23. Februar 2022

Klarheit und Eindeutigkeit in Versorgungsregelungen: Dringend erforderlich!

BAG-Urteile vom 2.12.2021 (3 AZR 212/21) und vom 13.7.2021 (3 AZR 349/20): Immer wieder ergehen höchstrichterliche Urteile, in denen das Gericht das Fehlen von hinreichend klaren und eindeutigen Regelungen in den Versorgungszusagen bemängelt. So auch wieder in zwei aktuellen Urteilen des BAG.


Ausschlusstatbestände bei betrieblicher Witwenrente: klar gefasst
BAG-Urteil vom 2.12.2021 – 3 AZR 212/21

Der Fall
Die Parteien streiten darüber, ob die Witwe des verstorbenen Versorgungsberechtigten von der ehemaligen Arbeitgeberin eine Hinterbliebenenversorgung beanspruchen kann. Dort besteht eine Betriebsvereinbarung, die die bAV regelt. Die Witwen-/Witwerrente entfällt danach unter anderem, wenn die Ehe erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde.
Die Witwe war die zweite Ehefrau. Die Ehe wurde erst nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis - aber noch vor Beginn der Altersrentenzahlung - geschlossen. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, dass die Ehe nach den Regelungen bereits während des bestehenden Arbeitsverhältnisses geschlossen worden sein muss, damit eine Witwenrente beansprucht werden kann.

Die Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sprach der Witwe eine entsprechende Hinterbliebenenversorgung zu. Nach seiner Auffassung waren durch die Ehe mit dem verstorbenen Versorgungsberechtigten die erforderlichen Leistungsvoraussetzungen erfüllt. Es vertrat hier de folgende Rechtsauffassung:

Fehlende hinreichend erkennbare klare Regelung ...
Einem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Ehe der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehegatten erst nach dessen vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, aber vor dem Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde. Vielmehr ist der geltend gemachte Anspruch von der Zusage umfasst und nicht durch den Leistungsplan beziehungsweise das Leistungsverzeichnis als Teil der Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung ausgeschlossen. Es fehlt an einer hinreichend erkennbaren klaren Regelung, wonach die Zusage nur auf Witwen/Witwer aus Eheschließungen im bestehenden Arbeitsverhältnis beschränkt und somit Witwen/Witwer aus Eheschließungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, aber vor Rentenbezugsbeginn, von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen sein sollen.

… ergibt die Auslegung der einschlägigen Leistungsbestimmungen
Sollen Regelungen Ansprüche ausschließen beziehungsweise solche einschränken, muss dies hinreichend erkennbar und eindeutig beschrieben sein. Dies gilt auch und gerade für Bestimmungen über Leistungen der bAV. Der Arbeitnehmer muss klar erkennen können, in welcher Höhe er beziehungsweise seine Angehörigen im Versorgungsfall Leistungen zu erwarten haben, um gegebenenfalls Versorgungslücken schließen zu können. 
Die Regelungen bei der Arbeitgeberin enthalten insoweit keine für den Arbeitnehmer ausreichend erkennbare und eindeutig beschriebene Beschränkungs- beziehungsweise Ausschlussklausel, auch nicht nach einer Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen.
Die Witwe ist danach anspruchsberechtigt und kann eine Hinterbliebenenversorgung verlangen, obwohl die Ehe mit dem Versorgungsberechtigten erst nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, aber vor dem Beginn einer Altersrentenzahlung geschlossen worden war.

Das BAG stellt auch nochmal klar, dass Witwe/Witwer nach der im Gesetz angelegten Vertragstypik der Hinterbliebenenversorgung und dem daraus folgenden Zweck derjenige ist, wer im Zeitpunkt des Todes mit dem Verstorbenen verheiratet war. 

Auch wenn Begrifflichkeiten wie „Anwärter“ verwendet werden, zwingt das nicht zu dem Schluss, die Ehe müsse vor dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen sein. „Anwärter“ kann – mangels Definition in der Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung – auch ein ehemaliger Mitarbeiter sein. 
Zudem ist nach Ansicht des BAG aus den konkret geregelten Ausschlussgründen nicht, wie der Arbeitgeber meint, ersichtlich, dass es für die Witwen-/Witwerrente stets auf die Familiensituation während der Dauer der Betriebszugehörigkeit ankommen soll. Erkennbar ist lediglich, dass die Leistungspflichten auf Risiken begrenzt werden sollen, die vor dem Beginn der Altersrentenzahlung angelegt waren. Das heißt, beschränkt auf den Ehepartner, mit dem im Zeitpunkt des Todes noch eine Ehe bestand.

