15. November 2018
Was Arbeitgeber bewegt: Antworten auf dem Longial-Forum bAV 2018
Für die Arbeitgeber sind der Niedrigzins, die aktuelle Rechtsprechung und die Auslagerung von Pensionsverpflichtungen auf externe Versorgungsträger sowie der Pensionsverwaltung relevant. Das BRSG ist mit seinen Fördermöglichkeiten zwar bereits in der Praxis angekommen, das Sozialpartnermodell dagegen nur am Horizont sichtbar – aber noch nicht greifbar.
Die abwechslungsreiche Vortragsreihe des Forums war in vier inhaltliche Schwerpunkte unterteilt: Drei Vorträge zum BRSG aus verschiedenen Blickwinkeln bildeten den ersten Part. Zusammengefasst unter ‚Alles in Bewegung‘ referierten externe und Longial-Experten über Garantie-Modelle für die bAV, aktuelle Urteile aus Arbeits- und Steuerrecht sowie über die Digitalisierung bei der bAV-Administration. Die Auslagerung von Pensionsverpflichtungen und der -verwaltung sowie die Rolle der bAV bei M&A-Transkationen bestimmten den dritten Part. Der Vortrag über die EbAV-II-Richtlinie brachte die Teilnehmer auf den neuesten Stand und rundete die Vortragsreihe ab.
Das BRSG: Rückblick, Ausblick und erste Umsetzung
Seit Januar ist das BRSG in Kraft. Michael Hoppstädter von der Longial und Marcus Müller von der Covestro AG warfen in ihren Vorträgen einen Blick in den Rückspiegel und versuchten sich mit einem Ausblick: Wie wurde das seit Januar in Kraft getretene Gesetz von den Unternehmen angenommen? Auf das Sozialpartnermodell mit der garantiefreien Zusage bezogen war die Frage einfach zu beantworten: Angebote von verschiedenen Konsortien sind vorhanden, eine Umsetzung ist bisher noch nicht erfolgt. Trotz aktuell fehlender belastbarer Daten waren sich alle einig: Die von Vortragenden und Teilnehmern positiv beurteilten, neuen Fördermöglichkeiten zur weiteren Verbreitung der bAV sind wichtige Werkzeuge und werden ihren Weg in die Betriebe finden. Das Sozialpartnermodell dagegen lässt noch auf sich warten. Eine Aussage, wann konkret es eine Umsetzung im Rahmen eines Tarifvertrages geben wird, gleicht einem Blick in die Glaskugel. Einen ausführlichen Bericht über den aktuellen Stand des BRSG gibt es hier.
Ab 1. Januar 2019 wird das BRSG bei Arbeitgebern mit Pensionsverpflichtungen über Pensionskasse, Pensionsfonds oder Direktversicherung erneut auf sich aufmerksam machen. Denn dann greift § 1a Abs. 1 a BetrAVG (Betriebsrentengesetz), so Bernd Wilhelm-Werkle und Gordon Teckentrup von Longial in ihrem Vortrag. Für neu abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarungen muss der Arbeitgeber 15 Prozent des umgewandelten Entgelts als Arbeitgeberzuschuss an den Versorgungsträger weiterleiten. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitgeber durch die Umwandlung tatsächlich Sozialversicherungsbeiträge einspart. Die Referenten informierten darüber hinaus über die Sozialversicherungszweige, die bei der Berechnung der Ersparnis berücksichtigt werden müssen, die exakte Berechnung der Zuschusshöhe sowie über die Anrechenbarkeit bereits gewährter Zuschüsse. Weitere Details zur genauen Berechnung der Weitergabe in diesem Fachartikel.
Alles in Bewegung
Nichts bleibt, wie es ist. Das gilt auch für die Versicherungswirtschaft und damit mittelbar auch für die bAV. Zahlreiche Versorgungswerke, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), sind auf Versicherungslösungen aufgebaut. Und die Versicherer ändern ihre Produktlandschaft – weg von klassischen Garantiemodellen hin zu alternativen Garantielösungen. Der Vortrag über neue Formen der Altersvorsorgeprodukte von Axel Piepenstock von Schrömbgens & Stephan Versicherungsmakler GmbH eröffnete daher den zweiten Schwerpunkt des Forums. Angesichts des äußerst vielfältigen und heterogenen „Produkt-Zoos“ – 2-Topf- oder 3-Topf-Hybride, CPPI- oder gar iCPPI-Lösungen, Indexprodukte – lautete sein Fazit: „Garantie ist nicht gleich Garantie; Rentenfaktor ist nicht gleich Rentenfaktor.“ Die Komplexität steigt nicht nur in den Produktbeschreibungen, sondern auch in der Ausgestaltung der jeweiligen Lösung durch den Produktgeber. Der Vergleich der Produkte untereinander wird schwieriger, der Beratungsbedarf steigt.
Ebenso beratungsintensiv sind die Auswirkungen einiger neuer Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG), des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerG). Das „Spotlight“ des aktuellen Arbeits- und Steuerrechts von Bernd Wilhelm-Werkle traf die Einordnung folgender Urteile:
- BAG-Urteil vom 26.4.2018 (3 AZR 586/16): Anspruch auf Kündigung einer Direktversicherung bei Entgeltumwandlung
- BAG-Urteil vom 20.2.2018 (3 AZR 43/17): Altersabstandsklausel – wirksam oder nicht?
