23. Februar 2023
Urteile des Bundesarbeitsgerichts zur Frage, was ruhegeldfähiges Einkommen nach der jeweiligen Versorgungsordnung bedeutet
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich im Rahmen zweier Urteile mit der Problematik des ruhegeldfähigen Einkommens in den jeweiligen Betriebsvereinbarungen befasst.
Im anderen Fall handelte es sich um eine im Wege der Betriebsvereinbarung erteilte Gesamtversorgungszusage, die auf die Höhe der Versorgungsleistungen auf das letzte Monatsgehalt vor dem Eintritt des Versorgungsfalls abstellte. Hier vertrat das BAG die Auffassung, dass die vom Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis an die Arbeitnehmer gezahlten Erstattungen der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nach dem Zweck der Gesamtversorgung bei der Ermittlung des versorgungsfähigen Monatseinkommens regelmäßig nicht zu berücksichtigen seien, da der Arbeitgeber ansonsten zweifach zur Versorgung der Arbeitnehmer beitrüge.
Ruhegeldfähigkeit betrieblicher variabler Zulagen (3 AZR 406/21)
Die Parteien stritten darüber, ob die Auszahlung einer variablen Zusage (VAZ) als ruhegeldfähiges Einkommen bei der Berechnung des Ruhegeldes zu berücksichtigen sei. Der Kläger war vor seinem Renteneintritt als außertariflich vergüteter Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Ausweislich der geltenden Betriebsvereinbarung (BV) ist als Versorgungsleistung ein Ruhegeld vorgesehen, dessen Höhe sich nach dem ruhegeldfähigen Einkommen bestimmt. Im vorliegenden Fall war dies als Durchschnitt des monatlichen Bruttogehalts der letzten 36 Monate vor Eintritt des Versorgungsfalls definiert. Jahressonderzahlungen sollten ausdrücklich nicht berücksichtigt werden. Die Beklagte zahlt gemäß einer BV ihren Tarifangestellten eine monatliche VAZ und außertariflich Angestellten eine jährliche VAZ. Bei der Berechnung des Ruhegeldes des außertariflich angestellten Klägers berücksichtigte die Beklagte die jährlichen VAZ-Zahlungen nicht, während sie bei Tarifangestellten die monatlichen VAZ-Zahlungen als ruhegeldfähiges Einkommen ansah. Hiergegen wandte sich der Kläger sowohl in den Vorinstanzen, als auch vor dem BAG erfolglos.
Nach Entscheidung des BAG zeige die Auslegung der relevanten BV, dass die VAZ kein ruhegeldfähiges Einkommen sei, da die dortige BV dieses ausdrücklich als monatliches Bruttogehalt bestimme. Bei den ausgenommenen Entgeltbestandteilen handele es sich hingegen um typischerweise einmal jährlich gezahlte Vergütungen wie die VAZ, die deshalb zu Recht nicht zu berücksichtigen sei. Die BV differenziere dagegen nicht nach dem Zweck der Vergütung und beziehe deshalb leistungsabhängige Zahlungen – wie die VAZ – in das ruhegeldfähige Einkommen ein. So werde beispielsweise das ruhegeldfähige monatliche Bruttogehalt nicht für besondere Leistungen gezahlt.
Die unterschiedliche Behandlung von außertariflichen Angestellten und Tarifangestellten, deren monatliche VAZ-Zahlungen als ruhegeldfähiges Einkommen berücksichtigt werden, stelle keinen Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Die Betriebsparteien hätten insofern berücksichtigen dürfen, dass die Vorgängerleistung zur VAZ bei Tarifangestellten ursprünglich bereits ruhegeldfähig war, bei den außertariflich Angestellten jedoch nicht. Insoweit sei eine Differenzierung im Bestandsschutz angelegt. Zudem könne berücksichtigt werden, dass außertarifliche Angestellte üblicherweise eher als Tarifangestellte in der Lage sind, aus ihren höheren Einnahmen vorzusorgen.