Anrechnung eines Einmalbetrages auf das betriebliche Ruhegehalt
BAG-Urteil vom 13.7.2021 – 3 AZR 349/20

Der Fall 
Die Parteien streiten über die Anrechnung einer Einmalzahlung des Arbeitgebers an den Versorgungsberechtigten auf sein betriebliches Ruhegehalt. Die Parteien schlossen ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis, welches 2017 endete. Die Altersteilzeitvereinbarung sah vor, dass der Arbeitnehmer für etwaige Rentenabschläge in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund eines vorzeitigen Renteneintritts einen bestimmten finanziellen Ausgleich erhalten sollte. Der Betrag wurde mit Beendigung der Altersteilzeit als Einmalzahlung zusammen mit den Rentenzahlungen aus der bAV ausgezahlt. Bei der Berechnung der bAV behandelte der Arbeitgeber die Einmalzahlung als „Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung“ und rechnete diese auf die bAV-Leistung an. Dabei berief er sich auf eine Regelung in der zugrunde liegenden Versorgungsordnung. Der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer hat die Auffassung vertreten, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Anrechnung der Abfindungsleistung auf seine Betriebsrente.

Die Entscheidung
Das BAG beurteilte den Sachverhalt wie folgt: Die Ausgleichszahlung darf nicht auf das betriebliche Ruhegeld angerechnet werden. Die Anrechnung anderweitiger Versorgungsleistungen auf betriebliches Ruhegehalt bedarf einer besonderen Rechtsgrundlage. 
Für die Anrechnungen anderweitiger Bezüge auf eine Betriebsrente gilt folgende Voraussetzung: Die maßgeblichen Bestimmungen müssen die Anrechnungs- beziehungsweise Berücksichtigungstatbestände, aufgrund derer im Rahmen einer Limitierungsklausel anderweitige Einkünfte berücksichtigt werden, für den Versorgungsberechtigten erkennbar und eindeutig beschreiben.

Weder eine Anrechnungsregelung in der Altersteilzeit-Vereinbarung noch in der Versorgungsordnung
Die Parteien haben keine einzelvertragliche Anrechnungsbefugnis in der Altersteilzeitvereinbarung getroffen. Eine Anrechnungsbefugnis ergibt sich auch nicht aus der Versorgungsordnung. Es finden sich dort zwar Anrechnungstatbestände. Aber darunter fällt nicht die Möglichkeit der Anrechnung einer Einmalzahlung, die als Abfindung zum Ausgleich von Abschlägen in der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet wird. Das hat die Auslegung ergeben.
Das BAG betont nochmals das Erfordernis, dass Anrechnungen auf eine Betriebsrente beziehungsweise eine Berücksichtigung anderer Bezüge bei der Berechnung der Betriebsrente für den Versorgungsberechtigten hinreichend erkennbar und eindeutig beschrieben sein müssen. Der Arbeitnehmer muss klar erkennen können, in welcher Höhe er Leistungen der bAV zu erwarten hat, um gegebenenfalls Versorgungslücken schließen zu können. Das war vorliegend nicht der Fall. Insoweit fehlte es an einer Rechtsgrundlage für die Anrechnung.

Fazit: 

Es muss sich im Vorfeld bei der Erstellung der Versorgungsregelung Gedanken gemacht werden, wer etwas bekommen und was ausgeschlossen sein soll. Dazu gehören auch Angaben, welche konkreten Fallgestaltungen erfasst sein sollen und welche nicht. Dazu bedarf es naturgemäß eines Überblickes, was generell möglich ist.

i Was ist zu tun?

Es empfiehlt sich, auch ältere Versorgungsregelungen zu überprüfen,

  • ob sie noch den gesetzlichen Anforderungen entsprechen beziehungsweise,
  • ob darin auch die Vorstellungen, die man bei der Erstellung hatte, umgesetzt wurden. 
  • Zusammen mit den Verantwortlichen kann hier Ihr Pensionsberater unterstützen.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Anja Sprick, Justiziarin, Recht | Steuern, Longial
(Expertin für alle steuer- und arbeitsrechtlichen Fragen der bAV, insbesondere zu Auswirkungen bei Betriebsübergängen und Unternehmensverkäufen, der Versorgung von GGF, dem Geltungsbereich des BetrAVG).