19. Februar 2020
Strenge Regeln bei der bAV im Fall eines Betriebsüberganges (BAG- Urteil vom 22.10.2019 – 3 AZR 429/18)
Gemäß § 613a BGB bewirkt er, dass der Erwerber in die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse eintritt. Das umfasst den Arbeitsvertrag in seiner Gesamtheit, inklusive der bAV-Zusagen.
Die bAV beim Betriebsübergang
Wenn sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber eines Unternehmens Regelungen zur bAV bestehen, kann es im Rahmen eines Betriebsüberganges zu Kollisionen kommen. Dabei gibt es verschiedene Konstellationen:
Bleibt die Betriebsidentität bei der Übertragung erhalten und der Betrieb wird unverändert fortgeführt, dann gelten die bestehenden Betriebsvereinbarungen grundsätzlich unverändert normativ aufgrund des Betriebsverfassungsrechts fort, da der Erwerber in die Rechtsposition des Veräußerers eintritt. Liegt dagegen keine identitätswahrende Übertragung vor und treffen kollektivrechtliche Versorgungsregelungen (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Vereinbarungen und Richtlinien) des Veräußerers auf gleichrangige kollektivrechtliche Regelungen anderen Inhalts beim Erwerber, dann gelten die des Erwerbers. Hier greift das Ordnungsprinzip (§ 613a Abs. 1 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), nicht das Günstigkeitsprinzip.
Kollision gleichrangiger Regelungen
Kommt es – dem Ordnungsprinzip entsprechend – zu einer Ablösung der bisherigen kollektivrechtlichen Versorgungsvereinbarung, so muss dem Arbeitnehmer mindestens die beim Veräußerer bis zum Betriebsübergang bereits erdiente Anwartschaft, die gem. § 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) zu berechnen ist, aufrechterhalten bleiben.
Vertrauensschutz in Kollisionsfällen?
Unabhängig von Betriebsübergängen gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) für Eingriffe in bestehende Versorgungsordnungen, dass die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu wahren sind – hierfür hat das BAG sein Drei-Stufen-Modell entwickelt.
Dieses vom Senat entwickelte dreistufige Prüfungsschema gilt auch bei der Ablösung einer bisher im Veräußererbetrieb geltenden Betriebsvereinbarung durch eine im Erwerberunternehmen bereits vorhandene Gesamtbetriebsvereinbarung im Fall eines Betriebsüberganges. Die beim Erwerber geltende Gesamtbetriebsvereinbarung tritt an die Stelle der noch beim Veräußerer geltenden Betriebsvereinbarung. Das beruht auf der Regelungsmacht der Betriebsparteien auf der Unternehmensebene. Ihre rechtlichen Möglichkeiten setzen sich auch gegenüber der im übernommenen Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung durch.
Auch wenn die beim Erwerber bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung kraft § 613a BGB diejenige des Veräußerers ablöst, darf die Eingriffswirkung nicht weiter gehen, als das sonst zulässig wäre. Das BAG hat entschieden, dass das dreistufige Prüfungsschema auch bei der Anwendung von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB gilt. Eine beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarung über die bAV entfaltet gegenüber einer beim Veräußerer geltenden Betriebsvereinbarung nur insoweit nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ablösende Wirkung, als dies einer Überprüfung nach dem dreistufigen Prüfungsschema standhält.
Das BAG begründet seine Entscheidung damit, dass § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht dazu diene, gerade bei einem Betriebsübergang dem Erwerber weitergehende Möglichkeiten einzuräumen, als sie der Veräußerer gehabt hätte. Dies würde dem in § 613a Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Prinzip der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses widersprechen.
Fazit
Bei Betriebsübergängen sollte generell das Augenmerk nicht nur auf die bestehenden Versorgungszusagen beim Veräußerer gerichtet werden: Es muss auch sorgfältig geprüft werden, welche Versorgungsregelungen für den übergehenden Betrieb nach dem Betriebsübergang gelten werden. Hier ist es wichtig, die Regelungsspielräume zu nutzen, um die Versorgungslandschaft möglichst zweckmäßig auszurichten.
Gordon Teckentrup, LL.M., Syndikusrechtsanwalt, Leiter Recht | Steuern, Longial