Arbeitgeberseitig an den Arbeitnehmer erstattete Sozialversicherungsbeiträge sind bei dem für die Berechnung der Betriebsrente maßgeblichen Monatsgehalt nicht zu berücksichtigen (3 AZR 357/21)
Auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung gewährte die beklagte Arbeitgeberin ihren Mitarbeitern eine betriebliche Altersversorgung in Form einer Gesamtversorgung, bei welcher die Höhe der Versorgungsleistungen von der Höhe des letzten Monatsgehalts abhängig war. Ausweislich einer Regelung in der Versorgungsordnung sollten Sozialleistungen nicht Bestandteil des für die Höhe der Betriebsrente maßgeblichen letzten Monatsgehalts sein. Ziel der Beklagten war es, die Mitarbeiter den verbeamteten Beschäftigten der Muttergesellschaft gleichzustellen, welche die Möglichkeit zur Befreiung von der Sozialversicherungspflicht hatten. Aus diesem Grunde erstattete sie ihren Mitarbeitern zusätzlich zum arbeitsvertraglich vereinbarten Gehalt den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung. Zweimal jährlich wurden zudem Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge zusätzlich gebündelt an die Arbeitnehmer ausbezahlt. Die Klägerin wollte gerichtlich feststellen lassen, ob der von der Beklagten erstattete Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung Bestandteil des für die Höhe der Versorgungsleistungen maßgeblichen letzten Monatsgehalts sei.
Die Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung zähle laut BAG jedoch nicht zu dem für die Berechnung der Betriebsrente maßgeblichen Monatsgehalt, da die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht als Gehalt im Sinne der Versorgungsordnung (VO) zu qualifizieren sei. Bereits der in der VO verwendete Wortlaut, der auf das letzte Monatsgehalt ohne Sozialzulagen, Mehrarbeits- und Abschlussvergütung oder ähnlichem abstelle, deute darauf hin, dass die umstrittenen Zahlungen nicht zu berücksichtigen seien. Die Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten ersetzte bei ihren sozialversicherungspflichtig beschäftigten Verwaltungsmitarbeitern die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht und diente der Gleichstellung dieser Mitarbeiter mit den Arbeitnehmern, die auf Antrag von der Sozialversicherungspflicht befreit werden konnten. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe die Klägerin damit während ihres Arbeitsverhältnisses ähnlich einem Beamten alimentieren wollen, so dass sie selbst keine Aufwendungen für die Sozialversicherung aufzubringen hatte, ohne jedoch eine Erhöhung der Versorgungsleistungen der Klägerin nach dem Eintritt des Versorgungsfalls zu beabsichtigen. Daneben stelle der Wortlaut der maßgeblichen Versorgungsordnung ausschließlich auf das letzte Monatsgehalt ab, ohne auf etwaige Zusatzleistungen Bezug zu nehmen. Diese Zweckbestimmung erfordere nicht zwangsläufig zugleich die Erhöhung der Versorgungsleistungen der Klägerin. Andernfalls würde die Beklagte im Ergebnis zweimal zur Altersversorgung der Klägerin beitragen: einmal, indem sie den Arbeitnehmeranteil der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wirtschaftlich trägt, und ein weiteres Mal, indem dieser Anteil bei der Berechnung des versorgungsleistungsfähigen letzten Monatsgehalts im Sinne der Versorgungsordnung berücksichtigt würde.
Fazit
Knüpft eine Betriebsvereinbarung für die Frage der Ruhegeldfähigkeit an das monatliche Bruttoentgelt an und bezieht sie Entgeltbestandteile ein, die ebenfalls monatlich gezahlt werden, sind Einmalzahlungen oder jahresbezogenes Entgelt nicht ruhegeldfähig. Denn im Rahmen der Ausgestaltung von Entgeltbestandteilen mit Auswirkung auf die Ruhegeldfähigkeit dürfen die Betriebsparteien, sofern ein sachlicher Grund vorliegt, zwischen tariflichen und außertariflichen Arbeitnehmern unterscheiden, ohne dass ein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vorliegt. Zudem sind die während des laufenden Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber getragenen Erstattungen des Arbeitnehmeranteils zur Sozialversicherung nicht in die Berechnung des versorgungsleistungsfähigen letzten Monatseinkommens einzubeziehen.
i Was ist zu tun?
- Da die vorbezeichneten Sachverhalte oftmals Gegenstand von außergerichtlichen beziehungsweise gerichtlichen Auseinandersetzungen sind, sollte das versorgungsfähige Gehalt bereits in der VO so ausführlich wie möglich beschrieben und nicht zu berücksichtigende Entgeltbestandteile von vornherein ausdrücklich ausgeschlossen werden. Hierdurch können Streitigkeiten von vorherein vermieden werden.
Weitere Infos unter: weitblick@longial.de
Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial