25. August 2021

Steuerpflicht einer Leistung aus einer nach Dienstaustritt abgeschlossenen Kapitalversicherung

Kann es sich bei einer Versicherung, die erst bei einem Dienstaustritt abgeschlossen wird, aus steuerlicher Sicht um eine Direktversicherung handeln? Der BFH entscheidet anders als das FG Rheinland-Pfalz: Ja, das ist möglich.


(FG Rheinland-Pfalz vom 16.03.2018 - 3 K 2049/16 und BFH-Urteil vom 16. März 2021, X R 44/18)

Die Ausgangslage
Eine Firma schloss im Jahr 1986 im zeitlichen Zusammenhang mit dem Dienstaustritt eines Arbeitnehmers auf dessen Leben eine Kapitalversicherung ab. In diese Versicherung zahlte sie einen Einmalbeitrag ein, laufende Beiträge wurden in der Folge nicht entrichtet. Die Höhe des Einmalbetrages war wertgleich zu derjenigen Leistung, die sich der Arbeitnehmer zuvor in einem betrieblichen Versorgungswerk des Arbeitgebers gegen monatlich laufenden Beitrag erdient hatte. Im Jahr 2014 wurde die Ablaufleistung der betreffenden Versicherung an den ehemaligen Arbeitnehmer ausgezahlt. Strittig war, wie diese Leistung steuerlich zu behandeln ist.

Führt der späte Beitrag noch zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung?
Der ehemalige Arbeitnehmer wollte die Zahlung als Leistung der betrieblichen Altersversorgung behandelt wissen. Dann ist § 22 Nr. 5 EStG anwendbar. Dieser Ansicht wollte das Finanzgericht jedoch nicht folgen. Insbesondere waren nach seiner Auffassung nicht die Voraussetzungen gegeben, die betreffende Versicherung als Direktversicherung im Sinne des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) einzustufen. Der Abschluss einer Versicherung "für die betriebliche Altersversorgung" - wie es das BetrAVG bei Direktversicherungen fordert - sei nämlich grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Abschluss aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolge. Dass der Beitrag zu dieser Versicherung aus Mitteln stammte, die für Zwecke der betrieblichen Altersversorgung gebildet wurden, würde an dieser Einschätzung insoweit nichts ändern.

Betrieblichen Altersversorgung beim Ausscheiden?
Das sah der Bundesfinanzhof (BFH) grundlegend anders als das Finanzgericht (FG). Er hält es für ausreichend, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen der Versorgungszusage und dem Anstellungsverhältnis besteht. Einen engen zeitlichen Zusammenhang muss es dabei nicht geben. 
Dafür spricht insbesondere, dass auch eine Direktversicherung, die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses geleistet worden sind, steuerrechtlich durch § 3 Nr. 63 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) begünstigt wird. Sie kann dann z.B. mit einer Abfindungszahlung finanziert werden.

Steuerpflicht der Zinsen
Die Zinserträge einer Direktversicherung unterfallen nicht dem Lebensversicherungsprivileg des § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. Es wurde zwar die Mindestvertragsdauer von zwölf Jahren eingehalten, es fehlte aber an einer laufenden Beitragsleistung. Dass dieser Einmalbeitrag wiederum aus Beträgen stammte, die über eine lange Zeit in einem anderen Vertrag angespart wurden, hielt der BFH für unerheblich.

Die Zinsen sind auch nicht als Kapitalerträge mit dem gesonderten Tarif (25 Prozent) gem. § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG zu besteuern. Trotz des Verweises in § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. b EStG auf § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG liegen hier „sonstige Einkünfte“ vor, für die der reguläre Steuertarif gilt. 

Fazit:  

Aus dem Urteil lässt sich folgende Prüfungsreihenfolge ableiten:

  1. Der Grundsatz: Die Leistungen einer Direktversicherung sind nach § 22 Nr. 5 S. 1 EStG grundsätzlich voll steuerpflichtig.
  2. Ausnahme: Die Erträge beruhen auf nicht geförderten Beiträgen (§ 22 Nr. 5 S. 2 EStG). Damit ist § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der Fassung, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Direktversicherung galt, anzuwenden. Danach ist zu prüfen, ob es sich um eine begünstigte Kapitalversicherung handelt.

i Was ist zu tun?  

  • Dass Leistungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses - ja, gelegentlich sogar erst bei Eintritt des Versorgungsfalls - erteilt werden, ist keine Seltenheit.
  • Durch das Urteil des BFH besteht weiterhin Sicherheit, dass auch eine bei Beendigung des Anstellungsvertrags abgeschlossene Direktversicherung steuerlich nicht anders behandelt wird als während der übrigen laufenden Beschäftigung.
  • Die Direktversicherung bietet sich geradezu an, mit der sogenannten Vervielfältigungsregelung (§ 3 Nr. 63 S. 3 EStG) bis zu 34.040 EUR aus Abfindungszahlungen steuerfrei in bAV umzuwandeln. Das ist vielfach noch günstiger als die Steuerbegünstigung nach § 34 EStG (Fünftelungsregelung) für Abfindungszahlungen.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de


Gordon Teckentrup, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Recht | Steuern, Longial
(Experte für alle steuer- und arbeitsrechtlichen Fragen der bAV, insbesondere Versorgung von GGF, Einrichtung und Änderung von Versorgungswerken, Unternehmensfusionen und Betriebsübergängen sowie Verwaltung von Versorgungswerken)