02. Dezember 2020
Informationspflichten im Betriebsrentengesetz - Auswirkungen auf Arbeitgeber
Welchen Sachverhalt hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu beurteilen?
In dem Fall, der dem BAG-Urteil vom 18.2.2020 (3 AZR 206/18) zugrunde lag, hatte der beklagte Arbeitgeber seine Arbeitnehmer auf einer Betriebsversammlung im April 2003 durch einen Fachberater der örtlichen Sparkasse über Chancen und Möglichkeiten der Entgeltumwandlung über eine Pensionskasse informiert. Der klagende Arbeitnehmer hatte an der Betriebsversammlung teilgenommen. Im September 2003 schloss er eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. 2015 ließ er sich die Leistung der Pensionskassen als Einmalkapitalbetrag auszahlen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entgeltumwandlungsvereinbarung wusste der Kläger allerdings nicht, dass aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2003 hierfür nun Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten waren. Mit seiner Klage forderte er daher vom Arbeitgeber Schadenersatz in Höhe der anfallenden Sozialversicherungsbeiträge. Der Arbeitgeber habe es aus seiner Sicht unterlassen, ihn vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Einführung der Beitragspflicht für Einmalkapitalleistungen zu informieren und habe sich dadurch schadenersatzpflichtig gemacht. Der aus Sicht des Klägers entstandene Schaden hätte sich nach dessen Ansicht dadurch vermeiden lassen, dass der Arbeitgeber diesen hinsichtlich des vorbezeichneten Sachverhalts umfassend informiert hätte. In diesem Fall hätte der Kläger eine andere Form der Altersvorsorge gewählt.
Wie haben die Gerichte entschieden?
Das Arbeitsgericht Dortmund wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht Hamm gab ihr statt. Der Arbeitgeber ging schließlich in die Revision und hatte vor dem BAG Erfolg. Die Richter urteilten, dass der Arbeitgeber weder bei der Informationsveranstaltung noch vor dem Abschluss der Vereinbarung auf die geplante Gesetzesänderung hätte hinweisen müssen, zumal diese auf der Betriebsversammlung nicht thematisiert worden war. Eine Beratungspflicht hätte für den Arbeitgeber allerdings dann bestanden, wenn er ausführlich Auskunft zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Entgeltumwandlung gegeben hätte. In diesem Fall wäre er auch verpflichtet gewesen, auf die nahende Änderung hinzuweisen. Das BAG vertritt seit Jahren die Auffassung, dass der Arbeitgeber keine allgemeine Pflicht hat, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers in der bAV wahrzunehmen und den Mitarbeitern darüber Hinweise oder Informationen zu erteilen. Dementsprechend schuldet er keine Beratung zur Betriebsrente, somit auch keine Aufklärung zur Beitragspflicht. Erteilt der Arbeitgeber allerdings freiwillig Auskünfte, dann müssen diese auch richtig, eindeutig und vollständig sein. Dies gilt im Hinblick auf die Entgeltumwandlung. Denn bei fehlerhafter Information macht sich der Arbeitgeber schadenersatzpflichtig.
Zu welchen Auskünften ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet?
Das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) sieht an verschiedenen Stellen Informationsverpflichtungen des Arbeitgebers vor. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen gemäß § 4a BetrAVG mitzuteilen, ob und wie eine Anwartschaft auf eine bAV erworben wird, wie hoch der Anspruch bei Renteneintritt sein wird, wie sich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die Anwartschaft auswirkt und wie sich die Anwartschaft nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses entwickeln wird. Auch der Übertragungswert der Altersversorgung muss mitgeteilt werden.
Was bedeutet die Einführung der neuen EU-Richtlinie EbAV II für Arbeitgeber und an wen richten sich die sich daraus ergebenden neuen Pflichten?
