23. Februar 2022

... mit Michael Hoppstädter: Die bAV in der neuen Koalition - Was ist aus dem Wahlkampf-Thema „Rente“ geworden?

Am 24.11.2021, also vor fast 100 Tagen, ist der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung „Mehr Fortschritt wagen“ vorgestellt worden. Daher ist es jetzt ein guter Zeitpunkt zu hinterfragen, was denn aus dem Wahlkampfthema „Rente“ geworden ist und wo die Reise hingeht – oder hingehen könnte.


Themen im Wahlkampf
Im Wahlkampf war beim Thema Rente sehr viel von Staatsfonds und Bürgerfonds die Rede. Insbesondere die FDP propagierte die Ergänzung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung um einen kapitalgedeckten Teil. Hier wurde häufig der schwedische Staatsfonds als Beispiel angeführt, mit mehr als 80 Milliarden Euro der größte Investmentfonds Europas und mit durchschnittlich 11 Prozent Wertentwicklung pro Jahr seit Auflegung vor 20 Jahren sehr erfolgreich. Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl auch das schwedische Vorbild erwähnt. Allerdings erfolgte dies nur in Bezug auf eine standardisierte Lösung, die durch eine staatliche Institution angeboten wird und kostengünstig, digital sowie grenzüberschreitend sein soll. Bei Bündnis 90/Die Grünen sollte der Bürgerfonds außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung angelegt sein, obligatorisch für alle Versicherten, um darüber eine zusätzliche private oder betriebliche Altersversorgung aufzubauen, und er sollte die Riester-Rente ersetzen. 

Und was ist im Koalitionsvertrag angekommen?
Im Koalitionsvertrag ist die Rede von einem Einstieg „in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung“, um Rentenniveau und -beitragssatz langfristig zu stabilisieren. Diese teilweise Kapitaldeckung soll als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet werden und global anlegen. Dazu soll in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zugeführt werden. Der kapitalgedeckte Teil der gesetzlichen Rente soll nach dem Koalitionsvertrag für das Kollektiv der Beitragszahler dauerhaft eigentumsgeschützt sein.   

10 Milliarden Euro – ein guter Anfang. Im Vergleich zu Schweden – 80 Milliarden Euro bei circa 10 Millionen Einwohnern – wird deutlich, dass das tatsächlich auch nur ein Anfang sein kann, wenn das Ziel erreicht werden soll, Rentenniveau und Beitragssatz langfristig zu stabilisieren. Geschweige denn, wenn das Ziel sogar ein höheres Rentenniveau durch die teilweise Kapitaldeckung sein soll – wie in Schweden der Fall!

Rentenniveau und Beitragssatz
Bei Rentenniveau und Beitragssatz hält die Ampel-Koalition an der Politik der Großen Koalition fest – 48 Prozent Rentenniveau, der Beitragssatz steigt in dieser Legislaturperiode nicht über 20 Prozent. Zur Erinnerung: Aktuell liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent.
Ein anderes Instrument zur Stabilisierung von Rentenniveau und Beitragssatz schließt die Ampel aber aus: eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Obwohl die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland weiter ansteigt – was ja nichts anderes bedeutet, als dass die gesetzliche Rentenversicherung die Renten im Mittel länger bezahlen muss – wird eine Erhöhung des Renteneintrittsalters kategorisch ausgeschlossen. Da ist das (im Übrigen meist sozialdemokratisch regierte) Schweden schon weiter. Hier ist das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt: Steigt die Lebenserwartung, erhöht sich auch das Renteneintrittsalter. 

Verpflichtung für Selbstständige
Für alle neuen Selbstständigen wird eine Pflicht zur Altersvorsorge eingeführt, sofern sie nicht in einem obligatorischen Alterssicherungssystem versorgt werden. Sie sind dann in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert, sofern sie nicht für ein privates Vorsorgeprodukt optieren, das insolvenzgeschützt und pfändungssicher zu einer Altersversorgung oberhalb der Grundsicherung führt.

Und die bAV?
Die bAV kommt im Koalitionsvertrag fast gar nicht vor. Die Ampel beschränkt sich auf einen fünfzeiligen Absatz im Koalitionsvertrag. Darin wird aber immerhin zum Ausdruck gebracht, dass die betriebliche (und private) Altersversorgung neben der gesetzlichen Rentenversicherung „wichtig für ein gutes Leben im Alter ist“. Die bAV wollen die Koalitionäre stärken, „unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen.“ Wir dürfen gespannt sein, wie das im Spannungsfeld von Versicherungsaufsichtsgesetz, BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht), Niedrigzinsphase und so weiter angegangen wird. Unternehmen können das bereits heute anders angehen. So legt zum Beispiel in der Direktzusage das Unternehmen seine Kapitalanlagestrategie fest, ohne dass es einer Erlaubnis zu Anlagen mit höheren Renditen bedarf.  

Wie sieht’s eigentlich mit dem Sozialpartnermodell aus?
Und das Sozialpartnermodell muss nun umgesetzt werden – vermeldet der Koalitionsvertrag. Ob die Sozialpartner diese Meldung auch vernommen haben? Man hört in der Branche zwar, dass es neben dem bereits verkündeten (aber noch nicht umgesetzten) ersten Sozialpartnermodell noch mindestens ein weiteres gibt, das kurz vor der Verkündung oder vielleicht sogar Einführung steht. Von einem Run auf das Sozialpartnermodell kann aber eher noch nicht gesprochen werden. Leider hat sich die FDP nicht durchsetzen können, dass die reine Beitragszusage – und das ist ja der Kern vom Kern des Sozialpartnermodells – auch auf betrieblicher Ebene vereinbart werden kann. 

Und nun?
Was ist nun aus dem Wahlkampfthema Rente geworden?
Für die bAV: nichts Konkretes. Für die gesetzliche Rente: ein Einstieg in die Teilkapitaldeckung und in die Versicherungspflicht für Selbstständige. Allerdings bleibt abzuwarten, ob nicht viele für eine andere Versorgung optieren werden.

Ansonsten §§ 1 - 3 des Kölschen Grundgesetz:
§ 1 – Et es wie et es;
§ 2 – Et kütt wie et kütt;
§ 3 – Et hätt noch immer jot jejange …

In diesem Sinne: Bleiben Sie optimistisch!

Ihr Michael Hoppstädter, Geschäftsführer, Longial