15. November 2017

Rentenberechnung bei gespaltener Rentenformel und Teilzeitbeschäftigung (EuGH-Urteil vom 13.7.2017 – C-354/16)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Entscheidung mehrere Aspekte der deutschen bAV-Praxis auf den Prüfstand gestellt.

 

Gespaltene Rentenformel für Teilzeitbeschäftigte

Unterscheidet man für die Leistungsbemessung bei der Betriebsrente zwischen Einkommensteilen unterhalb und oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der allgemeinen Rentenversicherung, spricht man von einer „gespaltenen Rentenformel“. Im Streitfall erhielten die Mitarbeiter für jedes Dienstjahr eine Betriebsrente in Höhe von 0,6 Prozent der Gehaltsbestandteile unterhalb und 2 Prozent oberhalb der BBG. Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass für Gehaltsbestandteile oberhalb der BBG keine Rentenansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben werden.

Voraussetzungen bei Teilzeit

Der höhere Prozentsatz oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze führt dazu, dass es bei Teilzeitbeschäftigten darauf ankommt, ob für die Betriebsrente 

  • entweder zuerst die Rente wie bei einer Vollzeitbeschäftigung ermittelt und die so ermittelte Rente dann um den (durchschnittlichen) Teilzeitgrad gekürzt wird,
  • oder das fiktive Vollzeitgehalt mit dem durchschnittlichen Beschäftigungsgrad gewichtet und auf dieser Basis die Betriebsrente berechnet wird.

Mit der zweiten Methode fällt das Gehalt nach Berücksichtigung des Beschäftigungsgrades eher unter die BBG, sodass der höhere Satz von 2 Prozent nur für einen kleineren Gehaltsteil angewendet wird.

„Pro-rata-temporis“-Grundsatz für Teilzeitbeschäftigung

Doch genau das sah der EuGH als zulässig an. Soweit die höheren Prozentsätze nicht angewendet werden, sei dies Folge der gespaltenen Rentenformel und der Kürzung pro rata temporis, nicht aber eine Folge der Teilzeitbeschäftigung. Der „Pro-rata-temporis“-Grundsatz besagt, dass einem Teilzeitbeschäftigten Arbeitsentgelt oder andere geldwerte Leistungen mindestens in dem Umfang zu gewähren sind, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten entspricht (vergleiche § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)). Damit liege keine Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter vor. 

Die Berechnung nach der erstgenannten Methode würde dazu führen, dass einem Teilzeitbeschäftigten, dessen (Teilzeit-)Gehalt unterhalb der BBG liegt, der höhere Prozentsatz zugutekäme, wenn das entsprechende Vollzeitgehalt oberhalb der BBG liegt. Hierfür sieht der EuGH keinen Bedarf. Denn unterhalb der BBG erwerben die Mitarbeiter Rentenansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung. Würden sie zusätzlich die höhere Versorgung in der bAV erhalten, hätten sie in Summe sogar mehr als vergleichbare Vollzeitmitarbeiter. 

Das mit der gespaltenen Formel verfolgte Ziel, den unterschiedlichen Versorgungsbedarf für Gehaltsbestandteile unterhalb und oberhalb der BBG zu berücksichtigen, rechtfertigt nach Ansicht des EuGH die unterschiedliche Behandlung.

Einheitlicher Beschäftigungsgrad der Rentenberechnung als Grundlage

Weitergehend hat der EuGH bestätigt, dass für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses ein einheitlicher Beschäftigungsgrad der Rentenberechnung zugrunde gelegt werden darf. Es müsse nicht nach Zeiten in Voll- und Teilzeit unterschieden werden, allerdings nur dann, wenn nicht gegen den „Pro-rata-temporis“-Grundsatz verstoßen werde. Möglicherweise ist es daher im Einzelfall erforderlich, die Betriebsrente für Zeiten einer Vollzeitbeschäftigung und einer Teilzeitbeschäftigung getrennt zu bestimmen, damit der höhere Prozentsatz der gespaltenen Rentenformel ausreichend berücksichtigt wird.

Unverfallbarkeitsquote und Begrenzung der Dienstjahre

Der EuGH hat weiter entschieden, dass die Berechnung einer unverfallbaren Anwartschaft bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch zeitratierliche Kürzung (§ 2 Abs. 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG)) auch dann keine unzulässige Diskriminierung darstellt, wenn die Höhe der erreichbaren Betriebsrente durch eine Limitierung der anrechnungsfähigen Dienstjahre beschränkt wird. 

Weil für die Höhe des aufrecht erhaltenen Anspruchs das Verhältnis der tatsächlichen zur möglichen Dienstzeit bestimmt wird, ergibt sich eine Benachteiligung jüngerer Mitarbeiter. Denn bei gleicher Betriebszugehörigkeit ergibt sich für jüngere Mitarbeiter eine geringere Anwartschaft als für ältere. Der Grund: Bei älteren Mitarbeitern wird die Höchstgrenze von Dienstjahren die für diesen Mitarbeiterkreis erreichbare Betriebsrente nicht begrenzt. Für jüngere Mitarbeiter wird hingegen bei langer Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Pensionsalter möglicherweise nicht die gesamte Zeit rentensteigernd berücksichtigt. Der EuGH hält diese Ungleichbehandlung aber wegen des Ziels der bAV für angemessen. Die Regelung diene der Mobilität und Rentenversorgung der Mitarbeiter und belohne die Betriebstreue von Mitarbeitern. Zugleich trage sie den unternehmerischen Belangen an einer überschaubaren und kalkulierbaren Belastung Rechnung.

Fazit:

Der EuGH hält die in Deutschland in vielen Versorgungszusagen verwendete Begrenzung der Anzahl anrechnungsfähiger Dienstjahre für zulässig. Außerdem lässt er in die Versorgungszusagen mit gespaltener Rentenformel die für den Arbeitgeber günstigere Berechnungsmethode in der Regel zu.

 

Gordon Teckentrup, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial