17. Dezember 2024
Umfang der PSVaG-Sicherung bei Übertragungen
Der Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG) ist bekanntlich die Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft zum gesetzlichen Schutz der betrieblichen Altersversorgung bei der Insolvenz des Arbeitgebers. Insbesondere besteht dessen Betriebszweck darin, Mitarbeitern und Rentnern von Unternehmen, über deren Vermögen oder Nachlass das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, die gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften und die laufenden Renten zu sichern. Im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers prüft der PSVaG daher insbesondere, ob überhaupt ein Sicherungsfall besteht, der grundsätzlich dessen Einstandspflicht begründet, und ob die Zusage in den letzten beiden Jahren vor dem Eintritt des Versicherungsfalls erfolgt ist. Die Beurteilung des in diesem Fall zugrunde liegenden Sachverhalts, zunächst durch den PSVaG und später auch durch das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln, führte für den Kläger zu einem unerwünschten Ergebnis, mit dem er wohl auch nicht gerechnet hatte. Denn andernfalls hätte er auf die für ihn im Rahmen seines Arbeitgeberwechsels negativen Aspekte im Hinblick auf den Insolvenzschutz sicherlich ein größeres Augenmerk gelegt.
Was war geschehen?
Die Parteien streiten über die Einstandspflicht des PSVaG als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung. Der klagende Arbeitnehmer hatte zunächst eine Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gegen die „E SE“ erworben, die auf Versorgungsordnungen aus den Jahren 2010 und 2017 beruhte. Diese wurde rund zehn Monate vor der Insolvenz beider Gesellschaften auf die „E. A. GmbH & Co. KG“ übertragen, zu welcher der Kläger im Jahre 2019 gewechselt war. Zu diesem Zweck schlossen die Gesellschaften einen „Firmenwechselvertrag“ ab, wonach das Arbeitsverhältnis insgesamt übertragen wurde. Im Rahmen seines Arbeitgeberwechsels wurde auch vereinbart, dass der Neu-Arbeitgeber die vom Alt-Arbeitgeber erteilten Versorgungszusagen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG schuldbefreiend übernimmt. Nach Eintritt des Insolvenzfalls nahm der Kläger den PSVaG aus seinen bis dahin erdienten Anwartschaften in Anspruch. Diese betrugen zuletzt 351.992,55 Euro. Der beklagte PSVaG stellte dem Kläger unter Berufung auf § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG jedoch lediglich einen Anwartschaftsausweis in anteiliger Höhe von 115.472,85 Euro aus. Eine darüberhinausgehende Haftung lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, dass seine Einstandspflicht durch § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG beschränkt sei, da die Versorgungszusage unmittelbar vor dem Sicherungsfall auf den Neu-Arbeitgeber übertragen worden sei. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem ArbG Köln Erfolg. Das LAG Köln entschied in zweiter Instanz allerdings gegenteilig und erkannte eine umfassende Einstandspflicht des PSVaG nicht an.
Aus welchen Gründen kam das LAG Köln zu seiner Entscheidung?
Das LAG Köln entschied, dass § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG einschlägig und daher die Sicherung durch den PSVaG auf 115.472,85 Euro begrenzt sei. Zur Beantwortung der Frage, ob § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG zur Anwendung kommt, sei ein sich aus der Systematik der Vorschrift ergebendes dreistufiges Prüfungsverfahren zu durchlaufen. Im ersten Schritt sei zu prüfen, ob überhaupt ein Sicherungsfall vorliegt, der grundsätzlich eine Einstandspflicht des Beklagten nach § 7 Abs. 1 BetrAVG oder § 7 Abs. 2 BetrAVG begründet (Grundregel). Dem schließe sich auf der zweiten Stufe die Prüfung an, ob die Zusage in den letzten beiden Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sei (§ 7 Abs. 5 S. 3 Halbsatz 1 BetrAVG; Ausnahme von der Grundregel). Sofern dies der Fall sei, bestehe grundsätzlich keine Einstandspflicht des PSVaG. Schließlich sei in einem dritten Schritt zu prüfen, ob gem. § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 und 2 BetrAVG ausnahmsweise doch eine der Höhe nach begrenzte Einstandspflicht des PSVaG bestehe (Ausnahme von der Ausnahme). Nach der zuletzt genannten gesetzlichen Regelung besteht ein Anspruch auf Leistungen gegen den Träger der Insolvenzsicherung bei Zusagen und Verbesserungen von Zusagen, die in den beiden letzten Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgt sind, nur für ab dem 1. Januar 2002 gegebene Zusagen, soweit bei Entgeltumwandlung Beträge von bis zu vier vom Hundert der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden oder für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen, soweit der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt.
Weitere Ausnahmen als die vorbezeichneten Ausnahmen von der Ausnahme, die zu einer höheren Einstandspflicht des Beklagten führen könnten, bestünden nicht. Dies werde durch die Verwendung des Wortes „nur“ im Gesetzestext verdeutlicht.
Die Versorgungszusage hatte der Kläger bekanntlich von seinem Alt-Arbeitgeber bereits im Jahr 2010 beziehungsweise 2017 erhalten. Das LAG Köln ging aber davon aus, dass wegen des Schuldnerwechsels im Jahr 2019 auch die bisherige Versorgungszusage als zu diesem Zeitpunkt „neu erteilt“ gilt. Denn nicht maßgeblich sei, wie es zu dem Austausch des Schuldners gekommen sei. Eine in den letzten beiden Jahren vor dem Eintritt des Sicherungsfalls erfolgte Zusage liege auch dann vor, wenn der Neu-Arbeitgeber außerhalb eines Betriebsübergangs aufgrund vertraglicher Vereinbarung vollumfänglich in das Arbeitsverhältnis eintritt. Eine dahingehende Unterscheidung, ob die Vereinbarung einen vollständigen Eintritt des Arbeitgebers in das Vertragsverhältnis vorsieht, bei welchem dann die volle Einstandspflicht des PSVaG bestünde, oder ob nur eine Übertragung der Zusage erfolge, welche dann allenfalls zur beschränkten Einstandspflicht des PSVaG führe, ist nach Ansicht des LAG Köln nicht vorzunehmen. Unerheblich sei, weshalb und in welcher Form außerhalb eines Betriebsübergangs es zur Übertragung gekommen sei. Es könne zudem dahinstehen, ob sich die Ausnahme des § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG auch auf § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG beziehe. Denn selbst wenn man das verneine, würde es bei der Ausnahme bleiben, dass aufgrund der Übernahme der Versorgungsanwartschaft innerhalb von zwei Jahren vor dem Insolvenzfall durch die Versorgungsschuldnerin keine Sicherung durch den PSVaG eingetreten wäre. Nach Auffassung des LAG Köln würde der Kläger nicht einmal die in der Berufung unstreitige Sicherung in Höhe von 115.472,85 Euro erhalten.
Welche Schlüsse können aus den Entscheidungsgründen gezogen werden?
Die Argumentation des LAG Köln überzeugt nicht, da es sich bei einer echten Schuldübernahme gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nicht um eine neu erteilte Versorgungszusage handeln dürfte, zumal die Versorgungszusage dem Kläger bereits im Jahr 2010 beziehungsweise 2017 erteilt wurde und fortlaufend als dieselbe Zusage zu behandeln sein dürfte, auch wenn im Jahr 2019 ein Schuldnerwechsel stattfand. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, weshalb Schuldübernahmen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG anders zu behandeln sein sollten. Das legen schon die Gesetzesmaterialien nahe, die darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber die Portabilität von Versorgungsanwartschaften fördern wollte. Der Entfall des Insolvenzschutzes für zwei Jahre zu Lasten der Arbeitnehmer, für deren Versorgungszusagen unter Umständen bereits seit vielen Jahren Beiträge gezahlt wurden, dürfte zu einer kaum nachvollziehbaren Übervorteilung des PSVaG führen.
i Was ist zu tun?
- Das Urteil des LAG Köln ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision des Klägers ist beim Bundesarbeitsgericht (BAG) unter dem Aktenzeichen 3 AZR 130/24 anhängig. Es bleibt insofern die Entscheidung des BAG abzuwarten. Sollte die Auffassung des LAG Köln durch das BAG bestätigt werden, dürfte Arbeitnehmern dazu zu raten sein, der Insolvenzsicherung bei der Übernahme von Verträgen beziehungsweise Anwartschaften durch den Neu-Arbeitgeber besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Zur Steigerung der seitens des Gesetzgebers gewünschten Portabilität von Betriebsrenten würde dies jedoch nicht beitragen.
Weitere Infos unter: weitblick@longial.de
Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial