstaus, da die erhöhte Inflation aus 2022 und 2023 bei einem dreijährigen Rhythmus noch einige Jahre nachwirkt. In solchen Fällen kann vor der Erstellung der versicherungsmathematischen Bewertungen eine Rücksprache mit den Wirtschaftsprüfern sinnvoll sein. Die Kundenberater der Longial haben dieses Thema im Blick und werden es bei Bedarf proaktiv ansprechen.  

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Dr. Philipp Schriever, Aktuar (DAV) | Sachverständiger IVS, Aktuarielle Services, Longial

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1 Siehe https://aktuar.de/unsere-themen/fachgrundsaetze-oeffentlich/2024-04-22-DAV-Ergebnisbericht%20Rententrend.pdf