- BFH-Urteil vom 31.5.2017 (I R 91/15): Verfassungsmäßigkeit des § 6a Einkommensteuergesetz (EStG)-Rechnungszinses von 6 Prozent
- BFH-Urteil vom 7.3.2018 (I R 89/15): Die Erdienbarkeit bei einer Auslagerung von Gesellschafter-Geschäftsführern
- BVerG-Beschluss vom 27.6.2018 (1 BvR 249/15): Beitragspflicht bei privat fortgeführter Pensionskassenversorgung.
Die Digitalisierung bewegt nahezu alle Lebensbereiche – und damit auch die bAV. Eine vollständige Umstellung der analogen auf digitale Prozesse wird allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen, wie Mathias Nolle von der Longial in seinem Vortrag betonte: Er unternahm mit den Forums-Teilnehmern eine „Customer Journey“ und füllte einen Rentenantrag aus. Dabei wurde deutlich: Bis zukünftige Rentner ihre Rente via „Renteninfo“-App beantragen und den Rentenbescheid per WhatsApp erhalten, sind noch viele (analoge) Hürden zu überwinden! Die von der Regierung geplante säulenübergreifende Altersvorsorgeinformation ist dafür ein wichtiger Schritt.
Auslagerung
Schon die Ergebnisse des Live-Votings der Longial auf der 19. Handelsblatt-Jahrestagung bAV im Frühjahr 2018 zeigten: Die Auslagerung von Pensionsverpflichtungen gehört zu den wichtigsten Aspekten, die Arbeitgeber bei der bAV bewegt. In seinem zweiten Forums-Vortrag informierte Michael Hoppstädter daher über die Auslagerung auf externe Versorgungsträger – beispielsweise über den Wechsel des Durchführungsweges der Direktzusage auf einen Pensionsfonds. Für die Auslagerung auf einen Pensionsfonds unterstützt die Longial bereits seit einiger Zeit mit ihrem Longial PensionsPlan. Zu den Optionen einer Auslagerung gehört auch ein Contractual Trust Arrangement (CTA), oft als Treuhand-Modell oder Pensionstreuhand bezeichnet. Die Umsetzung ist für KMU in der Regel recht teuer und aufwendig. Gerade für diese Unternehmen wird die Longial ab 2019 eine Treuhandlösung, ein sogenanntes Gruppen-CTA, anbieten.
Doch auch die Pensionsverwaltung, die zunehmend aufwendig und für Unternehmen immer schwieriger zu bewältigen ist, lässt sich auslagern. Und auch hier bietet die Longial schon seit mehreren Jahren Lösungen an, bei denen das Unternehmen den Grad der Auslagerung individuell festlegen kann: Vollständige Pensions-Verwaltung oder nur Teilprozesse, Anwärterverwaltung und/oder Rentenabrechnungen und -auszahlung.
Die Auslagerung der bAV ist auch bei Transaktionen im Unternehmensbereich wie Fusionen, Unternehmenskäufe oder Betriebsübergängen (sogenannte Mergers & Acquisition-Transaktionen) ein wichtiges Thema. Allerdings, so der Vortragende Dr. Sascha Grosjean, Partner der Kanzlei Taylor Wessing, eines, das leider oft viel zu spät auf den Tisch kommt. Im Rahmen der Due Diligence fehlt häufig ein vollständiger Überblick der bAV, welcher jedoch ein wichtiger Faktor bei der Verkaufspreisverhandlung ist. Hier zeigt sich die Relevanz einer immer auf den aktuellen Stand gehaltenen bAV-Administration.
EbAV-II-Richtlinie
Die nächste administrative Herausforderung wird bereits am 13. Januar 2019 in deutsches Recht transformiert: die EbAV-II-Richtlinie. Dr. Andreas Jurk von der Barmer Pensionskasse erläuterte den Teilnehmern die Hintergründe und Auswirkungen der neuen Strukturen. Seine Einschätzung: Eine solche Regulierung muss die Effizienz von Einrichtungen der bAV fördern und nicht belasten. Ob diese Forderung noch in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen ist, wird sich nach der letzten Lesung des Gesetzes im Deutschen Bundestag am 20. November 2018 zeigen. Longial hält auf www.longial.de darüber auf dem Laufenden.
Sozialpartnermodell: Wo bleiben die KMU?
In der abschließenden Diskussion zeigte sich, dass nicht nur die Arbeitgeber ins Boot der bAV zu holen sind, sondern vor allem die jungen Arbeitnehmer. Gerade sie sind viel zu wenig informiert, andererseits aber über digitale Techniken gut erreichbar. Die Personalabteilungen bei der (digitalen) Kommunikation zu unterstützen, sieht Michael Hoppstädter daher als eine der Hauptaufgaben der kommenden Jahre an. Selbstverständlich kam das Sozialpartnermodell nochmal zur Sprache. Alle stimmten darin überein, dass große Unternehmen mit bewährten Versorgungssystemen erst einmal abwarten werden, bis die ersten Modelle in der Praxis zum Einsatz kommen. Die eigentliche Hauptzielgruppe – die KMU – haben sich leider bisher kaum zu Wort gemeldet. Dabei ist die stärkere Verbreitung der bAV gerade in ihren Betrieben das Ziel des „pay & forget“-Modells. Abschließende Einschätzung der Diskutanten: „Wer zuckt als erstes …?“