17. Dezember 2024

Jahresabschluss 2024: Überblick zu aktuellen Bewertungskriterien für Pensionsverpflichtungen

Bei den meisten Unternehmen steht zum 31.12. der Jahresabschluss an. In diesem Zusammenhang sind die Pensionsverpflichtungen für die Steuer- und Handelsbilanz zu ermitteln. Für international agierende Unternehmen oder deren Töchter ist gegebenenfalls eine Bewertung nach IFRS oder US-GAAP erforderlich. Um im Jahresabschluss keine unliebsamen Überraschungen zu erleben, fassen wir im Folgenden die Besonderheiten beim diesjährigen Jahresabschluss zusammen.

HGB-Rechnungszins
Die nach § 253 Abs. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) für die Diskontierung von Pensionsrückstellungen zu verwendenden Zinsen werden zum 31.12.2024 laut aktuellen Prognosen 1,90 Prozent (Zehn-Jahres-Durchschnitt) beziehungsweise 1,96 Prozent (Sieben-Jahres-Durchschnitt) betragen. Damit liegt erstmalig zum Jahresende der Sieben-Jahres-Durchschnitt über dem Zehn-Jahres-Durchschnitt, womit keinerlei Ausschüttungssperre mehr vorliegen wird. Trotz der Umkehrung des Größenverhältnisses bei den Zinsen ist allerdings nach Auffassung der Wirtschaftsprüfer weiterhin eine Bewertung mit dem Sieben-Jahres-Zins verpflichtend durchzuführen. Der Zehn-Jahres-Durchschnittszins wird im Vergleich zum Vorjahr weiter ansteigen, womit zum Jahresabschluss in der Handelsbilanz erneut erfolgswirksame Erträge aus der Zinsänderung entstehen werden.

Zinsentwicklung IFRS/US-GAAP
Während der handelsbilanzielle Zins aufgrund der langjährigen Durchschnittsbildung nur langsam ansteigt, schlägt sich das aktuelle Niveau der Marktzinsen direkt auf die Zinsen bei der Bewertung nach IFRS/US-GAAP nieder. Für Mischbestände empfehlen wir aktuell einen Zins gemäß IAS 19 von 3,15 Prozent zum 31.12.2024. Dieser Zins ist allerdings noch nicht final und kann sich erfahrungsgemäß bis zum Jahresende noch verändern. Bliebe es allerdings bei dem derzeitig ermittelten Zinsniveau, so entspräche dies einem leichten Absinken von zehn Basispunkten im Vergleich zu unserer Zinsempfehlung zum Bilanzstichtag 31.12.2023. Dies führt zu moderaten versicherungsmathematischen Verlusten, die erfolgsneutral über das „Other Comprehensive Income“ (OCI) im Eigenkapital zu erfassen sind.

Inflation und Rentenanpassungen
Nachdem die Inflation in Deutschland im Herbst 2022 noch bis auf 8,8 Prozent angestiegen war, ist sie in diesem Jahr auf 1,6 Prozent abgesunken (Stand: Oktober 2024). Für 2025 wird derzeit vom ifo München in seiner Herbst-Konjunkturprognose eine Teuerung in Höhe von 2,0 Prozent und für 2026 von 1,9 Prozent erwartet. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gute Chancen, ihr mittelfristiges Inflationsziel von 2,0 Prozent in den kommenden Jahren zu erreichen.

Sofern Betriebsrenten gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (VPI) für Deutschland anzupassen sind, spielt die erwartete Inflationsentwicklung die maßgebliche Rolle bei der Festlegung des Rententrends für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen. Aufgrund der hohen Duration von Pensionsverpflichtungen ist auch der Rententrend entsprechend langfristig zu wählen. Angesichts der aktuell recht stabilen Erwartung an die weitere Inflationsentwicklung ist die Festsetzung des Rententrends im Bereich des mittelfristigen EZB-Inflationsziels von 2,0 Prozent nicht zu beanstanden.

Bei einer Anpassung der Renten in einem dreijährigen Rhythmus kann es außerdem angemessen sein, die in den letzten beiden Jahren aufgelaufene und damit bereits feststehende VPI-Entwicklung zu berücksichtigen. Dies geschieht technisch dadurch, dass die laufenden Renten in der mathematischen Bewertung zusätzlich zum langfristig gewählten Rententrend einmalig um einen entsprechenden Faktor individuell erhöht werden.

Entwicklung der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung
Zum 1.1.2025 wird die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (BBG) einen deutlichen Sprung machen und auf 8.050 Euro monatlich steigen. Dabei wird die bisherige Trennung zwischen Ost und West entfallen und erstmalig werden einheitliche Rechengrößen für die gesamte Bundesrepublik gelten. 2024 lag die BBG dagegen noch bei 7.550 Euro (West) beziehungsweise 7.450 Euro (Ost).

Dieser deutliche Anstieg der BBG wird insbesondere bei Versorgungsordnungen mit gespaltener Planformel, welche in Abhängigkeit zur BBG steht, einen signifikanten Einfluss auf die Pensionsverpflichtungen ausüben, wovon sowohl beitrags- als auch leistungsorientierte Versorgungszusagen betroffen sein werden. Typischerweise wird die Gehaltsentwicklung bei den Unternehmen mit dem Sprung der BBG nicht Schritt halten, womit bei einer beitragsorientierten Zusage mit gespaltener Planformel die Beiträge für das Kalenderjahr 2025 tendenziell sinken werden, da dadurch größere Gehaltsbestandteile unterhalb der BBG liegen und zu einem niedrigeren Prozentsatz verbeitragt werden. Dies hat nur einen Effekt auf die zukünftig noch zu zahlenden Beiträge und die daraus entstehenden Anwartschaftszuwächse, also den Future Service. Bei den endgehaltsabhängigen Leistungszusagen, die Gehaltsbestandteile oberhalb der BBG schwerer gewichten als diejenigen unterhalb, wird der Sprung der BBG tendenziell zu einem Absinken der Versorgungsanwartschaften führen, sofern das Gehalt nicht mindestens in gleichem Maße anzieht wie die BBG. Dieser Effekt erstreckt sich auf den Past Service wie auch den Future Service und kann je nach Bedeutung der betroffenen Zusagen eine deutliche Entlastung für das bilanzierende Unternehmen bedeuten.

Richard Breese, Aktuar (DAV), Sachverständiger IVS und Leiter Aktuarielle Services 1, Longial