24. Februar 2021

Was bedeutet eine fehlerhafte Auskunft? (BFH-Urteil vom 6.5.2020 – X R 8/19)

Werden Rentenbezugsmitteilungen seitens eines externen Dienstleisters verspätet oder gar nicht übermittelt, kann es zur Festsetzung eines Verspätungsgeldes gegen den Auftraggeber kommen. Dies war bei dem vom Bundesfinanzhof (BFH) zu beurteilenden Sachverhalt der Fall.


Worum ging es konkret?
Die Klägerin ist ein berufsständisches Versorgungswerk. Bei der Beklagten handelt es sich um die Deutsche Rentenversicherung Bund, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA). Versorgungswerke sowie die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung müssen der ZfA bis Ende Februar des Folgejahres Rentenbezugsmitteilungen elektronisch übermitteln. Diese wiederum leitet die Mitteilungen, aus welchen sich insbesondere die Höhe der jeweils ausgezahlten Renten ergibt, an die Finanzbehörden weiter. Im Falle eines verschuldeten Fristversäumnisses muss die ZfA ein Verspätungsgeld von 10 Euro für jede verspätet übermittelte Rentenbezugsmitteilung und für jeden versäumten Monat festsetzen, maximal 50.000 Euro. Zudem kann noch eine Geldbuße verhängt werden. Zur Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen beauftragte die Klägerin die Firma X, die wiederum eine von der A-GmbH speziell entwickelte Software einsetzte. Die übersandten Meldungen enthielten die Identifikationsnummer, den Namen, den Vornamen und das Geburtsdatum des Leistungsempfängers, die Beträge der Leibrente, der anderen Leistungen und der Rentenanpassungen sowie den Zeitpunkt des Beginns und des Endes des jeweiligen Leistungsbezugs einschließlich der Laufzeiten etwaiger vorheriger Renten. Allerdings übermittelte X die Rentenbezugsmitteilungen für den Veranlagungszeitraum 2014 irrtümlich nicht unter der für die Klägerin vergebenen, sondern unter ihrer eigenen Kundennummer. Grund hierfür war ein von der A-GmbH fehlerhaft aufgespieltes Update, wobei X der A-GmbH hierzu eine veraltete Programmversion zur Verfügung gestellt hatte. Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Prüfung, bei der die dementsprechend fehlerhafte Übermittlung von mehr als 1.500 Rentenbezugsmitteilungen festgestellt wurde, setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin ein Verspätungsgeld in Höhe von 50.000 Euro mit der Begründung fest, die Klägerin habe unter der ihr zugeordneten Kundennummer innerhalb der gesetzlichen Frist keine Rentenbezugsmitteilungen übersandt. Es habe an der erforderlichen Authentifizierung gefehlt. Das diesbezügliche Verschulden der X und der A-GmbH müsse die Klägerin sich zurechnen lassen, da sie sich dieser als Erfüllungsgehilfin bedient habe.

Wie hat der BFH entschieden?
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19.2.2019 – 5 K 5117/17) erhobene Klage war erfolgreich. Die gegen das FG-Urteil erhobene Revision war mit der Folge begründet, dass der BFH die Sache an das FG zurückverwies. Die Festsetzung eines Verspätungsgelds setzt voraus, dass die Rentenbezugsmitteilung verspätet oder überhaupt nicht übermittelt wird. Die Deutsche Rentenversicherung Bund darf ein Verspätungsgeld gegenüber übermittlungspflichtigen Versorgungswerken nur bei nicht fristgerechter oder unterlassener Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen festsetzen. Die fristgerechte, aber inhaltlich fehlerhafte Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen an die ZfA rechtfertigt jedoch nicht die Festsetzung eines Verspätungsgeldes gemäß § 22a Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EstG), sofern die Mitteilungen für die Finanzverwaltung zum Zwecke der Besteuerung der Alterseinkünfte verarbeitungsfähig sind. Ist die übermittelte Rentenbezugsmitteilung aber derart fehlerhaft oder lückenhaft, dass die ZfA diese nicht an die Finanzbehörde weiterleiten kann, ist nicht mehr von einer fristgerecht übermittelten und lediglich fehlerhaften Rentenbezugsmitteilung auszugehen. Vielmehr gilt die Rentenbezugsmitteilung dann als nicht übermittelt, sodass ein Verspätungsgeld festzusetzen ist. Das FG muss nach der Zurückverweisung nun aufklären, ob die Rentenbezugsmitteilungen angesichts der unzutreffenden Kundennummer derart fehlerhaft waren, dass sie nicht mehr weitergeleitet werden konnten, oder ob sie verarbeitungsfähig waren. Gegebenenfalls muss es hierzu eine Erklärung der ZfA zum technischen Verarbeitungsablauf einholen. 

Wen trifft hier ein Verschulden?
Die Festsetzung des Verspätungsgeldes setzt voraus, dass der Kläger die verspätete Übermittlung beziehungsweise die unterlassene Übermittlung zu vertreten hat. Insofern bedarf es eines Verschuldens des Klägers. Bekanntlich hatte jedoch der Kläger nicht selbst die Rentenbezugsmitteilungen übermittelt, sondern die Firma X hiermit beauftragt, welche wiederum eine von der A-GmbH speziell entwickelte Software einsetzte. Wenn der Kläger sein Verschulden nicht selbst zu vertreten hat, indem er einen anderen als Handelnden einsetzt, könnte man zunächst daran denken, dass er dann auch nicht haftet, da es an einem „Vertretenmüssen“ nach § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fehlen könnte. Allerdings ist dem Kläger ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB zuzurechnen. Erfüllungsgehilfe laut § 278 Satz 1 BGB ist derjenige, der nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners, hier also der Klägerin, bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine „Hilfsperson” tätig wird. Insofern hat der BFH in seinem Urteil die Auffassung vertreten, dass sämtliche Tätigkeiten, die ein Dritter mit konkretem Bezug zur Erfüllung der Mitteilungspflichten übernimmt, bei der Bestimmung des Umfangs des Pflichtenkreises des Schuldners zu berücksichtigen sind. Das FG wird somit noch zu prüfen haben, inwieweit die A-GmbH ihren vertraglichen Pflichten zur individuellen Her- und Bereitstellung der Software dadurch nicht mit der von ihr objektiv zu erwartenden Sorgfalt nachgekommen ist, indem sie hinsichtlich der für den Veranlagungszeitraum 2014 zu übermittelnden Rentenbezugsmitteilungen ein fehlerhaftes Update aufgespielt hat.

Zwar stand die Klägerin mit der A-GmbH selbst nicht in einem Vertragsverhältnis, da ihre unmittelbare Erfüllungsgehilfin nur X war. Da diese sich ihrerseits jedoch einer solchen Erfüllungsgehilfin (A-GmbH) bedient hat, ist ein dortiges Verschulden der Klägerin zugleich zumindest mittelbar zuzurechnen, falls deren Einschaltung dem Willen der Klägerin entsprach.
Unabhängig davon wird das FG prüfen, ob auch die Firma X als unmittelbare Erfüllungsgehilfin der Klägerin eine fehlerhafte Datenübermittlung zu vertreten hatte. Denn X hatte der A-GmbH ja bekanntlich eine veraltete Programmversion zur Verfügung gestellt, sodass gegebenenfalls aufzuklären wäre, ob hierin ein kausaler – zumindest auf Fahrlässigkeit der X beruhender – Beitrag für die Erstellung des fehlerbehafteten Updates zu sehen war.

Fazit

Die fristgerechte, aber inhaltlich fehlerhafte Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen an die ZfA rechtfertigt nicht die Festsetzung eines Verspätungsgeldes gemäß § 22a Abs. 5 EStG, sofern die Mitteilungen für die Finanzverwaltung zum Zwecke der Besteuerung der Alterseinkünfte verarbeitungsfähig sind. Ein Unternehmer, der eine auf die Verhältnisse des Mitteilungspflichtigen zugeschnittene Software konkret für die Übermittlung von Rentenbezugsmitteilungen herstellt, ist dessen Erfüllungsgehilfe.
 

i Was ist zu tun?

  • Sofern ein Verspätungsgeld mit der Begründung festgesetzt wird, Rentenbezugsmitteilungen seien verspätet oder gar nicht übermittelt worden, besteht für den Mitteilungspflichtigen die Möglichkeit, zunächst im Rahmen eines Einspruchsverfahrens überprüfen zu lassen, inwiefern die vorbezeichnete Festsetzung begründet ist. Hierbei kommt es im Wesentlichen darauf an, ob dieRentenbezugsmitteilungen derart fehlerhaft waren, dass sie nicht mehr weitergeleitet werden konnten, oder ob sie verarbeitungsfähig waren. Sofern sie noch verarbeitungsfähig waren, dürfte der eingeschlagene Rechtsweg Aussicht auf Erfolg bieten.

Weitere Infos unter: weitblick@longial.de

 

Dirk Murski, Syndikusrechtsanwalt, Recht | Steuern, Longial
(Experte für Stellungnahmen mit rechtlichem und steuerlichem Hintergrund insbesondere bei der Einrichtung und Änderung von Versorgungswerken sowie Fragestellungen zu Unterstützungskassen)