20. Februar 2019

Kein Zufluss von Arbeitslohn bei Aufbau eines Wertguthabenkontos für einen Fremd-Geschäftsführer (BFH-Urteil vom 22.2.2018 – VI R 17/16)

Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto zur Finanzierung eines vorzeitigen Ruhestands von Arbeitnehmern (sogenanntes Zeitwertkonto) stellen regelmäßig keinen zufließenden Arbeitslohn dar. Mit der Frage, ob dieser Grundsatz auch für Fremd-Geschäftsführer gilt, hatte sich der BFH jüngst zu befassen.


Die Vereinbarung eines Wertguthabenkontos bei Organpersonen ...
In dem zu entscheidenden Fall hatte eine GmbH mit ihrem Fremd-Geschäftsführer – eine Organperson, die keine Anteile an der Gesellschaft hält – im Jahr 2007 vereinbart, den Dienstvertrag um eine Vereinbarung zur Bildung eines Wertguthabens zur Finanzierung eines vorzeitigen Ruhestandes zu erweitern. Daraufhin wurden monatlich die laufenden Bezüge des Geschäftsführers gemindert und Mittel in gleicher Höhe in eine von der GmbH abgeschlossene Rückdeckungsversicherung eingezahlt. Die Höhe der Leistungen in der späteren – vorgezogenen – Freistellungsphase sollte sich gemäß der getroffenen Vereinbarung dann nach den Leistungen dieser Rückdeckungsversicherung richten, die zudem an den Fremd-Geschäftsführer verpfändet wurden.

... war nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht steuerwirksam, ...
Mit Schreiben vom 17.6.2009 (IV C 5 - S 2332/07/0004) hatte sich das Bundesministerium für Finanzen (BMF) zu der Frage geäußert, in welchen Fällen Wertguthaben-Modelle steuerlich anzuerkennen sind. Es hatte dabei die Auffassung vertreten, dass solche Modelle bei Arbeitnehmern, die zugleich als Organ einer Körperschaft bestellt sind, nicht mit deren Aufgabenbild vereinbar seien. Infolgedessen führe bereits die Gutschrift des künftig – in der Freistellungsphase – fällig werdenden Arbeitslohns auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn. Dieser Einschätzung hatte sich im vorliegenden Fall die zuständige Finanzverwaltung ab dem Veranlagungszeitraum 2009 angeschlossen und die Minderung des laufenden Gehalts steuerlich nicht länger anerkannt. Die Zahlungen auf das Guthabenkonto wurden vom Finanzamt vielmehr als Zufluss von Arbeitslohn behandelt und daher der Einkommensteuer unterzogen.

... doch die Finanzgerichte vertreten die gegenteilige Meinung.
Gegen diese Einschätzung klagte die GmbH im Anschluss erfolgreich vor dem Finanzgericht (FG) Köln (Urteil vom 26.4.2016 – 1 K 1191/12). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Auffassung der Vorinstanz nun mit seinem aktuellen Urteil bestätigt; er ist damit der Auffassung der Finanzverwaltung entgegengetreten. In der Begründung seines Urteils erläutert der BFH ausführlich, dass der Aufbau eines Wertguthabenkontos keines der Kriterien erfüllt, welche die Annahme eines zufließenden Arbeitslohns rechtfertigen. Insbesondere sei durch das Modell nicht über den Arbeitslohnanspruch im Sinne einer Einkommensverwendung im Voraus verfügt worden. Im Übrigen sei – so der BFH – auch keine rechtliche Grundlage erkennbar, aus der sich ableiten ließe, dass bei Organpersonen diesbezüglich weitere – engere – Kriterien als bei Nicht-Organpersonen zugrunde zu legen wären.

Aber Achtung bei (beherrschenden?) Gesellschafter-Geschäftsführern
Zu einem anderen Ergebnis könne man nach Einschätzung des BFH gleichwohl dann kommen, wenn es sich bei der Organperson um einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer handele. Denn dort werde grundsätzlich unterstellt, dass über eine Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit (nach Belieben) verfügt werden könne. Dieser Hinweis des BFH steht im Einklang mit seinem Urteil vom 11.11.2015 (I R 26/15), wonach Zuführungen zu Rückstellungen, die für das Zeitwertkonto eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers gebildet werden, zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen.

Fazit:

Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto zur Finanzierung eines vorzeitigen Ruhestands sind kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn und deshalb erst in der Auszahlungsphase zu versteuern. Es ist zu begrüßen, dass der BFH diesen Grundsatz auch für Fremd-Geschäftsführer bestätigt hat. Der Aufbau eines Wertguthabens für einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ist hingegen (unverändert) steuerschädlich. Es bleibt abzuwarten, wie sich der BFH im Falle von Minderheitsgesellschaftern, die als Organperson tätig sind, positionieren wird. Mit der vorliegenden Argumentation des BFH könnte man womöglich auch dort den Zufluss von Arbeitslohn bei Aufbau eines Wertguthabenkontos verneinen (vergleiche FG Berlin-Brandenburg-Urteil vom 14.11.2017 – 9 K 9235/15); dessen ungeachtet könnte die Finanzverwaltung gegebenenfalls (dennoch) eine verdeckte Gewinnausschüttung annehmen.

Michael Gerhard, Aktuar DAV, Recht | Steuern, Longial