Am 23.12.2016 wurde in der EU die sogenannte EbAV II Richtlinie verabschiedet, die seit dem 13.1.2019 auch in Deutschland gültig ist. Unter diese Richtlinie fallen Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, also zum Beispiel Pensionskassen und Pensionsfonds. Mit der EbAV II-Richtlinie wurden neue umfangreiche Informationspflichten für Versorgungsempfänger und Versorgungsanwärter – auch potenziell angehende – eingeführt. Einzelheiten wurden in einer VAG-Informationspflichtenverordnung im Bundesgesetzblatt geregelt und gelten seit dem 18.6.2019. Es wird unterschieden zwischen Informationen, die vor dem Beitritt, bei Beginn, während der Anwartschaftsphase und schließlich gegenüber Leistungsempfängern erteilt werden müssen. Für die Umsetzung der neuen Informationspflichten gibt es keine Übergangsfrist.
Welche Informationspflichten obliegen Arbeitgebern aufgrund der neuen EU-Richtlinie EbAV II?
Aus der EU-Richtlinie EbAV II ergeben sich eine Reihe von Informationspflichten für die Pensionskassen, Pensionsfonds und im Bereich von Direktversicherungen für die Arbeitgeber. Zu den allgemeinen Informationen zum Altersvorsorgesystem, welche vor Beginn der Versorgung zur Verfügung gestellt werden, gehören beispielsweise die Bezeichnung des Altersversorgungssystems, Informationen zu Garantien und zu Mechanismen zum Schutz der Anwartschaften. Sowohl in der Anwartschaftsphase als auch in der Rentenphase soll die regelmäßig zu erstellende Vertragsinformation einheitlich als „Renteninformation“ bezeichnet werden. Während der Anwartschaft soll eine Renteninformation dem Versorgungsanwärter jährlich zur Verfügung gestellt werden und unter anderem eine Darstellung der erreichten Anwartschaft sowie die Projektion der zukünftigen Leistungen zum geplanten Termin des Rentenbeginns enthalten. In der Rentenphase muss mindestens alle 5 Jahre eine Renteninformation erstellt werden. Es sollen alle aktuellen Leistungen und Wahlrechte dargestellt werden. Bei Leistungskürzungen müssen Versorgungsempfänger mindestens 3 Monate vor Auszahlung der gekürzten Rente darüber informiert werden (zum Beispiel Kürzung der Überschussbeteiligung oder Sanierungsklausel). Zudem gibt es Hinweise zur Bereitstellung der Information. Hierbei ist so weit wie möglich auf eine allgemein verständliche Sprache zu achten. Zudem sollen Fachausdrücke vermieden werden.
Fazit
Der Arbeitgeber schuldet grundsätzlich keine Beratung zur Betriebsrente und somit auch keine Aufklärung zur Beitragspflicht. Sofern dieser allerdings im Hinblick auf die vorbezeichnete Entgeltumwandlung auf freiwilliger Basis Auskünfte hierzu erteilt, müssen diese auch richtig, eindeutig und vollständig sein. Im Übrigen sind die Anforderungen an die Informationspflichten der Arbeitgeber gestiegen. Das ist insbesondere aus Sicht der Arbeitnehmer sinnvoll, da die Renteninformationen für diese hierdurch transparenter werden. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die Anpassung von statischen Texten, so dass die Umsetzung in den bestehenden Dokumenten für die Arbeitgeber sicherlich ohne größeren Aufwand zu bewerkstelligen sein dürfte.
i Was ist zu tun?
Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BAG bietet es sich aus Sicht der Arbeitgeber zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen an, bei der Erteilung freiwilliger, über die allgemeinen Angaben hinausgehender Auskünfte sehr zurückhaltend vorzugehen und den Arbeitnehmern stattdessen zu empfehlen, sich bei Fragen zur individuellen Versorgungssituation durch einen entsprechenden Experten beraten zu lassen.
Es besteht dringender Handlungsbedarf für alle EbAV. Denn die jährlichen Mitteilungen für 2019, die 2020 versendet werden, müssen in jedem Fall die neuen Anforderungen erfüllen.
Weitere Infos unter: weitblick@longial.de
Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial