17. Februar 2016
Keine Angst vor Zeitwertkonten
Ein Modell für alle Fälle
Bis 67 arbeiten? Nein, danke. Mehr Zeit für die Familie haben oder einen Angehörigen pflegen? Vielleicht. Nur vier Tage pro Woche arbeiten oder die Welt entdecken? Gerne, wenn ich es mir leisten kann.
Die Arbeitswelt ist schon heute vielfältiger denn je: Ältere Menschen haben Befürchtungen, ob sie bis 67 arbeiten können. Jüngere Berufstätige haben Träume, bei denen der Arbeitgeber oft im Weg steht. Es gilt, diese Ziele oder Ängste der Beschäftigten zu erfassen und Lösungen anzubieten.
Lange galt das Modell Zeitwertkonto im Mittelstand als kompliziert, teuer und für den Arbeitgeber zu riskant. Denn wer wollte seinen Mitarbeitern die eigenverantwortliche Möglichkeit geben, früher aus dem Berufsleben auszusteigen oder einmal eine persönliche Auszeit zu nehmen?
Diese Zurückhaltung war und ist unbegründet, da heute, rund 20 Jahre nach der Einführung des Modells bei der Volkswagen AG, die Betriebe im Sinne einer modernen Arbeits- und Vergütungslandschaft nicht mehr umhin kommen, Arbeit und Vergütung neu zu denken. Was für Konzerne selbstverständlich ist, hält nun auch allmählich Einzug in den deutschen Mittelstand: Leben und Arbeit verbinden. Sich Zeit zu nehmen, wann man sie braucht. Einen flexiblen Renteneintritt oder eine Teilzeitbeschäftigung bei vollem Lohn bis ins hohe Alter sind Forderungen der kommenden Generationen von Beschäftigten.
Gestaltungsvielfalt und rechtliche Sicherheit
Zeitwertkonto heißt, nach den Regeln des Arbeitgebers Zeit oder Entgelt zu beliebigen Zeitpunkten brutto zu konservieren, um den Geldwert später für eine bezahlte Auszeit für bestimmte, festgelegte Zwecke im Arbeitsleben zu nutzen. Nicht genutztes Guthaben wird am Ende der Lebensarbeitszeit steueroptimiert ausgezahlt. Die mit diesem Modell zahlreichen Möglichkeiten der Umsetzung zeigen, dass das Zeitwertkonto kein Produkt von Fondsanbietern oder Versicherungen ist, sondern ein personalpolitisches Instrument.
Im Gegensatz zur betrieblichen Altersvorsorge ist das Zeitwertkonto ein junges Modell, das unmittelbar im Unternehmen seine Wirkung entfaltet. Das macht den Charme auch für den Arbeitgeber aus, da damit sein Unternehmen attraktiver erscheint.
Im Jahr 2009 wurde das Modell tiefer als bisher im Gesetz und in den arbeitsmarktpolitischen Grundwerten unserer Arbeitswelt verankert. Renteneintritt flexibilisieren, Freistellungen zur Weiterbildung, Pflege oder eine persönliche Auszeit werden unsere künftige Arbeitswelt prägen. Im Gegensatz zu Gesetzesvorhaben, die zwar einen guten Grundgedanken, aber eine fragwürdige Umsetzung haben, wie beispielsweise die Rente 63 oder das eingeführte Familienpflegezeitgesetz, verfügt das Modell nicht nur über einen guten Kern, sondern auch über die für den Mittelstand erforderliche gestalterische Freiheit, um den personalpolitischen Anforderungen zu genügen.
Das Modell ermöglicht Freistellungen von der Arbeitsleistung nicht nur rechtssicher, sondern auch unternehmerisch sinnvoll zu gestalten. Mit einem Zeitwertkonto können Auszeiten ohne ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses und den damit verbundenen Schwierigkeiten mit Blick auf Urlaubsansprüche, Sozial- oder Rentenversicherungsschutz einfach umgesetzt werden. Zudem wird die Freistellung langfristig vom Arbeitnehmer finanziert. Über Onlineportale kann das Zeitwertkonto heutzutage für beide Parteien transparent dokumentiert werden – was den Verwaltungsaufwand minimal hält. Die Digitalisierung und die Optimierung von Finanzanlageprodukten in den letzten Jahren führten zudem zu einer Standardisierung bei der Umsetzung von Modellen der Bruttovorsorge für den Mittelstand.
Fazit:
Ob Fachkräftemangel, demographischer Wandel, Überstundenflut oder Mitarbeiterwertschätzung: Die betriebliche Zukunft wird geprägt sein von einer stetig wachsenden Bedeutung des Mitarbeiters für den unternehmerischen Erfolg, generationenübergreifend. Für die Gestaltung dieser Herausforderungen leistet das Modell Zeitwertkonto einen wertvollen Beitrag. Daher gilt auch 2016: Keine Angst vor Zeitwertkonten!
Dr. Thomas Haßlöcher und Rainer Glaschy, LL.M.
netvisory Beratungsgesellschaft mbH und Partner von PensExpert