19. Februar 2020

Das deutsche Insolvenzsicherungssystem im europäischen Licht (EuGH-Urteil vom 19.12.2019 – C-168/18, BMAS-Referentenentwurf vom 21.11.2019)

Nach dem deutschen Betriebsrentengesetz sind Ansprüche und gesetzlich unverfallbare bAV-Anwartschaften bei einer Arbeitgeber-Insolvenz geschützt.

 

Mit der EuGH-Entscheidung und des Referentenentwurfs zur Erweiterung des PSV-Sicherungssystems lohnt sich ein Blick auf das deutsche Insolvenzsicherungssystem.

Gültigkeit des Insolvenzschutzes
Der Insolvenzschutz des Betriebsrentengesetzes gilt für Direktzusagen und für Unterstützungskassen- bzw. Pensionsfondszusagen, wenn diese die in Aussicht gestellten Leistungen nicht erbringen, weil das Trägerunternehmen insolvent ist. Auch für Direktversicherungen sieht das deutsche Betriebsrentenrecht einen Insolvenzschutz vor. Allerdings nur für den Fall, dass der Arbeitgeber die Ansprüche aus der Direktversicherung beliehen oder verpfändet hat. Träger der Insolvenzsicherung ist insofern der Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit (PSVaG).

Insolvenz des mittelbaren Durchführungsweges nicht vom Betriebsrentenrecht erfasst
Nicht unter den Insolvenzschutz des Betriebsrentenrechts fällt, wenn der Versorgungsträger im Fall der mittelbaren Durchführung die in Aussicht gestellten Leistungen nicht erbringt. Nach der Systematik des Betriebsrentenrechts greift dann die Einstandspflicht des Arbeitgebers. Zudem springt für Direktversicherungen der gesetzliche Sicherungsfonds ein, sodass auch hier ein ausreichender Schutz gegeben ist. Die Aufgaben des gesetzlichen Sicherungsfonds nimmt die Protektor Lebensversicherung AG wahr.

Pensionskassen können dem Sicherungsfonds ebenfalls beitreten, wenn sie die gleichen Finanzierungsverhältnisse wie ein Lebensversicherungsunternehmen aufweisen. Dies bedeutet, dass nur deregulierte Pensionskassen Mitglied im Sicherungsfonds werden können, deren Satzung keine Kürzung von Versicherungsansprüchen vorsieht. Außerdem können nur Pensionskassen beitreten, die für eine Vielzahl von Arbeitgebern geöffnet sind. Daher ist ein Beitritt für regulierte Firmenpensionskassen nicht möglich.

Kein Schutz für Pensionskassenleistungen im Betriebsrentenrecht
Bislang beinhaltet das deutsche Betriebsrentenrecht keinen Schutz, wenn eine Pensionskasse aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers nicht mehr ihre Leistungen erbringt. Dies beschäftigte auch kürzlich den Europäischen Gerichtshof (EuGH). In seinem Urteil vom 19.12.2019 kam das Gericht zu der Auffassung, dass der PSVaG dafür einzustehen hat, wenn eine Pensionskasse ihre Leistungen kürzt und der Arbeitgeber aufgrund seiner Insolvenz seiner Einstandspflicht nicht nachkommen kann.

Die Rechtsauffassung des EuGH
Dem EuGH-Urteil lag folgender Fall zugrunde: Ein Rentenempfänger musste Kürzungen bei seiner Betriebsrente hinnehmen, da zunächst die zuständige Pensionskasse in Schwierigkeiten geriet und später sein früherer Arbeitgeber insolvent wurde. Daher machte der Rentenempfänger Ansprüche gegen den PSVaG geltend, damit dieser die von der Pensionskasse vorgenommenen Kürzungen ausgleicht.

Der EuGH stellte in seinem Urteil fest, dass Betriebsrenten in der Europäischen Union vor unverhältnismäßigen Kürzungen geschützt sind, wenn eine Pensionskasse oder ein früherer Arbeitgeber wirtschaftlich ins Trudeln gerät.

Das BAG hatte Zweifel, dass der PSVaG in diesem Fall zahlen muss, legte dem EuGH hierzu aber mehrere Fragen zur Klärung vor. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die einschlägige Richtlinie die EU-Staaten verpflichtet, „einen gewissen Schutz zu gewährleisten“, wenn Kürzungen bei Betriebsrenten offensichtlich unverhältnismäßig sind. Dabei gibt es zwar einen weiten Ermessensspielraum, aber der EuGH gibt auch Hinweise dazu, was „offensichtlich unverhältnismäßig“ bedeutet:

  • Ein ehemaliger Arbeitnehmer muss bei Zahlungsunfähigkeit des früheren Arbeitgebers mindestens die Hälfte der Altersrente gemäß den erworbenen Ansprüchen bekommen;
  • ferner greift die Mindestsicherung, wenn der Betroffene wegen der Kürzungen unter die Armutsschwelle rutscht.

Der Referenten-Entwurf
Wie bereits im Weitblick 4/2019 berichtet, wurde am 21.11.2019 überraschend ein Referentenentwurf bekannt, der Versorgungsanrechte über Pensionskassen – soweit diese nicht dem Sicherungsfonds Protektor angehören oder auf tarifvertraglicher Grundlage als gemeinsame Einrichtung betrieben werden –  in das Sicherungssystem des PSVaG einbezieht. Die Beitragsbemessung soll allerdings aufgrund der Tatsache, dass diese Pensionskassen auch der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegen, bei 30 beziehungsweise 20 Prozent liegen. Dies ist ein Schritt in die Richtung eines risikoadäquaten Beitragssatzes wie er auch für Pensionsfonds gilt. Insgesamt wäre es aus Sicht der Arbeitgeber wünschenswert, wenn PSV-Beiträge grundsätzlich risikoorientiert verteilt würden. In der Vergangenheit gab es hierzu verschiedene politische Vorstöße. Auch auf gerichtlichem Weg hatten Arbeitgeber, die verpfändete Rückdeckungsversicherungen abgeschlossen oder ein sogenanntes CTA (Contractual Trust Arrangement) eingerichtet hatten, bislang vergeblich versucht, eine zumindest teilweise Befreiung von ihrer PSV-Beitragspflicht zu erreichen.

Fazit

Der PSVaG hat nach Auffassung des EuGH auch für Ansprüche von Versorgungsberechtigten einzustehen, die aufgrund der Leistungskürzung einer Pensionskasse entstanden sind und für die der Arbeitgeber grundsätzlich einzustehen hätte. Ist der Arbeitgeber selbst insolvent, so trifft die Einstandspflicht des PSVaG. Hierzu hat der deutsche Gesetzgeber Ende letzten Jahres bereits einen entsprechenden Referentenentwurf vorgelegt, der auch die Pensionskassen in das Sicherungssystem einbezieht. Dabei trägt der Referentenentwurf dem Aspekt Rechnung, dass es sich hier um einen durch die BaFin beaufsichtigten Durchführungsweg handelt. Dementsprechend reduziert er die Beitragsbemessungsgrenze.  

Bernd Wilhelm-Werkle, LL.M. Syndikusrechtsanwalt, Leiter Geschäftsbereich Beratung, Longial